pte20090827042 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Prothese hilft bei Phantomschmerz

Amputierte nehmen fehlendes Körperteil unterschiedlich wahr


Obwohl das Bein amputiert ist, bleibt oft ein stechender Schmerz (Foto: pixelio.de/Polster)
Obwohl das Bein amputiert ist, bleibt oft ein stechender Schmerz (Foto: pixelio.de/Polster)

Wiesbaden (pte042/27.08.2009/15:30) Je mehr sich Amputierte mit ihrer Prothese verschmolzen fühlen, desto weniger leiden sie an Phantomschmerzen. Das ist das Ergebnis der bisher größten europäischen Studie zum Thema, die Wiesbadner Forscher in der Fachzeitschrift "Der Schmerz" publizierten. Sie befragten 500 Patienten mit Amputation und untersuchten, welche Faktoren zur Ausprägung der Schmerzen im nicht mehr vorhandenen, amputierten Körperteil führen. Die Wahrnehmung der Prothese scheint dabei allein eine Rolle zu spielen, während man bei Geschlecht, Alter, Medikamenteneinnahme und Gewicht keine Zusammenhänge feststellen konnte. "Betroffene brauchen sich laut den Ergebnissen keinen Vorwurf machen, dass sie aufgrund dieser Faktoren den Schmerz verspüren", erklärt Studienleiter Uwe Kern http://www.schmerzzentrum-stk.de im pressetext-Interview.

Der Phantomschmerz drückt sich in der Regel durch Messerstich-artige, elektrisierende Schmerzen oder Kribbeln im amputierten Körperglied aus. Drei von vier Arm- oder Beinamputierten verspüren diesen Schmerz. Mehr als die Hälfte davon leidet bis zu fünf Stunden täglich daran, 28 Prozent sogar Tag und Nacht. Ein Leben ohne diesem Leiden gelingt am ehesten den Patienten, die ihre Prothese als mit ihrem Körper verschmolzen wahrnehmen. Was dazu nötig ist, wird derzeit in Folgestudien erforscht. "Eine Hypothese besagt, dass die Plastizität des Gehirns eine Rolle spielt. Demnach können junge Menschen Fehlfunktionen eher ausgleichen als alte. Eine andere Annahme geht davon aus, dass die Verschmelzung umso besser gelingt, je häufiger die Betroffenen die Prothese tragen", erklärt Kern. Die bisherige Empfehlung, die Prothese häufig zu nützen und bei Hemmungen psychische Unterstützung zu bieten, habe sich durch die Ergebnisse jedoch bestätigt.

Außerdem sind viele Amputierte - 62 Prozent - auch von Schlafstörungen geplagt, wobei dies besonders bei Menschen mit Phantomschmerzen der Fall ist. "Schlechter Schlaf ist bei Schmerzpatienten allgemein ein Thema, wobei sich ebenso die Schlafqualität auf das Schmerzempfinden auswirkt. Überraschenderweise werden Patienten auch aufgrund von Phantomschmerzen aus dem Schlaf geweckt. Das steht im Gegensatz zur Annahme, dass dieser Schmerz allein im Kopf entsteht, da die Psyche nachts ja ausgeschaltet ist", berichtet Kern. Wie dieses Phänomen trotzdem zustande kommen kann, könne erst durch Forschungen im Schlaflabor ermittelt werden. Bisher unerklärt ist auch die Beobachtung der Studie, dass Patienten ihr Phantomglied ganz unterschiedlich wahrnehmen, wobei die Empfindung warm und kalt ebenso wie nackt und bekleidet vorkommt.

Wenngleich die Forschung rund um den Phantomschmerz noch wenig fortgeschritten ist, betrifft das Thema eine immer größer werdende Patientengruppe. "Allein in Deutschland leben derzeit rund 250.000 Amputierte und über 25.000 kommen pro Jahr hinzu. Dieser immer stärkere Anstieg geht vor allem auf die höhere Lebenserwartung und auf die Zunahme von Menschen mit Diabetes zurück", so der Schmerzspezialist.

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