G12-Gremium soll Internet künftig kontrollieren
ICANN-Abkommen mit US-Regierung läuft aus
Viviane Reding fordert internationale Kontrolle über das Internet (Foto: ec.europa.eu) |
Brüssel/Wien (pte002/06.05.2009/06:10) Die EU-Medien-Kommissarin Viviane Reding hat in ihrer wöchentlichen Videobotschaft ihre Vorstellung für die Zukunft des Internets dargelegt http://ec.europa.eu/commission_barroso/reding/video/index_en.htm . Sie macht sich für die Privatisierung, aber auch Demokratisierung des Webs stark. Hintergrund ihrer Vorschläge ist, dass die ICANN, das oberste Verwaltungsgremium des Webs, bislang unter dem Schutzschirm des US-Handelsministeriums steht. Ein entsprechendes Abkommen wurde vor zehn Jahren getroffen und läuft am 30. September dieses Jahres aus. Laut Redings Vorschlag soll ein "G12-Gremium" eingesetzt werden, das künftig quasi eine Internetregierung bilden und über dessen Strukturen wachen soll.
Reding fordert die US-Regierung auf, die bereits unter der Clinton-Administration versprochene Privatisierung der ICANN voranzutreiben und die Weichen für die künftige Kontrolle des Webs zu stellen. Das Internet sei mittlerweile zu international, um unter der Kontrolle lediglich einer Regierung zu stehen. Nach Vorstellungen der EU-Kommissarin soll das Gremium von je zwei Mitgliedern aus Nord- bzw. Südamerika, Europa und Afrika sowie insgesamt drei Mitgliedern aus Asien und Australien bestehen. An den Sitzungen soll zudem der ICANN-Vorsitzende teilnehmen, allerdings kein Stimmrecht haben.
Schließlich regt die Kommissarin die Bildung eines schlanken internationalen Tribunals an. Es soll als Anlaufstelle für Privatpersonen, Unternehmen, Organisationen und Behörden dienen, die von Entscheidungen der ICANN betroffen sind. Momentan sind die Gerichte Kaliforniens zuständig für diese Belange. Diese seien allerdings nicht der beste Platz, um Probleme aus aller Welt zu behandeln, meint Reding. Die EU-Kommissarin will die Obama-Regierung mit ihren Vorschlägen zu einer rascheren Entscheidungsfindung drängen. Schließlich ist derzeit noch völlig ungeklärt, welchen Weg das Internet und seine Verwaltung mit 1. Oktober einschlagen wird.
"Die Vorschläge sind interessant, wenn auch wahrscheinlich schwierig umzusetzen", sagt Richard Wein, Geschäftsführer der österreichische Registry nic.at http://www.nic.at , im Gespräch mit pressetext. Tatsächlich sei es schwer zu sagen, was nach dem 30. September kommen wird. "In jedem Fall wird es etwas Neues geben, die Obama-Regierung wird das Abkommen mit ICANN nicht einfach verlängern. Der Druck anderer Regierungen ist hierbei mittlerweile zu groß", ist Wein überzeugt. ICANN habe sich in den vergangenen Jahren bereits hin zu basisdemokratischen Strukturen entwickelt und diese haben sich auch sehr bewährt. An eine politische Lösung mit einer G12-Vertretung von Regierungen glaubt Wein allerdings nicht. Jene Stakeholder-Groups, die derzeit bei ICANN aktiv sind, werden sich nur ungern von der Politik verdrängen lassen.
Die Installation eines internationalen Tribunals könnte ebenso schwierig werden. Um effektiv arbeiten zu können, müssten die getroffenen Weisungen von allen Regierungen akzeptiert und in nationales Recht umgesetzt werden. Bereits in der EU dauert es Jahre, bis Gesetze in allen Ländern gültig sind - global gesehen ist dies eine Mammutaufgabe. In vielen Ländern wurden Ombudsmänner eingesetzt, an die man sich wenden kann, wenn Probleme das Internet betreffend auftreten. "Diese Stellen unterstützen den einzelnen bei rechtlichen Fragen und stehen beratend zur Seite", erläutert Wein. ICANN selbst habe ebenfalls eine derartige Anlaufstelle eingerichtet, an die sich nationale Registrare wenden können.
Eine Entscheidung über die Zukunft von ICANN ist im Moment nicht absehbar. Im Juni findet ein großes ICANN-Meeting in Sydney statt, möglicherweise könnten dort bereits die Weichen gestellt werden. "Zu wünschen wäre in jedem Fall eine Entscheidung noch vor dem 1. Oktober", meint Wein.
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