pts20090519014 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

Untersuchung: Mindestertrag - Diagnose: Kränkliche Sicherheit

Heimisches Pensionskassensystem auf dem Prüfstand


Wien (pts014/19.05.2009/10:00) Studien von Mercer (Austria) und Watson Wyatt (Austria) durchleuchten die Pläne der Regierung zur Sicherung des heimischen Pensionskassensystems

Das österreichische Pensionskassensystem hängt derzeit am Tropf einer von der Bundesregierung installierten Expertengruppe. Die Diagnose lautete zu Jahresbeginn scheintot. Mit einem Umbau soll das System wieder aufgepäppelt werden. Die auf betriebliche Altersvorsorge spezialisierten Beratungsunternehmen Mercer (Austria) und Watson Wyatt (Austria) haben die aktuelle Situation zum Anlass genommen und zwei Studien rund um das Thema Mindestertrag durchgeführt. Untersucht wurden einerseits die Marktüblichkeit von Garantiezinssätzen in anderen Ländern Europas, andererseits die Auswirkung eines Garantiezinssatzes auf die Performance der Pensionskassen. Ergebnis: Die politisch geforderte Wiedereinführung eines Mindestertrags ist aus Expertensicht kein Lösungsansatz. Es gibt jedoch andere Vorschläge, wie das Instrument der Pensionskassen überlebensfähig gemacht werden kann.

Den Pensionskassen ist in Österreich kein leichtes Schicksal beschieden. Erst seit 1990 am Markt, stehen sie nach massiven Performanceverlusten in den letzten Rechnungsperioden vor einem massiven Umbau. Wie genau die Änderungen ausfallen sollen, wird in einer Expertengruppe der Bundesregierung seit einigen Wochen diskutiert. Der Ruf nach mehr Sicherheit für die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten (AWB/LB) und nach garantierten Zinserträgen hat die Diskussion rund um das Thema Mindestertrag wieder aufflammen lassen.

Die Experten der auf betriebliche Pensionskassenlösungen spezialisierten Beratungsunternehmen Mercer (Austria) und Watson Wyatt (Austria) haben diese Diskussion zum Anlass genommen, um das Thema Mindestertrag in mehrfacher Hinsicht näher zu beleuchten und Handlungsszenarien zu zeichnen, die der Pensionskasse zu neuem Erfolg verhelfen können.

Internationaler Vergleich

Untersucht wurden die Pensionskassensysteme in Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien. Folgende Thesen lassen sich aus den Ergebnissen ableiten:

* In Ländern, wo vermehrt beitragsorientierte Pensionskassensysteme bestehen, gibt es - wie derzeit auch in Österreich - keine Garantien. Die Hypothese mancher Kritiker, dass die österreichischen AWLB schlechter gestellt wären als in anderen Ländern, kann somit nicht bestätigt werden.

* Bei Pensionskürzungen in Niedrigzinsphasen ist in vergleichbaren Systemen anderer Länder in erster Linie der Arbeitgeber zum Nachschuss verpflichtet. In einer wirtschaftlich instabilen Situation raten die Experten jedoch ab, eine solche Verpflichtung einzuführen.

* In allen Ländern sind Versicherungslösungen das dominierende Instrument der betrieblichen Vorsorge. In Österreich hingegen besteht hinsichtlich Verbreitung der Betrieblichen Kollektivversicherung (BKV) noch großer Nachholbedarf. Mehr Transparenz auf Veranlagungs- und Kostenseite wären aus Expertensicht hilfreich, um jene Anwartschaftsberechtigte, die auf eine Garantie nicht verzichten möchten, vom Instrument der BKV zu überzeugen.

* Im europäischen Vergleich ist der Trend zur Reduktion von Garantiezinssätzen klar erkennbar. Setzt sich der Trend auch in Österreich fort und sinkt der Garantiezinssatz gegebenenfalls auf unter 2 %, ist ein möglicher Wechsel von der Pensionskasse in eine BKV mit zusätzlichen Verlusten verbunden.

"Mindestertrag Alt" als Pensionskassenkiller

Die Experten haben in einer zweiten Studie untersucht, wie sich die im Raum stehende Wiedereinführung der ursprünglichen Mindestertragsgarantie (Fassung vor 2003) auf die Risikosituation der Pensionskassen auswirken würde.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Aufleben des alten Systems beträchtliche Reduktionen der Rentenhöhen nach sich zieht. Bei einer sofortigen Wiedereinführung des "Mindestertrag Alt" würde ein Pensionskassennachschuss mit erheblicher Wahrscheinlichkeit insbesondere aufgrund der zu berücksichtigenden historischen Veranlagungsergebnisse von mindestens 5 % der Deckungsrückstellung erforderlich sein. Bei der derzeitigen Kapitalausstattung der Pensionskassen wäre dies deren sicherer Bankrott. Aufgrund dieser Tatsache und dem Fakt, dass die Mindestertragsregelung nur mehr einen kleinen Teil der AWB/LB betrifft, ist es für die Experten nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber eine Wiedereinführung ins Auge fasst.

