pte20090707012 Tourismus/Reisen, Umwelt/Energie

Verschiebung der Regenzeiten am Berg Ararat

Temperaturanstieg macht Gletscher zu schaffen - Hoffen auf Besucher


Dogubayazit, Türkei (pte012/07.07.2009/10:45) Die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels sind unverändert Anlass zur Besorgnis. Auch in der Osttürkei berichten Bergführer von einem alarmierenden Gletscherschwund - und das trotz zunehmender Niederschläge. Allein in den vergangenen zehn Jahren sei die rund 100 m dicke Eiskappe auf dem Gipfel des Heiligen Berges Ararat an der Grenze zum Iran und Armenien um über 50 Meter geschrumpft. Hingegen hätten sich die Regenzeiten vom Frühjahr in den Sommer verschoben, sagt Mustafa Tekin von der Organisation Alpinturkey gegenüber pressetext. http://www.alpinturkey.com/

Der Berg war im Mai 2007 Schauplatz einer symbolischen Aktion von Greenpeace. Am Vorabend des G8-Gipfels in Deutschland eröffneten Umweltschützer unter der Leitung des Österreichers Wolfgang Sadik auf der Korhan-Höhe in 2500 m einen Nachbau der biblischen Arche Noah und formulierten die Ararat-Deklaration, um die politisch Verantwortlichen zum Handeln gegen die Klimazerstörung aufzufordern. http://www.greenpeace.at/4645.html Vier Wochen lang hatten zwanzig Aktivisten aus Österreich, Deutschland und der Türkei an dem Schiff gearbeitet, das seitdem als Schutzhütte für Bergsteiger genutzt wird.

Im Sommer desselben Jahres beschäftigten sich die türkischen Medien erstmals ausführlich mit dem Klimawandel, nachdem die landesweite Dürre den Trinkwasserressourcen der Hauptstadt Ankara bedrohlich zusetzte. Professor Mikdat Kadioglu von der Universität Istanbul warnte, dass die Türkei in den nächsten Jahrzehnten allein aufgrund des Klimawandels und der sich deshalb häufenden Dürren 20 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Anbaufläche einbüßen könnte.

Durch den rasanten Bevölkerungsanstieg, durch Verunreinigung von Quellen und falsche Bewässerung in der Landwirtschaft ist das Wasserreservoir pro Einwohner in den vergangenen 20 Jahren von 4.000 auf 1.400 Kubikmeter gesunken. Durch den Klimawandel wird ein weiteres Absinken auf 900 Kubikmeter bis zum Jahre 2030 erwartet. "Unvermeintlich, dass die Türkei bald vor einer dauerhaften Wasserkrise steht", so Bahar Divrak von der Türkeisektion des World Wildlife Fund (WWF). http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25882/1.html

Mustafa Tekin führt seit fast 10 Jahren Bergsteiger aus ganz Europa auf den Gipfel des mit 5.165 m höchsten Berges in der Türkei. http://de.wikipedia.org/wiki/Ararat Seinen Beobachtungen zufolge ist die Gletscherhaube auf dem Gipfel des ruhenden Vulkans im ostanatolischen Hochland deutlich abgeschmolzen. Sie reicht heute nur noch bis auf 4.950 m herunter - vor zehn Jahren lag das Niveau noch bei unter 4.900 m, sagt der Bergführer. Auch ein anderes Phänomen bereitet ihm Kopfzerbrechen: die alljährlichen Regenfälle im Frühjahr beginnen immer später, statt im April oder Mai oft erst im Juni.

Andererseits haben die Schneemengen und damit die Risiken zugenommen. Sie zwingen die Bergtourenveranstalter in diesem Jahr, ihre Höhenlager statt auf sonst 4200 m schon auf 3700-3900 m aufzuschlagen. Temperaturanstieg und Regenverschiebungen führen dazu, dass die vermehrten Niederschläge rascher abfließen, Sturzbäche auslösen und damit zusätzliche Gesteinsbewegungen und Vermurungen verursachen. Häufige Blizzards in den höheren Regionen, hohe Temperaturschwankungen und die starke Gletscherschmelze sind zudem Ursache für Felsstürze, die auch für bergerfahrende Besucher gefährlich werden können.

