pte20111101003 Politik/Recht, Bildung/Karriere

Arbeitsgerichte: Urteile sind konjunkturabhängig

Schutzbedürfnis in wirtschaftlich starken Regionen niedriger bewertet


Hammer: Urteile sind abhängig von der Konjunktur (Foto: pixelio.de/T. Wengert)
Hammer: Urteile sind abhängig von der Konjunktur (Foto: pixelio.de/T. Wengert)

Darmstadt/Berlin (pte003/01.11.2011/06:00) Urteile deutscher Arbeitsgerichte sind abhängig von der wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Region: Je geringer die Arbeitslosigkeit am Standort des Gerichts, desto wahrscheinlicher ist eine Entscheidung gegen den Arbeitnehmer, wie eine Studie der TU Darmstadt http://www.tu-darmstadt.de zeigt.

An das Gesetz gebunden

"Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Arbeitsrichter das Schutzbedürfnis von Arbeitnehmern desto niedriger bewerten, je besser die wirtschaftliche Situation in der Region ist - und umgekehrt", sagt Michael Neugart, Professor am Fachgebiet für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik http://www.vwl3.wi.tu-darmstadt.de . Im Rahmen einer ökonometrischen Analyse berechnete der Wissenschaftler gemeinsam mit seinem Co-Autor Helge Berger von der FU Berlin http://fu-berlin.de den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Entscheidungen deutscher Arbeitsrichter.

"Ich würde das Ergebnis nicht überbewerten. Der Richter ist im Großen und Ganzen an den Buchstaben des Gesetzes gebunden", meint hingegen Reinhard Singer, Professor für Arbeitsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin http://www.rewi.hu-berlin.de , im Gespräch mit pressetext. Gleichzeitig betont der Wissenschaftler, dass Richter auch nur Menschen sind und sehr wohl Emotionen einen Einfluss auf das Urteil haben könnte. "Der Spielraum dafür ist aber nicht allzu groß", so Singer. Mit dieser Thematik beschäftige sich die Rechtssoziologie schon seit Jahren.

Arbeitnehmer mit Kindern bevorzugt

Die Studie stellt zudem fest, dass die Richter dazu tendieren, zugunsten klagender Arbeitnehmer mit Kindern zu entscheiden, während das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Familienstand oder das Geschlecht einen deutlich geringeren Einfluss auf die Erfolgsaussichten einer Klage hatten. Andererseits spielen im Arbeitsrecht die Anzahl der Kinder sehr wohl eine Rolle. "So sind bei einer betriebsbedingten Kündigung die Unterhaltspflichten zu berücksichtigen", erklärt Singer.

Weitere interessante Details: In den untersuchten Fällen profitierten klagende Frauen von mehrheitlich weiblich besetzten Kammern, klagende Männer von mehrheitlich männlich besetzten Kammern. Ebenso erhöhten sich die Chancen gekündigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihren Arbeitsrechtsprozess zu gewinnen, wenn sie von einem Gewerkschafts-Anwalt vor Gericht vertreten wurden.

Für die Studie werteten die Forscher insgesamt 221 Arbeitsrechtsprozesse aus, die zwischen August 2003 und September 2006 an 33 Arbeitsgerichten in zwölf Bundesländern entschieden worden waren.

(Ende)
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