Experten glauben an das österreichische System, aber...

Ein grundlegender Umbau der zweiten Säule ist in Österreich aus Sicht der Experten nicht notwendig. "Wir glauben an das System! Viele Parameter für eine funktionierende zweite Säule sind in Österreich vorhanden und müssen nur sinnvoll und vorausschauend genutzt werden. Der Gesetzgeber sollte sich am deutschen Modell orientieren und die Etablierung eines Deferred Compensation Modells (Umwandlung von variablen Gehaltsbestandteilen in Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge) in sinnvoller Höhe ermöglichen. Wichtig ist dabei, dass in Zukunft mehr in die Entscheidungskompetenz des Individuums vertraut und den AWB/LB mehr Flexibilität geboten wird", sind sich Josef Papousek und Michaela Plank von Mercer (Austria) sowie Gerald Moritz von Watson Wyatt (Austria) einig.

Mehr Flexibilität in den folgenden Bereichen wird eingefordert:

* bei der Wahl des Pensionsantrittsalters:
Aufschub des Pensionsantritts nach eigenem Ermessen (Beispiel UK)

Für jene Anwartschaftsberechtigten, die auf die Möglichkeit der Garantie auf keinen Fall verzichten möchten, aber auch durch Parameter- und Kostenunterschiede in der BKV nicht zur Gänze benachteiligt werden sollen:

* bei der Wahl des Altersvorsorgeinstruments: Ermöglichung des Transfers von z.B. maximal 50 % der Deckungsrückstellung (zzgl. Schwankungsrückstellung und vorhandener Auszahlungskostenreserve) aus der Pensionskasse in die BKV ohne jegliche Kosten für den Aktiven.

* bei der Verwendung der Beiträge:
Der Anwartschaftsberechtigte muss die Möglichkeit erhalten, den jährlichen Arbeitgeberbeitrag (zum Stichtag) ohne Kosten nach eigenem Ermessen zu splitten und z.B. einen Teil in die "Sichere" BKV zu transferieren. Durch die bereits beschlossene Durchlässigkeit zwischen Pensionskassen und BKV entsteht für den Arbeitgeber durch die verpflichtende Auswahl einer BKV kein Mehraufwand.

* bei der Wahl der Veranlagungsausrichtung (Lebensphasenmodell):
Gefordert wird in diesem Punkt die Öffnung der Veranlagungs- und Risikogemeinschaften (VRG) für mehrere Veranlagungsausrichtungen je nach Lebensphase (Alter) des Veranlagten. Ziel ist es, den kollektiven Ansatz beizubehalten, aber unterschiedliche Veranlagungsphasen innerhalb der VRG anzubieten. Zusätzlich begrüßen die Experten die Implementierung einer "Sicherheits-VRG".

Bei diesem Ansatz kommt den Pensionskassen die Verantwortung zu, die AWB/LB intensiv zu beraten, wann der individuell optimale Zeitpunkt für den VRG-Wechsel besteht.

Die Veranlagung nach dem Held to Maturity Ansatz sollte speziell bei konservativen Portfolien Einzug finden. Der Vorteil dieser Methode ist die Tatsache, dass zum jeweiligen Stichtag nicht der aktuelle Wert des Fonds eingestellt werden muss (was speziell im letzten Jahr zu einer erheblichen Underperformance führte), sondern der Wert der Fonds zum Kauf-/Verkaufsdatum bereits feststeht und dieser eingestellt wird. Dadurch kann dem Risiko des Stichtagsprinzips entgegengewirkt werden.

* bei der Wahl des Rechnungszinses:
Die Experten fordern, dass Pensionisten mit hohem Rechnungszins bei Zustimmung eines Wechsels auf einen niedrigeren Zinssatz zeitbegrenzt in den Genuss einer steuerbegünstigten Pension aus der zweiten Säule kommen. Dieser Steuervorteil würde die reduzierte Pensionshöhe teilweise ausgleichen.

