pte20090724003 Forschung/Entwicklung, Medizin/Wellness

Künstliches Gehirn ist in zehn Jahren Realität

EPFL-Wissenschafter rekonstruieren Teil der Großhirnrinde


EPFL-Forscher simulieren einen Teil des Gehirns von Säugetieren (Foto: pixelio.de/Monika Torloxt)
EPFL-Forscher simulieren einen Teil des Gehirns von Säugetieren (Foto: pixelio.de/Monika Torloxt)

Oxford/Lausanne (pte003/24.07.2009/06:10) Der südafrikanische Neurowissenschafter Henry Markram hält es für realistisch, innerhalb der nächsten zehn Jahre ein künstliches menschliches Gehirn zu erschaffen. Diese spektakuläre Meldung hat im Rahmen der momentan laufenden TED Global Conference http://conferences.ted.com/TEDGlobal2009 im englischen Oxford für einige Aufregung gesorgt. Markram ist Direktor des Blue Brain Projekts an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) http://bluebrain.epfl.ch/page17871.html , das auf Basis von Labordaten die Funktionsweise von Säugetiergehirnen zu rekonstruieren versucht. Die Medizin erhofft sich von den Forschungsarbeiten am EPFL allgemeine Aufschlüsse für die Behandlung von psychischen Krankheiten.

Im Detail beschäftigen sich die Wissenschafter mit der Simulation einer neokortikalen Säule, die sich im stammesgeschichtlich jüngsten Teil der Großhirnrinde von Säugetieren befindet und komplexe kognitive Funktionen sowie soziale Interaktionen ermöglicht. Seit etwa 15 Jahren arbeitet Markram mit seiner neurowissenschaftlichen Mannschaft an der Zerlegung der Struktur dieser Säule. Nun ist es ihnen geglückt, diesen Gehirnteil computerbasiert zu simulieren. Der Direktor beschreibt die hoch komplizierte Arbeit folgendermaßen: "Es ist wie wenn man den Regenwald katalogisiert - über wie viele Bäume er insgesamt verfügt, wie viele von jeder Baumart es gibt oder auf welchen Positionen die Bäume stehen." Andererseits sei es doch mehr als Katalogisieren, "weil wir alle Kommunikations- und Konnektivitätsregeln des Gehirns entdecken und beschreiben müssen", so der Professor.

Die Datenmenge, die das Blue Brain Projekt mittlerweile gesammelt hat, ist enorm. Zehntausende Nervenzellen, durch die die Informationsprozesse im Gehirn verarbeitet werden, hat der Supercomputer "Blue Gene" bislang gespeichert. Mehr als 10.000 Prozessoren waren notwendig, um das riesige Datenvolumen einigermaßen bewältigen zu können. Die Ergebnisse der aufwändigen Forschung haben sich jedoch bezahlt gemacht. Obwohl jede Nervenzelle einzigartig ist, hat das Team am EPFL gewisse Muster im Informationskreislauf des Gehirns entdeckt. "Egal ob ein Gehirn kleiner, größer oder eine andere Gestalt der Neuronen aufweist, wir haben im Prinzip alle die selbe Struktur", erklärt Markram. "Wir denken, dass dieser Umstand speziesspezifisch ist. Dies könnte erklären, warum wir nicht mit anderen Spezies kommunizieren können." Mit "wir" meint der Wissenschafter übrigens Säugetiere, denen Menschen aus zoologischer Sicht ebenfalls zugeordnet werden können.

Darüber hinaus können die Wissenschafter an ihrem Modell einer synthetischen neokortikalen Säule elektrische Aktivität erkennen, wenn dem Gehirn zum Beispiel ein Foto von einer Blume gezeigt wird. "Das System wird dabei aufgeregt und kreiert sich seine eigene Darstellung von dem Bild", so Markram. Am Schluss seines Vortrags gab Markram dem Publikum in Oxford noch folgende, interessante Bemerkung mit auf den Weg: "Wir können uns nicht für immer mit Experimenten an Tieren herumschlagen. Es gibt schließlich über zwei Mrd. Menschen auf dieser Welt, die an psychischen Störungen leiden. Das Blue Brain Projekt könnte Aufschlüsse für neue Behandlungsmethoden dieser Störungen bieten."

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