Unternehmensmitteilung für den Kapitalmarkt
S&T AG: Veröffentlichung der Befreiung zur Abgabe eines Pflichtangebots nach dem WpÜG
Linz
(pta011/12.04.2017/10:30 UTC+2)
Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 6. April 2017 über eine Befreiung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung
Zielgesellschaft: Kontron AG, Augsburg (ISIN DE0006053952);
Geschäftsanschrift: Lise-Meitner-Straße 3-5, 86156 Augsburg
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Frankfurt am Main, Deutschland ("BaFin") hat mit Bescheid vom 6. April 2017 die S&T Deutschland Holding AG, Ismaning, Deutschland ("Antragstellerin zu 1") und die S&T AG, Linz, Österreich ("Antragstellerin zu 2") (die Antragstellerin zu 1) und die Antragstellerin zu 2) zusammen die "Antragstellerinnen") gemäß § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung von den Pflichten aus § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WpÜG im Zusammenhang mit der Sanierung der Kontron AG, Augsburg, befreit.
Der Tenor des Bescheids einschließlich der Nebenbestimmungen lautet wie folgt:
1. Die Antragstellerinnen werden gemäß § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i. V. m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung jeweils für den Fall, dass sie in Folge der Beteiligung der Antragstellerin zu 1) an einer Barkapitalerhöhung aus dem Genehmigten Kapital 2015 der Kontron AG, Augsburg, (folgend "Zielgesellschaft") die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangen sollten, von den Pflichten, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung zu veröffentlichen, nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (folgend "BaFin") eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.
2. Der Befreiungsbescheid steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs jeweils in folgenden Fällen:
a) Die Antragstellerin zu 1) zeichnet nicht bis zum 31.05.2017 im Rahmen einer Barkapitalerhöhung aus dem Genehmigten Kapital 2015 der Zielgesellschaft mindestens 5.568.301 neue Aktien für einen Ausgabebetrag, der den Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft zum Zeitpunkt der Festlegung des Ausgabebetrages durch den Vorstand nicht wesentlich unterschreitet.
b) Die Durchführung der Kapitalerhöhung nach Maßgabe von Ziffer 2 a) des Tenors dieses Bescheids ist nicht bis spätestens zum 30.06.2017 im Handelsregister der Zielgesellschaft eingetragen.
3. Die Befreiung ergeht unter folgenden Auflagen:
a) Die Antragstellerinnen haben der BaFin unverzüglich mitzuteilen, wie viele Aktien zu welchem Gesamtausgabebetrag die Antragstellerin zu 1) nach Maßgabe von Ziffer 2 a) des Tenors dieses Bescheids gezeichnet hat und hierzu geeignete Nachweise vorzulegen.
b) Die Antragstellerinnen haben der BaFin spätestens bis zum 31.07.2017 die Durchführung einer Kapitalerhöhung bei der Zielgesellschaft durch Ausgabe von mindestens 5.568.301 neuen Aktien durch Vorlage eines Handelsregisterauszugs nachzuweisen.
c) Kann, z.B. aufgrund eines niedrigen Börsenkurses, über die Kapitalerhöhung nach Maßgabe von Ziffer 2 a) des Tenors dieses Bescheids kein Mittelzufluss in Höhe von mindestens EUR 15,8 Mio. erreicht werden, stellt die Antragstellerin zu 2) der Zielgesellschaft einen ungesicherten Rahmenkredit mit einer Laufzeit bis mindestens zum 31.12.2018 zu einem Zinssatz in Höhe von maximal 4,5 % p.a. zur Verfügung und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Gesamtausgabebetrag der im Rahmen der Kapitalerhöhung nach Maßgabe von Ziffer 2 a) des Tenors dieses Bescheids von der Antragstellerin zu 1) gezeichneten Aktien und EUR 20 Mio., soweit die Zielegesellschaft diesen zur Sicherung ihrer Liquidität benötigt.
d) Gewährt die Antragstellerin zu 2) der Zielgesellschaft einen Rahmenkredit nach Maßgabe von Ziffer 3 c) des Tenors dieses Bescheids, hat sie dies der BaFin unverzüglich durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
Der Bescheid beruht im Wesentlichen auf folgenden Gründen:
A. SACHVERHALT
I. Zielgesellschaft
Die Zielgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Augsburg, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter der Handelsregisternummer HRB 28913.