Touristische Entwicklung noch am Anfang

Als alpinistisches Ziel ist der Ararat nach wie vor ein Geheimtipp, obwohl er schon im Herbst 1829 vom deutschen Wissenschafter und Rektor der estnischen Tartu Universität, Johann Jakob Friedrich Wilhelm Parrot, erstmals bestiegen wurde. Wenige Jahre später, 1840, ist er zum letzten Mal ausgebrochen - begleitet von einem heftigen Erdbeben. Erste touristische Ansätze folgten nach dem letzten Weltkrieg, immer wieder unterbrochen von Auseinandersetzungen in der Kurdenfrage.

Offiziell geöffnet für ausländische Touristen hat die Türkei den "Berg des Schmerzes" (türkisch Agri Dagi genannt) erst 2001. Aufgrund seiner heiklen geografischen Lage im Grenzgebiet zu Armenien und Iran ist er weiterhin Teil einer militärischen Sperrzone, wovon sich der Besucher bei der Anfahrt über Dogubayazit selbst überzeugen kann. Militärische Einrichtungen säumen die Grenzen, und Straßenkontrollen stehen an der Tagesordnung, stören aber nicht weiter.

In der Grenzstadt Dogubayazit warten erste moderne Hotelanlagen auf den Besucher, doch die Stadt und ihre Infrastruktur müssen sich erst von den Folgen der Kurdenpolitik und Landflucht im Dreiländereck Iran-Irak-Türkei erholen. Binnen zehn Jahren ist sie von 10.000 auf über 60.000 Einwohner explodiert, viele von ihnen wohnen in Vierteln, die Flüchtlingslagern gleichen. Besucher aus dem Westen sind da als Devisenbringer immer willkommen - auch wenn die Entwicklung nur zaghaft vorankommt.

Offizielle Angaben über die Zahl der Gipfelstürmer auf dem Ararat gibt es nicht, obwohl jeder einzelne - zusätzlich zu seinem Türkei-Visum - eine Genehmigung des Sportministeriums in Ankara benötigt. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass der Berg immer wieder für internationale Aufregung sorgt - zuletzt infolge der Entführung von drei deutschen Bergsteigern durch eine kurdische Splittergruppe vor einem Jahr, am 8. Juli 2008. Die Kurdenorganisation PKK hatte sich vorsorglich von der Aktion distanziert. Dennoch blieb der Ararat den ganzen Sommer über unzugänglich und brachte damit den Besucherstrom zum Erliegen.

Zwei Jahre zuvor wurde der Berg vorübergehend gesperrt, weil eine armenische Bergsteigergruppe aus Anlass der 15jährigen Unabhängigkeit ihres Landes eine armenische Flagge auf dem Gipfel gehisst hatte und die Aktion provokant via Medien verbreitete. Bergsteiger armenischer Herkunft können sich seither gewiss sein, dass ihr Ansuchen um eine Gipfelerlaubnis in Ankara unerledigt bleibt. Die heikle Situation ist einer der Gründe dafür, dass die Erforschung der Gletscherzonen am Ararat noch gar nicht begonnen hat und daher Informationen über die Entwicklung des Klimas weitgehend fehlen.

Laut Mustafa Tekin war das Jahr 2007 die bisher beste Saison für den Ararat. Tekin schätzt die Besucherzahl in dem Hitzejahr auf 10.000 ein, doch nur ein Bruchteil scheint wirklich ganz oben gewesen zu sein. Die Zahlen sind nach der Entführung eingebrochen. Viele europäische Reiseveranstalter haben den Ararat wegen des politischen Risikos vorübergehend aus dem Programm genommen, was die Hotels und Herbergen der Region nun deutlich spüren. Auch die örtlichen Bergführer klagen über einen Rückgang von mehr als 50 Prozent seit 2007.

