Van-See: Im Paradies der Schildkröten
Hochland von Ost-Anatolien hofft auf touristischen Aufschwung
Van-See/Türkei (pte031/09.07.2009/13:30) Landschildkröten gelten seit jeher als Sympathieträger und heilige Tiere. Schon im alten Ägypten, in Griechenland und in Mesopotamien wurden die Reptilien als Haustiere gehalten und genossen kultische Verehrung. In der Region Urartu rund um den Berg Ararat im östlichsten Zipfel der Türkei sind die weit verbreiteten Kriechtiere auch Symbol für die langsame wirtschaftlichen Entwicklung. Mit dem neuen Masterplan des Türkischen Kultur und Tourismusministeriums soll dies nun anders werden. Der sieht bis zum Jahr 2023 kräftige Investitionen in die Infrastruktur vor.
Die Stadt Van am gleichnamigen See war schon in der Antike Zentrum eines mächtigen Königreichs (Urartu), das sich im 9. Jahrhundert v.Chr. gegen die Assyrer durchsetzen konnte. Heute ist der Flughafen der 350.000 Einwohner Stadt die einzige relevante Anbindung des ostanatolischen Hochlandes zu internationalen Handels- und Geldströmen. Der großflächige Van-See, die Städte Bitlis, Ahlat und Agri und die mächtigen Vulkane Nemrut (2828m), Süphan (4058m) und Ararat (5165m) bieten die Kulisse für die touristische Entwicklung hin zur Kultur- und Sportdestination.
Noch liegt die künftige "Urartu Destination" still darnieder, doch die ersten Großinvestitionen rollen. Derzeit werden Straßen und Wasserkraftwerke ausgebaut, rund um den Van-See und in Richtung iranischer Grenze fahren Baumaschinen, Traktoren und Bagger im Stundentakt. Auch die Wasserversorgung und das Stromnetz werden modernisiert, adäquate Grundflächen gesichert. Sie sind die Grundlage für künftige Investitionen in den Tourismus, heißt es im Masterplan, der in den nächsten 15 Jahren den massiven Ausbau von Bettenkapazitäten, Golfplätzen, Wassersportanlagen, Yachthäfen, Bergsport-, Trekking- und Wintersporteinrichtungen vorsieht.
Die türkische Regierung verfolgt mit dem Entwicklungsprogramm einen klaren Plan. Waren die politisch Verantwortlichen in der Vergangenheit in der Van-Region vor allem mit Kurdenflüchtlingen, Verelendung und Terrorismus befasst, so gilt nun die Devise, Entwicklungsgelder in das Land am Ararat zu lenken und kräftig in die Bildung zu investieren. Allein 11 Universitäten wurden in den letzten Jahren neu gegründet. Die Rechnung scheint bereits aufzugehen: Wirtschaftliche Prosperität und Zukunftsperspektiven entziehen den Rebellen jede Existenzgrundlage. Den Kurden in der Türkei geht es besser als anderswo im Zweistromland.
Vom Agrarland zur Tourismusdestination
Nicht erst seit den EU-Ambitionen setzt die Türkei auf die massive Entwicklung seines touristischen Potenzials. Mehr als 20 Millionen Besucher empfängt das Land zwischen Schwarzen Meer und Mittelmeer jährlich. Still und heimlich hat sich die Türkei mit seinen reichen Kultur- und Naturschätzen zur beliebtesten Mittelmeerdestination entwickelt, der Tourismus ist mittlerweile wichtigster Devisenbringer und Motor für die Entwicklung. Binnenregionen wie der Van-See, siebenmal so groß wie der Bodensee, wollen von dem Kuchen ein Stück abbekommen und mitmischen.
Noch scheint die Zeit hier gegen den Trend zu laufen. Auf dem kargen und weitgehend waldlosen Hochland, im Durchschnitt über 1700 m gelegen und von zahlreichen Vulkansteinfeldern durchzogen, mühen sich die Bauern bei der Heuernte, die Städte quellen indes über von Elendsbehausungen, Müll, Schrott und Autos. Die Region leidet unter den Folgen der Kurdenkonflikte, das Pro-Kopf-Einkommen beträgt nur ein Viertel des Durchschnitts der gesamten Türkei. Inoffizielle Einkommensquelle ist der Schmuggel über die iranisch-türkische Grenze.
Versorgung und mobile Kommunikation sind tadellos, doch die Preise hoch, und vielen Kindern fehlt nach wie vor der Zugang zu adäquater Bildung. Wenn dann noch die wenigen Touristen ausbleiben, wie nach der Entführung von drei deutschen Bergsteigern durch kurdische Rebellen im Vorjahr, ist der Ärger groß. Am Ausgangspunkt für Ararat-Bergtouren, Dogubayazit, gibt es zwanzig Herbergen. Das 3-Stern-Hotel "Sim-er, an der Ausfallstraße Richtung Ararat gelegen, beherbergte Anfang Juli 2009 gerade mal fünf Gäste.