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 55.683.024,00 und ist eingeteilt in 55.683.024 auf den Inhaber lautende Stückaktien.
Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der ISIN DE0006053952 am regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen.
Im letzten Monat (28.02.2017 bis 30.03.2017) bewegte sich der Aktienkurs der Zielgesellschaft im XETRA-Handel zwischen EUR 2,93 und EUR 3,05, in den letzten sechs Monaten (30.09.2016 bis 30.03.2017) bewegte sich der Aktienkurs der Zielgesellschaft zwischen EUR 2,64 und EUR 3,20. Nach der Darstellung im Geschäftsbericht 2015 der Kontron Gruppe auf Seite 60 ist die Zielgesellschaft Muttergesellschaft eines Konzerns (folgend "Kontron Gruppe").
II. Antragstellerinnen
Bei der Antragstellerin zu 1) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in Ismaning. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 227648 eingetragen. Die Antragstellerin zu 1) hält gegenwärtig 16.649.224 Aktien der Zielgesellschaft. Dies entspricht rund 29,9 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft.
Das Grundkapital der Antragstellerin zu 1) in Höhe von EUR 50.000,00 wird zu 100 % von der Antragstellerin zu 2) gehalten.
Bei der Antragstellerin zu 2) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft nach dem Recht der Republik Österreich. Sie ist im Firmenbuch des Registergerichts Linz unter 190272m eingetragen. Das Grundkapital der Antragstellerin zu 2) beträgt EUR 48.926.657,00 und ist in 48.926.657 Stückaktien eingeteilt. Die Aktien der Antragstellerin zu 2) sind unter der ISIN AT000A0E9W5 am regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen.
III. Begutachtung der Zielgesellschaft
Der Vorstand der Zielgesellschaft hat am 07.10.2016 die Boston Consulting Group GmbH (folgend "Gutachterin") u.a. damit beauftragt, die Sanierungsfähigkeit der Zielgesellschaft entsprechend den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bewerten.
Die Gutachterin hat ein entsprechendes Gutachten in Anlehnung an den IDW Standard S6 (folgend "Gutachten") zum 16.12.2016 erstellt.
Im Gutachten charakterisiert die Gutachterin die Zielgesellschaft als sanierungsfähig.
IV. Gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Zielgesellschaft
Nach den Feststellungen der Gutachterin ist die wirtschaftliche Lage der Zielgesellschaft seit mehreren Jahren angespannt. Bereits im Jahr 2013 habe es Sanierungsbemühungen gegeben. Nachdem es hiernach zunächst zu einer leichten Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gekommen sei, habe sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Kontron Gruppe im Jahr 2016 weiter zugespitzt. Mit Ad hoc Meldung vom 15.07.2016 musste die Zielgesellschaft bekannt geben, dass nicht zu erwarten ist, dass die Zielgesellschaft die für 2016 abgegebene Prognose bei Umsatz, Bruttomarge und bereinigter EBIT-Marge einhalten kann. Die Umsatzschwäche des ersten Halbjahres 2016 könne voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2016 nicht aufgeholt werden.
Der Umsatz hatte sich von rd. EUR 457 Mio. im Geschäftsjahr 2014 zwar zunächst auf rd. EUR 468 Mio. im Geschäftsjahr 2015 verbessert, ist dann jedoch auf rd. EUR 385 Mio. im Geschäftsjahr 2016 gesunken. Das bereinigte EBIT konnte von rd. EUR 9 Mio. im Geschäftsjahr 2014 auf rd. EUR 15 Mio. im Geschäftsjahr 2015 gesteigert werden, ist danach jedoch im Geschäftsjahr 2016 auf rd. EUR -59 Mio. gesunken.
