pts20231129032 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

ÖGDV präsentiert innovative Diagnose- und Therapiekonzepte aus Österreich


Wien (pts032/29.11.2023/12:30)

Künstliche Intelligenz gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Diagnostik von Hautkrebs. Realitäts-Check offenbart jedoch Schwächen, vor allem bei Consumer Apps. Neue Erkenntnisse zur Struktur von Gewebeknötchen ermöglichen neues Therapiekonzept für Sarkoidose.

Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) stellte im Rahmen einer Pressekonferenz innovative Diagnose- und Therapiekonzepte aus Österreich vor. KI-gestützte Systeme werden in der Diagnostik von Hautkrebs bereits erfolgreich eingesetzt und sind aktuellen Studien zu Folge Expert:innen beim Erkennen von Hautveränderungen ebenbürtig. Dennoch sehen Forscher:innen noch einige Herausforderungen im Hinblick auf Anwendbarkeit, Daten und Konsequenzen von Fehldiagnosen. Zudem ist heimischen Forscher:innen in einer Pilotstudie an der Wiener Hautklink ein großer Schritt in der Behandlung der Seltenen Erkrankung Sarkoidose gelungen. Erstmals wurde eine Gruppe von Sarkoidose-Patient:innen erfolgreich mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor behandelt.

Fotos der Pressekonferenz gibt es unter: https://www.apa-fotoservice.at/galerie/35062

Dermatologische Forschung in Österreich auf Top-Niveau – ÖGDV-Jahrestagung gibt Überblick über neueste Entwicklungen

"Die Forschung der Dermatologie Österreichs liefert Topergebnisse in allen Bereichen: von der künstlichen Intelligenz über die translationale Forschung hin bis zu pharmazeutischen und akademisch-geleiteten klinischen Studien", sagte ÖGDV-Präsident Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf. Im Rahmen der morgen (30. November, Salzburg) startenden Jahrestagung der ÖGDV werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich Diagnose und Therapie von Hautkrankheiten vorgestellt. "Besonders hervorzuheben sind die Themen Künstliche Intelligenz bei der Hautkrebsdiagnose und ein neues Therapiekonzept für Sarkoidose. Hier haben österreichische Dermatolog:innen Meilensteine gesetzt, die weltweit große Beachtung finden", so Wolf.

KI-gestützte Hautkrebsdiagnose: Neue Studien unterziehen innovative Technologien einem Realitätscheck hinsichtlich Sicherheit und Verlässlichkeit

KI-gestützte Systeme, die unter Beteiligung österreichischen Forscher:innen entwickelt wurden, finden in der Diagnostik von Hautkrebs bereits Einsatz. Eine neue Publikation[1]vergleicht die diagnostische Genauigkeit eines KI-gestützten Diagnoseverfahrens in einem realistischen klinischen Szenario mit der von menschlichen Untersucher:innen. "Hierbei war das KI-gestützte System den Expert:innen ebenbürtig, wobei beide etwa 73 Prozent der Hautveränderungen korrekt erkannten. Im Vergleich dazu identifizierten weniger erfahrene Untersucher:innen nur etwa 50 Prozent korrekt", erklärt Ao. Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler, Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. Bei Personen mit vielen Muttermalen zeigte das KI-System jedoch Schwächen: Es diagnostizierte 1,4 Prozent der Muttermale fälschlicherweise als bösartig, im Gegensatz zu den menschlichen Untersucher:innen, die 99,9 Prozent richtig als unbedenklich einstuften. "Für Personen mit vielen Muttermalen hätte das zur Folge, dass deutlich mehr Muttermale zu diagnostischen Zwecken entfernt werden müssten", so Kittler.

Eine weitere Studie[2]untersuchte, ob die Einbeziehung der Konsequenzen von Fehldiagnosen das KI-System verbessern kann. "Während erfahrene Untersucher:innen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen, wird dieser Aspekt bei der Entwicklung von KI-Systemen normalerweise vernachlässigt", sagt Kittler. "Die Studie zeigt, dass die Berücksichtigung potenzieller Konsequenzen sowohl die Erkennungsrate von Hautkrebs durch KI-Systeme als auch deren Nutzung durch Personen verbesserte. Dies deutet darauf hin, dass eine Anpassung der Trainingsmethoden für KI-Systeme in Zukunft sinnvoll sein könnte."

Consumer Apps zur Hautkrebs-Risikoeinschätzung häufig unzureichend getestet – Studie zeigt Probleme hinsichtlich unterschiedlicher Hauttypen, zu hoher Risikobewertung sowie Umgang mit dem Datenschutz auf

Eine dritte, ebenfalls soeben unter österreichischer Beteiligung publizierte Arbeit[3], konzentriert sich auf eine Zusammenfassung der wichtigsten bisher veröffentlichten Studien zur KI-gestützten Diagnose von Hautkrebs und behandelt detailliert die Nutzung von Softwareanwendungen für Laien (Consumer Apps). Gemäß dem Medizinproduktegesetz werden diese Anwendungen als Klasse-I-Medizinprodukte klassifiziert, die lediglich Risikoeinschätzungen abgeben dürfen, nicht jedoch Diagnosen stellen. "Die Analyse vorhandener Daten zeigt, dass diese Anwendungen größtenteils unzureichend getestet wurden und tendenziell zu hohe Risikobewertungen abgeben, was zu einer Überforderung und nicht zur erwünschten Entlastung des Gesundheitssystems führen könnte", erklärt Kittler. Ferner könnte diese Technologie Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang zu fachärztlicher Expertise verstärken, indem sie technikaffine Personen bevorzugt.

