pte20120606015 Technologie/Digitalisierung, Medien/Kommunikation

Videochat-Überwachung soll Exhibitionisten abhalten

"Airtime"-User erlauben Monitoring, um nicht Chatroulette zu werden


Webcam: App will Zugriff (Foto: pixelio.de, Wjatscheslav Dumler)
Webcam: App will Zugriff (Foto: pixelio.de, Wjatscheslav Dumler)

Menlo Park (pte015/06.06.2012/12:45) Airtime, die neue Videochat-Anwendung von Napster-Gründer Sean Parker, ermöglicht Usern sich mit Freunden oder Fremden per Videotelefonie zu unterhalten. Anmeldungen sind nur mit einem Facebook-Account möglich. Um zu verhindern, dass beim Chat mit Fremden mehr Geschlechtsorgane als Gesichter auf dem Bildschirm zu sehen sind, wie etwa beim Vorbild "Chatroulette", schießt Airtime regelmäßig Kontroll-Fotos über die Webcams, wie Forbes berichtet. Nutzer stimmen bei der Installation zu, dass Airtime Bilder und Gespräche aufzeichnen darf.

Schiefe Optik

"Rechtlich gesehen kommt es darauf an, an welcher Stelle in den Nutzungsbedingungen die Rechte abgetreten werden. Wenn die Formulierung nicht versteckt wird, ist es für eine Firma möglich, sich das Recht zum Mitschneiden abtreten zu lassen. Da gibt es natürlich auch Grauzonen. Rechtlich unproblematisch ist das auch bei entsprechender Kennzeichnung nicht, das trifft aber auch auf andere Facebook-Apps zu, die das Verhalten der User protokollieren", sagt Manuel Boka vom Europäischen Zentrum für E-Commerce und Internetrecht e-center http://www.e-center.eu , im Gespräch mit pressetext.

Airtime selber gibt an, dass von dem Recht normalerweise kein Gebrauch gemacht wird und Aufzeichnungen von Gesprächen nur nach zusätzlicher Einwilligung durch den Nutzer vorstellbar sind. Schriftliche Chat-Unterhaltungen werden ohnehin für den späteren Zugriff durch die User archiviert. Die regelmäßigen Anti-Exibitionisten-Fotos werden laut Airplay ausschließlich beim Chatroulette-ähnlichen Service geschossen, der zufällige Verbindungen zu Fremden erlaubt.

Da alle Nutzer durch die Anmeldung via Facebook ohnehin identifiziert werden können, scheint diese Kontrollfunktion aber redundant. Namentlich registrierte User werden es sich wohl zweimal überlegen, bevor sie ihre Geschlechtsorgane öffentlich präsentieren.

Datenschutz-Kritik

"Nach deutschem Recht ist ein solcher Dienst unzulässig, wenn der Zugriff auf die Kommunikationsdaten nur in den Geschäftsbedingungen geregelt ist. Zur Einwilligung der User ist eine Hervorhebung nötig, bloßes Klicken reicht nicht aus. Auch das Telekommunikationsgeheimnis wird verletzt. Solange es nur eine englische Version eines US-Anbieters gibt, ist deutsches Recht nicht relevant. Die Nutzer, die diese Version nutzen, sind selber schuld. Eine deutsche Ausgabe wäre betroffen", sagt Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein http://www.datenschutzzentrum.de , im Gespräch mit pressetext.

Ob die Nutzer einer Applikation solche weitreichenden Befugnisse einräumen wollen, bleibt ihnen aber immerhin selber überlassen. "Dass eine Firma sich offen Berechtigungen geben lässt, die sonst nur in der Verbrechensbekämpfung üblich sind, ist bedenklich. Die Überwachung des Chatroulette-Modus leuchtet mir noch ein, aber das Recht Kommunikationsdaten mitzuschneiden, insbesondre wenn ein Datensammer-Dienst wie Facebook mit im Spiel ist, sollte keine Firma haben. Die User sollten sich zweimal überlegen, ob sie das Risiko eingehen wollen", sagt Christian Jeitler von Quintessenz http://quintessenz.at im Gespräch mit pressetext.

(Ende)
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