Natur und Kultur pur

Dabei zählt der Berg neben dem Elbrus im Kaukasus und dem Demavand im Iran zu den Top 5000ern in der Region. Die relativ einfache Anreise über den Flughafen der nahen Großstadt Van und die ansonsten nahezu unberührte Hochlandschaft Ostanatoliens sind Garanten für ein unvergessliches Naturerlebnis. Hinzu kommen jahrtausende alte Kulturdenkmäler, die es zu entdecken gilt, so etwa Burgen und Denkmäler aus der Zeit der Assyrer und Urartäer, reich geschmückte byzantinische Kirchen oder auch Märchenpaläste wie den des Kurdenemirs Ishak Pascha aus dem 17. Jahrhundert in der Nähe von Dogubayazit.

Ob die Vision des Gouverneurs der Ararat-Provinz Igdir allerdings Wirklichkeit wird, bleibt abzuwarten. Mustafa Tamer träumte schon bei der Ararat-Eröffnung 2001 in einem Interview mit dem deutschen Tagesspiegel von einem Fünf-Sterne-Hotel auf der Korhan-Alm in 2500 Metern Seehöhe, von einem Restaurant, einem Museum und einem Wintersportzentrum samt einer acht Kilometer langen Seilbahn auf den Gletscher. Da waren dann aber doch die Umweltschützer von Greenpeace schneller - mit dem Bau ihrer zehn Meter langen "Arche Noah"-Schutzhütte für anspruchslosere Bergsteiger.

Tipp: Im Oktober 2009 erinnern internationale Bergsteiger mit einem Gedenk-Gipfelgang an die Erstbesteigung des Ararat vor 180 Jahren. Organisiert wird der Event von der Estnischen Botschaft in der Türkei vom 5. bis 9. Oktober 2009, dem Jahrestag der Erstbesteigung. Zuvor wird eine Ausstellung im Ishak Pascha Palast eröffnet, in der das Leben und Werk des ersten Gipfelstürmers Johann Friedrich Parrot gewürdigt wird. http://www.eesti.ca/?op=article&articleid=24303

Ararat-Touren werden aktuell angeboten von

Dr. Koch Reisen in Karlsruhe
http://www.dr-koch-reisen.de/reisen/ararat-besteigung-bergwandern-wandern-tuerkei-osttuerkei.aspx

Horizont Tours in Berlin
http://www.horizonttours.de/reisen/reiseziele/programmuebersicht/tuerkei/ararat.html

Ararat Tours in Dresden
http://www.ararat-tours.com/

Kneissl Touristik Wien
http://www.kneissltouristik.at/de/287/

Die Bergspechte Linz
http://www.bergspechte.at/Reiseziel/T%C3%BCrkei-Ararat-(5137-m)

Raiffeisen Reisebüro Wien
http://www.raiffeisen-reisen.at/

Mountaintreck Wiedlisbach
http://mountaintreck.ch/seiten/tuerkei/ararat/ararat_2.htm

Alpin Travel in der Schweiz
http://www.alpintravel.ch/

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der "Stop Global Warming" Tour der Nachrichtenagentur pressetext. 2007 hatte eine pressetext-Expedition die Folgen des Klimawandels auf dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo, untersucht. http://pressetext.de/news/070806006/ Im Jahr darauf stand die globale Erwärmung am höchsten Berg Europas, dem Elbrus im Kaukasus, im Mittelpunkt der Berichterstattung. http://pressetext.de/news/080728010/ und
http://pressetext.de/news/080728009/

Fotos von der jüngsten "Stop Global Warming"-Mission sind auf Fotodienst abrufbar. http://www.fotodienst.at/browse.mc?album_id=2821

(Ende)
Aussender: pressetext.deutschland
Ansprechpartner: Dr. Wilfried Seywald
Tel.: +43-1-81140-300
E-Mail: seywald@pressetext.com
|