Reichlich Optimierungspotenzial bei der Veranlagung

"In punkto Veranlagung gibt es noch einige offene Baustellen, die rasch beseitigt werden müssen, um die Performancediskussion zu überwinden. Dazu zählen wir marktkonforme Veranlagungsstrategien, ein wirklich aktives Veranlagungsmanagement und eine Diversifizierung des Veranlagungsportfolios der Pensionskassen", so die Experten. Sie setzen sich darüber hinaus mit folgendem Vorschlag für mehr Transparenz ein:

* Einberufung einer unabhängigen Prüfinstanz:
Um mehr Transparenz und eine Verbesserung des Veranlagungsprozesses der Pensionskassen zu erreichen, wird die Einsetzung eines Veranlagungsprüfers gefordert. Diese Person soll, ähnlich einem Prüfaktuar, unabhängig von der jeweiligen Pensionskasse agieren und von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfungsinstitut (nicht von der FMA) gestellt werden.

Was soll geprüft werden?

* Wieviel Kapital wird "in-house" veranlagt? Wie gut sind die ausgewählten (externen bzw. internen) Mandate?

* Bringen die intern veranlagten Fonds eine vergleichbare Performance wie externe Produkte? Als Maßstab für den Vergleich soll ein Peer Group-Vergleich dienen.

* Wie werden Manager ausgewählt - wird eine aussagekräftige Manager-Selektion durchgeführt?

* Wird überhaupt professionelles Asset Liability Management (ALM) lt. Definition in der ALM-Verordnung angewandt?

* Welche Kosten entstehen bei der Veranlagung?

All diese Punkte sollen wesentlich dazu beitragen, die Veranlagung der Pensionskassen transparenter und effizienter zu machen.

"Pensionskassen 2.0" - Berater statt reiner Administrator

Zusammenfassend fordern die Experten von Mercer und Watson Wyatt, dass sich die Pensionskassen von der Rolle als Administrator hin zum professionellen AWB/LB -Berater entwickeln müssen, die ihren Kunden bei wichtigen Fragen hinsichtlich der individuellen Gestaltung ihrer Altersvorsorge seriös und kostenlos zur Seite stehen.

"Wichtig ist, das System wesentlich flexibler und transparenter zu gestalten und so dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, die Finanzierung seiner betrieblichen Altersvorsorge individuell und sicher zu gestalten. So werden die Pensionskassen in Zukunft eine starke, vertrauensvolle zweite Säule für alle AWB/LB. Wir hoffen sehr, dass die bevorstehenden gesetzlichen Änderungen diese Entwicklung ermöglichen", so Papousek, Plank und Moritz abschließend.

Informationen zu Mercer:
Mercer (http://www.mercer.com/) ist mit 18.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern tätig und bietet weltweit integrierte Lösungen für das Personal- und Finanzmanagement. Rund um den Globus führt Mercer jährlich über 600 Studien zu Vergütung, betrieblichen Nebenleistungen und zu Auslandsentsendungen durch. Mercer (Austria) GmbH ist für österreichische Konzerne das Portal in die weltweit führende Human Resource-Beratung von Mercer. Die Experten vor Ort verbinden globale Expertise mit effektiver Unterstützung bei allen landesspezifischen Fragen und Chancen und Länder- bzw. marktspezifische Beratungsleistungen auf der Grundlage von vernetztem Know-how.

Informationen zu Watson Wyatt:
Watson Wyatt (http://www.watsonwyatt.com/) ist der Partner für weltweit führende Unternehmen bei allen Themen des Human Ressources und Finanzmanagements. Watson Wyatt Worldwide beschäftigt mehr als 7.700 MitarbeiterInnen in über 32 Ländern. Das Büro in Österreich besteht seit mehr als 16 Jahren und zählt aufgrund der langjährigen Erfahrung zu den führenden auf betriebliche Altersvorsorge spezialisierten Beratungsunternehmen am österreichischen Markt. Die Berater vor Ort verbinden spezielles Know-How mit vielfältiger praktischer Erfahrung und arbeiten nach dem Grundsatz, jederzeit unabhängig und objektiv zu agieren und gemeinsam mit den, sowohl national als auch international tätigen Kunden, die jeweils optimale Lösung zu erarbeiten.

Kontakt:

Mercer (Austria) GmbH
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 11-13
Tel. 01/533 97 66-0
josef.papousek@mercer.com, michaela.plank@mercer.com

Watson Wyatt (Austria) GmbH
1060 Wien, Mariahilfer Straße 103/2/44
Tel. 01/715 94 74
gerald.moritz@watsonwyatt.com

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Mag. Andrea Pfennigbauer
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