pte20111215004 Umwelt/Energie, Politik/Recht

Fukushima: Sargnagel für Atomstrom

Kein Argument mehr für zivile Nutzung von Kernenergie


Zerstörtes AKW Fukushima: Bild als Trauma für Atompolitik (Foto: Wikimedia)
Zerstörtes AKW Fukushima: Bild als Trauma für Atompolitik (Foto: Wikimedia)

Hamburg (pte004/15.12.2011/06:15) Fukushima war einer der letzten Sargnägel für die zivile Nutzung der Atomenergie. Zu dieser Einschätzung kommt Stefan Schurig, Programmdirektor für Klima und Energie beim Weltzukunftsrat http://worldfuturecouncil.org , im pressetext-Interview. "Der bereits bestehende Zweifel an der Sicherheit der Kernenergie hat sich bestätigt und wird deshalb um so mehr fortbestehen. Es ist eine Frage der Zeit, wann die Atomenergie-Kiste endlich geschlossen wird", so der Experte.

Sicherheitsglaube geplatzt

Neun Monate ist es her, seit der Tsunami die Explosion der Reaktoren 1, 2 und 3 im japanischen AKW Fukushima-Daiichi ausgelöst und somit zum Super-GAU geführt hat. Noch immer ist die Situation außer Kontrolle: Auslaufendes radioaktives Wasser, verseuchter Müll oder überschrittene Lebensmittel-Grenzwerte sind weiterhin ein Problem. Der Osten und Nordosten Japans ist mit radioaktivem Cäsium 137 belastet, während die Region um den Unglücksmeiler wohl für immer unbewohnbar bleibt. Rund 34 Mrd. Euro an Entschädigung wurden im laufenden Jahr von der Betreiberfirma Tepco eingefordert.

Die psychologische Wirkung Fukushimas auf den weltweiten Energiemarkt ist laut Schurig stärker gewesen als die Ölkatastrophe der Deepwater Horizon im Jahr davor. "Selbst bei Atomkraft-Befürwortern hat Fukushima einen enormen Eindruck hinterlassen. Denn führte man das Tschernobyl-Unglück oft auf die vermeintlich unsichere Führung in der Sowjetunion zurück, ist nun auch der Glaube an die 'sichere' Atomenergie in einem hochindustrialisiertem Staat endgültig geplatzt."

Atomstrom teurer als Erneuerbare

Dabei sei die Atomkatastrophe für diese Erkenntnis gar nicht nötig gewesen. "Atomenergie ist gefährlich, scheitert langfristig an den immer knapperen Uranreserven und liefert keine Lösung für das Entsorgungsproblem. Doch auch der Kostenaspekt spricht klar gegen Atomstrom. Strom aus erneuerbaren Energien ist bereits deutlich billiger und die Schere wird künftig noch weiter auseinander klaffen." Wie teuer neue AKWs sind, zeige jenes im finnischen Olkilouto vor, wo der aktuelle Bau eines dritten Reaktorblocks statt geplanten drei Mrd. Euro derzeit bereits 6,6 Mrd. Euro kostet und enorme Verzögerungen auftraten.

Wenn Staaten heute neu in die Atomkraft einsteigen, geschieht dies deshalb weniger aus energiepolitischen Motiven, sondern sondern aus rein geopolitischem Kalkül, betont Schurig. "Manche Länder spekulieren weiterhin darauf, als Atommacht ernster genommen zu werden, da zivile Atomenergienutzung stets auch die Möglichkeit einer Atomwaffen-Herstellung bedeutet. Dass dies noch immer gilt, zeigt der Iran vor, jedoch auch die Atompläne der Vereinigten Arabischen Emirate, die durch ein Überangebot von wesentlich günstigerer Sonnenenergie mit Sicherheit keine Atomkraftwerke zur Energieerzeugung bräuchten."

Deutschland ist Vorreiter

Dabei wird das Potenzial der Atomkraft laut dem Energieexperten stark überschätzt: Die weltweit 210 AKWs mit ihren 442 Reaktorblöcken decken derzeit nur drei Prozent des Bedarfs an Primärenergie, während der Beitrag der erneuerbaren Energien knapp 20 Prozent beträgt. Deutschland hat sich hier als Vorreiter profiliert - einerseits mit der Rückkehr zum ursprünglichen Plan, 2022 alle Atomkraftwerke abzuschalten (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110530018 ), andererseits durch den Boom der erneuerbaren Energien.

"Seit 2000 stieg der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland von drei auf 18 Prozent. Viele internationale Energieexperten schauen deshalb mit großem Respekt und Interesse nach Europa, um die Transformation des Energiesektors auch anderswo anzukurbeln", berichtet Schurig.

(Ende)
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