Wahlkampf in Rumänien: Die Schengen-Erweiterung als politische Bühne
Wien/Bukarest (pts008/22.11.2024/10:00)
In Rumänien ist die Aussicht auf einen vollständigen Beitritt zum Schengen-Raum in den letzten Tagen zur Wahlkampftrophäe avanciert. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen und der Parlamentswahlen am 1. Dezember nutzen Politiker das Thema als emotional aufgeladenes Symbol für Fortschritt und nationale Integration.
Schengen als Wahlkampfthema
In Abwesenheit positiver Themen wird die nun in greifbarer Nähe angekommene 100-Prozent-Schengen-Erweiterung als Erfolg der rumänischen Politik inszeniert. Was auch wahr ist. Besonders in Bukarest überschlagen sich Politiker, um Bundeskanzler Karl Nehammer für gemeinsame Fotos zu gewinnen - ein Symbol fürs Wahlvolk für die Überwindung der einst angespannten Beziehungen zwischen Rumänien und Österreich. Nicolae Ciucă, Präsidentschaftskandidat der konservativen PNL und derzeit Parlamentspräsident, nutzt für Wahlkampfzwecke die letzten Schritte der Schengen-Debatte. Er traf sich mit Nehammer in Wien, was symbolträchtig seine Verbindungen zur europäischen politischen Familie unterstreichen sollte.
Noch vor wenigen Jahren galt Österreich in Rumänien als Hindernis für den Schengen-Beitritt. Damals führte der Unmut über die österreichische Blockadepolitik sogar zu Boykottaufrufen gegen österreichische Banken und Tankstellen.
Politische Akteure und Strategie
Premierminister Marcel Ciolacu, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (PSD) wird als Architekt der Annäherung gefeiert. Es war Ciolacu, der den diplomatischen Dialog mit Nehammer wiederbeleben konnte und nun die Fortschritte als persönlichen und parteipolitischen Erfolg verbucht. Unter seiner Führung wird heute Rumänien in der öffentlichen Wahrnehmung praktisch als "100 %" in den Schengen-Raum integriert verstanden - ein kraftvolles Narrativ für eigenen Wahlkampf. Und viele Rumänen freuen sich zurecht.
Emotionale Mobilisierung
Das Thema Schengen ist nicht nur eine politische, sondern auch eine emotionale Angelegenheit für viele Rumänen. Nach jahrzehntelangen Verzögerungen und Enttäuschungen schafft die Aussicht auf den Beitritt Hoffnung und Stolz. Diese Gefühle werden gezielt genutzt, um Wähler zu mobilisieren und um die Koalitionsregierung in Bukarest als kompetent und erfolgreich darzustellen.
Während die Schengen-Frage in der Vergangenheit Anlass für Spannungen war, wird sie heute in Rumänien als Zeichen von europäischer Anerkennung und Integration gefeiert - ein kluger Schachzug, der den Wahlkampf fürs einflussreiche Präsidialamt dominiert.
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