Von Touristenmassen kann aber derzeit ohnehin noch nicht gesprochen werden. Die aktuelle Wirtschaftskrise, aber auch die abgelegene geografische Lage des sodahältigen Lava-Sees tragen dazu bei, dass sich die Investitionen wohl noch etwas verzögern werden. Behzad Marvie, Reiseleiter des deutschen Türkei-Spezialisten Dr. Koch Reisen, bestätigt die schwierige Ausgangslage der Region. "Wenn ein Land wie die Türkei an drei Meeren liegt, dem Schwarzen Meer, der Ägäis und dem Mittelmeer: Wer soll dann noch an einem Binnensee Badeurlaub machen?"
Van-See: Bilder aus der Vergangenheit
Wer den Van-See entlang fährt, kann sich indes kaum sattsehen an unberührter und geradezu "nackter" Natur. Das Seeufer des 3.740 km2 großen Sees ist auf 120 km Länge und 80 Kilometer Breite nahezu unverbaut, Schiffe sind nicht zu sehen, dafür aber herrliche Buchten und Spiegelungen der hochmoorartigen Landschaft ringsum. Die Kulisse erinnert an Gemälde europäischer Gewässer aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Im Frühjahr ist der See ein Mekka für Vogelkundler und Botaniker, an den Süßwasser-Zuflüssen tummeln sich die eher schwachen Fischbestände.
Berühmt ist die bynzantinische Heiligenkreuz-Kirche auf der Akdamar Insel, die erst im Vorjahr vollständig restauriert wurde. Die im Jahre 915 vom armenischen König Gagik gegründete Kirche ist reich an herrlichen Sandstein-Reliefs an der Außenfassade. Wie sehr viele andere Kulturdenkmäler aus drei Jahrtausenden wurde auch sie im Zuge der russisch-türkischen Kriege im 20. Jahrhundert stark in Mitleidenschaft gezogen. Im märchenhaften Ishak Pascha Palast des Kurdenemirs von Dogubayazit rissen die russischen Besatzer nach dessen Zerstörung 1918 sogar die vergoldeten Eingangstore aus den Halterungen, um sie nach St. Petersburg abzutransportieren.
Die Van-Region war allerdings seit Beginn historischer Aufzeichnungen ein Aufmarsch- und Durchzugsgebiet großer Heere. Nach den Hurritern und den Assyrern (3000 bis 860 v.Chr.) dominierten die Urartäer (860-580 v.Ch.) das Quellgebiet von Euphrat und Tigris, danach folgten die Meder und die Perser, allesamt in kriegerischer Absicht. Um 330 v.Chr. eroberte der Makedonier Alexander der Große den Landstrich, danach übernahmen die Parther und dann wieder die Perser die Kontrolle. Es folgten Sassaniden, Römer, Araber, Byzantiner und Seldschuken, bevor die Osmanen für nahezu 500 Jahre das Land regierten. Zahlreiche Burgen, Kirchen, Kuppelgräber und Moscheen zeugen von der großen Vergangenheit des Hochlandes.
Abseits dieser steinernen Denkmäler und der Segnungen moderner Technik verläuft das das Leben weiter beschaulich. Die kleinen Bauerndörfer mit ihren steinernen Häusern im Grenzgebiet zum Iran wirken elend, doch die Kinder und Menschen sind fröhlich. Sie halten es mit den Schildkröten: Wenn es warm wird, verbringen sie den Tag in der Sonne, und wenn die langen Winter kommen, ziehen sie sich zurück.
Tipp: Fotos in Highresolution zu diesem Beitrag stehen auf http://www.fotodienst.at/browse.mc?album_id=2823 zum Download bereit. Der Beitrag entstand im Rahmen der "Stop Global Warming" Initiative von pressetext, die in diesem Jahr auf den Berg Ararat geführt hat. http://pressetext.at/news/090707012 und http://www.fotodienst.at/browse.mc?album_id=2821
Im Jahr 2007 hatte eine pressetext-Expedition die Folgen des Klimawandels auf dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo, untersucht. http://pressetext.de/news/070806006/ Im Jahr darauf stand die globale Erwärmung am höchsten Berg Europas, dem Elbrus im Kaukasus, im Mittelpunkt der Berichterstattung. http://pressetext.de/news/080728010/ und http://pressetext.de/news/080728009/
Das pressetext-Team war im Rahmen der Ararat-Tour in der Ferienanlage von Dr. Koch Reisen am Van-See untergebracht. http://www.dr-koch-reisen.de/ferienanlage-vansee.aspx
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