pte20090714036 Bildung/Karriere, Kultur/Lifestyle

ver.di bestreikt Kirche wegen Billiglöhnen

Diakonien sperren sich gegen Tarifvertrag


Arbeitgeber Kirche: ver.di droht mit Streik (Foto: aboutpixel.de, chhmz)
Arbeitgeber Kirche: ver.di droht mit Streik (Foto: aboutpixel.de, chhmz)

Berlin (pte036/14.07.2009/13:50) Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di http://www.verdi.de hat zu Streiks gegen den Arbeitgeber Kirche aufgerufen. Als Anlass sieht die Arbeitnehmervertretung die Weigerung der Diakonien, einen Tarifvertrag für ihre Beschäftigten zu akzeptieren. Die Bezahlung der Angestellten erfolge auf eklatant niedrigem Niveau. In verschiedenen diakonischen Pflegeheimen seien zudem weitere Lohnsenkungen von bis zu 13 Prozent vorgesehen, die vonseiten der Beschäftigten nicht hingenommen werden sollten. Bereits im Mai hatten 250 Beschäftigte aus verschiedenen diakonischen Einrichtungen in drei Bundesländern die Arbeit niedergelegt. Für die Zeit vom 22. bis zum 25. September 2009 sind nun erneut Streiks vorgesehen. Nach Ansicht der diakonischen Arbeitgeber seien Tarifverträge und Streiks in ihrem Bereich unzulässig.

"Aus Sicht der Kirche ist die tarifrechtliche Situation geklärt, aus Sicht der Gewerkschaften hingegen nicht", meint ver.di-Sprecher Jan Jurczyk auf Anfrage von pressetext. Dabei gehe es um eine grundsätzliche Debatte, die auf den Eigenheiten des deutschen Tarifrechts basiert. "Kirchen und Caritas genießen einen tarifrechtlichen Sonderstatus, auch genannt 'Der Dritte Weg'", erklärt Jurczyk. Demzufolge dürfen Gewerkschaften zwar Mitglieder in den Reihen der Beschäftigten haben. In Hinblick auf Streiks und Tarifverträge bewege man sich jedoch in einer rechtlichen Grauzone, die der Kirchen-Sonderstatus schafft. "Vereinbarungen über die Entlohnung und die Arbeitsverhältnisse werden bislang in arbeitsrechtlichen Kommissionen getroffen. Dabei sitzen jedoch keine Gewerkschaften am Tisch", betont Jurczyk gegenüber pressetext.

Ohne Tarifvertrag und unter Verhandlungsausschluss der Gewerkschaften ist es gerade der Kirche bzw. ihren diakonischen Einrichtungen nach wie vor möglich, ihre Arbeitnehmer auf Niedriglohnlevel zu vergüten. So verdient nach ver.di-Angaben etwa eine Krankenschwester bereits zum Berufseinstieg in einem diakonischen Werk monatlich rund 80 Euro weniger als im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst üblich. Bei Altenpflegehelferinnen klafft der Unterschied nach 247 Euro zum Einstieg nach zehnjähriger Dienstzeit um 571 Euro pro Monat auseinander. Grundlage dafür bilden die "Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschland", die in vielen Einrichtungen angewendet werden. Seit 2004 hätten die Beschäftigten zudem keine Erhöhung mehr erhalten.

Nach den Streiks im Mai "hat die Kirche aber anders als angekündigt auf eine Maßregelung der Streikenden verzichtet", sagt Jurczyk. ver.di deutet dies als Zeichen dafür, dass einer juristischen Konfrontation vor dem Arbeitsgericht womöglich ausgewichen werden soll. "Die Diakonie missbraucht die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Kirche, um Vergütungen im Sozial- und Gesundheitswesen unterhalb des Branchenniveaus durchzusetzen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben das Kirchenprivileg aber nicht geschaffen, um evangelische Billiglöhne zu ermöglichen", kritisiert die Gewerkschaft. Weigert sich die Kirche weiterhin gegen einen Tarifvertrag, müsse notfalls der Bundestag diese Fehlentwicklung stoppen, indem er das Kirchenprivileg präzisiert.

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