Dies seien nicht die einzigen Herausforderungen, die bei der flächendeckenden Implementierung von KI in der Dermatologie beachtet werden müssen. Bestimmte Hauttypen seien in den Trainingsdaten der KI unterrepräsentiert, so Kittler. "Das kann zu Algorithmen führen, die nicht universell anwendbar sind. Insgesamt ist es wichtig, neben den unbestreitbaren Chancen auch mögliche unerwünschte Auswirkungen der KI-gestützten Diagnostik eingehender zu bewerten, um die bestehenden KI-Systeme besser unseren Zielen anzupassen."

Sarkoidose: Pilotstudie an der Wiener Hautklinik eröffnet innovatives Therapiekonzept für Seltene Erkrankung

Eine neue Therapie von Sarkoidose, die in einer Pilotstudie an der Wiener Hautklinik erfolgreich getestet wurde, stellte Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Georg Stary vor, der zweite stv. Leiter der Universitätsklinik für Dermatologie an der Medizinischen Universität Wien. Sarkoidose manifestiert sich als chronisch-entzündliche Erkrankung unterschiedlicher Organe und ist durch die Ausbildung von kleinen Knötchen, sogenannten Granulomen, charakterisiert. Die Lunge ist am häufigsten betroffen, gefolgt von der Haut und anderen Organen. Sarkoidose zählt zu den Seltenen Erkrankungen. Von 100.000 Personen sind weltweit zwischen 1 und 35,5 Individuen von einer Sarkoidose betroffen, wobei die Prävalenz deutliche regionale Unterschiede aufweist. Während etwa die Hälfte der Patient:innen eine spontane Regression aufweist, kommt es bei etwa 20 Prozent von ihnen zu einem chronisch-progressiven Verlauf.

"Wir konnten mittels neuer Verfahren, die das Muster der RNA-Transkription einzelner Zellen und in Hautschnitten erfassen, die Zusammensetzung und Struktur von Granulomen auf zellulärer und molekularer Ebene beschreiben[4]. Dabei stellten wir fest, dass das Zusammenspiel von Immunzellen (wie Makrophagen und T-Zellen) mit Strukturzellen von entscheidender Bedeutung ist", erklärt Stary. Metabolische Signalwege spielen für die Beschaffenheit von Granulomen eine besondere Rolle, was unter anderem durch eine erhöhte Aktivität von mTOR (ein Protein, das zur Entstehung von Sarkoidose beiträgt) innerhalb der Granulome verdeutlicht wird.

"Um das Potential für die klinische Translation unserer Analyse zu untersuchen, führten wir eine klinische Pilotstudie durch, bei der erstmals eine Gruppe von Sarkoidose-Patient:innen mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor behandelt wurde, der das mTOR-Protein hemmt. Wir beobachteten bei einem Gutteil der Patienten (7 von 10) mit chronisch-progressiver Sarkoidose ein Ansprechen, welches nach einer viermonatigen Therapie für mindestens 1,5 Jahre anhielt. Wenn sich diese Daten in einer größeren Patientenkohorte verifizieren lassen, steht mit den beiden zugelassenen mTOR-Inhibitoren eine neue Möglichkeit zur Behandlung von chronisch-progressiver Sarkoidose zur Verfügung", führt Stary aus.

Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.

[1] Menzies SW, Sinz C, Menzies M, Lo SN, Yolland W, Lingohr J, Razmara M, Tschandl P, Guitera P, Scolyer RA, Boltz F, Borik-Heil L, Herbert Chan H, Chromy D, Coker DJ, Collgros H, Eghtedari M, Corral Forteza M, Forward E, Gallo B, Geisler S, Gibson M, Hampel A, Ho G, Junez L, Kienzl P, Martin A, Moloney FJ, Regio Pereira A, Ressler JM, Richter S, Silic K, Silly T, Skoll M, Tittes J, Weber P, Weninger W, Weiss D, Woo-Sampson P, Zilberg C, Kittler H. Comparison of humans versus mobile phone-powered artificial intelligence for the diagnosis and management of pigmented skin cancer in secondary care: a multicentre, prospective, diagnostic, clinical trial. Lancet Digit Health. 2023 Oct;5(10):e679-e691. doi: 10.1016/S2589-7500(23)00130-9.

[2] Barata C, Rotemberg V, Codella NCF, Tschandl P, Rinner C, Akay BN, Apalla Z, Argenziano G, Halpern A, Lallas A, Longo C, Malvehy J, Puig S, Rosendahl C, Soyer HP, Zalaudek I, Kittler H. A reinforcement learning model for AI-based decision support in skin cancer. Nat Med. 2023 Aug;29(8):1941-1946. doi: 10.1038/s41591-023-02475-5.

[3] Brancaccio G, Balato A, Malvehy J, Puig S, Argenziano G, Kittler H. Artificial Intelligence in Skin Cancer Diagnosis: A Reality Check. J Invest Dermatol. 2023 Nov 16:S0022-202X(23)02964-0. doi: 10.1016/j.jid.2023.10.004.

[4] Krausgruber T, Redl A, Barreca D, Doberer K, Romanovskaia D, Dobnikar L, Guarini M, Unterluggauer L, Kleissl L, Atzmüller D, Mayerhofer C, Kopf A, Saluzzo S, Lim CX, Rexie P, Weichhart T, Bock C, Stary G. Single-cell and spatial transcriptomics reveal aberrant lymphoid developmental programs driving granuloma formation. Immunity. 2023 Feb 14;56(2):289-306.e7. doi: 10.1016/j.immuni.2023.01.014.

(Ende)
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