pte20101112002 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Musik ist Medizin gegen Depression

Studie bestätigt langfristige Wirkung von Audiotherapie


Kopfhörer und Musikcomputer: Depression kann man auch durch Musikhören behandeln (Foto: Sanoson)
Kopfhörer und Musikcomputer: Depression kann man auch durch Musikhören behandeln (Foto: Sanoson)

Salzburg (pte002/12.11.2010/06:05) Eine neu entwicklete Form der Musiktherapie eignet sich als alleinige Behandlungsform bei leichten und mittleren Formen der Depression. Bei schweren und lange anhaltenden Erkrankungen wirkt sie als zusätzliche Maßnahme positiv. Das berichtet eine internationale Forschergruppe im "Journal of Psychotherapy and Psychosomatics". "Musik kann Veränderungen im Hirn auslösen, die über andere Wege nicht gelingen", betont Vera Brandes, Leiterin der Studie sowie des Forschungsprogramms Musik-Medizin der Paracelsus Privatuniversität Salzburg http://www.musik-medizin.at , im pressetext-Interview.

Erfolg auch bei Oftbehandelten

203 Patienten mit Depression wurden dazu fünf Wochen lang mit einer auf Musik basierenden Therapie behandelt. In dieser Placebo-geprüften Doppelblind-Studie waren teils Patienten vertreten, die zuvor nie in einer Therapie waren, sowie solche, die bereits viele Versuche hinter sich hatten ohne zufriedenstellendem Ergebnis. Bei 89 Prozent der mit Audiotherapie Behandelten besserte sich der Schweregrad ihrer Depression - um durchschnittlich 60 Prozent, nimmt man die Hamilton-Skala als Maßstab.

"Beide Gruppen haben von Musiktherapie in gleichem Maß und auf lange Sicht profitiert", berichtet die Forscherin. Die Befunde stabilisierten oder verbesserten sich durchgehend und auch die Nachwirkungen waren langfristig. Das Ergebnis dieser bisher größten Studie zu Musiktherapie bei Depressionen wird Brandes Ende November am Kongress der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde http://www.dgppn.de präsentieren.

Heilung braucht neue Musik

"Unser Ziel war es, ein System für die ärztliche Praxis zur Verfügung zu stellen. 70 Prozent der Depressionen werden vom Hausarzt diagnostiziert und behandelt", so Brandes. Bei dem gestesteten Konzept, das den Namen "Sanoson" http://www.sanoson.com trägt, führen Arzt und Patient zunächst ein Erstgespräch nach vorgegebenem Schema. Auf Grundlage dieser Angaben und eines ausführlichen Fragebogens stellen Psychologen ein individuelles Musiktherapie-Programm zusammen. Der Patient erhält nach Einführung durch den Arzt ein Audiotherapie-Leihgerät mit nach Hause und durchläuft das Programm fünf Wochen lang zwei halbe Stunden pro Tag.

Hinter dem System steckt enorme Entwicklungsarbeit. Die Musikstücke wurden eigens zu diesem Zweck komponiert und entfalten durch Frequenzspektrum und Rhythmus eine jeweils spezifische Wirkung. "Musik wirkt dann am besten, wenn man sie zum ersten Mal hört. Bei bekannter Musik schwingen immer Assoziationen mit, die physiologisch ungünstig sind und nicht dieselbe Wirkung erzielen", erklärt die Expertin. Auch ein szepzielles Abspielgerät wurde entwickelt. "Es greift auf ein Audioformat zurück, das keine Qualitätseinbußen durch Kompression bringt, die etwa das mp3-Format zeigt."

Musik verändert den Körper

Die Musik spricht eine große Bandbreite von Körperfunktionen an - darunter auch Hirnareale, die mit anderen Mitteln nicht erreicht werden können. "Ein wichtiger Schlüssel ist das autonome Nervensystem, jedoch sind auch im Dopaminkreislauf des Belohnungssystems, bei der Muskelaktivität und Körpertemperatur, in zirkumdiären Blutdruckschwankungen, im EEG sowie in Stressparametern deutliche Änderungen messbar", so Brandes. Derzeitige Studien zur Depressionsbehandlung konzentrieren sich vor allem auf die Parameter, die auch Psychopharmaka-Hersteller verwenden. "Das bringt den Vorteil des besseren Vergleichs."

Depressive brauchen niederschwellige Angebote, betont Brandes. Viele sind von existierenden Therapien nicht überzeugt, bei manchen funktionieren sie nicht. "Gerade die Restsymptome sind oft ein Problem. Denn Patienten kommen zwar oft mit unvollständiger Heilung klar, richtig gut leben können sie damit jedoch nicht. Die Folge sind hohe Rückfallquoten und eine jedes Mal größere Hürde, sich wieder zur Behandlung zu motivieren", erklärt die Wissenschaftlerin. Beim Sanoson-System sei der Aufwand mit den fünf Wochen hoch, dennoch zeigten die Patienten die bestmögliche Therapietreue.

Krankenkassen überlegen noch

Anwendung findet die Audiotherapie bisher bei mehreren Leiden - außer bei Depression auch beim Burnout-Syndrom, bei Schlafstörungen sowie auch für die Steigerung der Herzfrequenz-Variabilität bei Hypertonikern. "Erfolgsberichte gibt es auch bei bipolaren Störungen. Bei Schizophrenie oder Psychosen haben wir noch keine Erfahrungen", erklärt die Expertin. Das Programms kostet 1.500 Euro, wobei derzeit in Europa und auch in den USA Verhandlungen mit Krankenkassen bezüglich eines Kostenersatzes laufen. "Immer mehr Ärzte nehmen die Musiktherapie ernst, zudem sind auch viele Betriebe interessiert, die mit Burnout oder Burnout-gefährdeten Mitarbeitern konfrontiert sind."

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