Um ihr laufendes operatives Geschäft finanzieren zu können, hat die Zielgesellschaft eine Überbrückungsfinanzierung in Höhe von EUR 25 Mio. zuzüglich Garantien in Höhe von EUR 10 Mio. mit einem Bankenkonsortium abgeschlossen. Diese hatte eine Laufzeit bis spätestens Mitte Februar 2017. Durch den Abschluss verschiedener Factoringverträge hat die Zielgesellschaft genügend Liquidität generiert, um die Zwischenfinanzierung abzulösen.
Nach der überarbeiteten Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft tritt jedoch innerhalb der Kontron Gruppe ohne die Umsetzung bereits geplanter Sanierungsmaßahmen (vgl. hierzu Ziffer V.) bereits Ende April 2017 eine finanzielle Unterdeckung ein.
Hierzu hat der Wirtschaftsprüfer der Zielgesellschaft im Bestätigungsvermerk des Konzernabschlusses 2016 folgenden Hinweis aufgenommen:
"Ohne diese Beurteilung einzuschränken, weisen wir auf die Ausführungen im Abschnitt "Risiko- und Chancenbericht" des Lageberichts hin. Dort ist ausgeführt, dass die Fortführung der Unternehmenstätigkeit der Muttergesellschaft und damit des Konzerns aufgrund angespannter Liquidität bedroht ist. Sie hängt davon ab, dass der Kontron AG die seitens der S&T AG durch Patronatserklärung zugesagte Liquidität zur Verfügung gestellt wird."
Im entsprechenden Abschnitt "Liquiditätsrisiko" des Lageberichts ist ausgeführt, dass "Kontron zur Sicherstellung der Liquidität im November 2016 eine Patronatserklärung der S&T AG über 20,0 Mio. Eur erhalten [hat]. Der Vorstand der Kontron AG hat diese Unterstützung mit Schreiben vom 17. Februar 2017 eingefordert, da ohne diese Finanzierung die Liquidität der Kontron AG und damit der Kontron Gruppe ab dem zweiten Quartal 2017 nicht sichergestellt ist. [...] Die Fortführung der Gesellschaft ist aufgrund der angespannten Liquidität bedroht. Sie hängt daher davon ab, dass der Kontron AG die durch die Patronatserklärung seitens der S&T AG zugesagte Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Aufgrund der Restrukturierungssituation sieht der Vorstand der Kontron AG keine Finanzierungsalternative, so dass zwingend auf die Patronatserklärung abgestellt werden muss."
V. Sanierungsmaßnahmen der Antragstellerinnen
Die Antragstellerin zu 2) hat sich gegenüber der Zielgesellschaft bereits im November 2016 verpflichtet, zum Zweck der Abwendung einer Finanzierungs- und/oder Liquiditätslücke bei der Zielgesellschaft Sorge dafür zu tragen, dass diese stets in der Lage ist, ihre gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten zu erfüllen (folgend "Patronatserklärung"). Die Patronatserklärung gilt bis zum 31.12.2018 und ist auf einen Gesamtbetrag von EUR 20 Mio. beschränkt.
Mit Schreiben vom 17.02.2017 hat sich die Zielgesellschaft gegenüber der Antragstellerin zu 2) auf die Patronatserklärung berufen und auf die für Ende April 2017 erwartete Finanzierungslücke hingewiesen. In diesem Schreiben weist die Zielgesellschaft zudem darauf hin, dass ihr genehmigtes Kapital zu Verfügung steht, welches sie für eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss in Höhe von 10 % ihres Grundkapitals (folgend "Kapitalerhöhung") verwenden kann. Um einen rechtzeitigen Liquiditätszufluss aus der Kapitalerhöhung erreichen zu können, müsse die Kapitalerhöhung spätestens in der 15. Kalenderwoche 2017 beschlossen werden.
Um die Durchfinanzierung der Zielgesellschaft sicherzustellen, damit diese die operative Sanierung weiterführen kann, hat sich die Antragstellerin zu 2) daraufhin gegenüber der Zielgesellschaft mit Schreiben vom 21.02.2017 vorbehaltlich der beantragten Befreiung zu Folgendem verpflichtet (folgend "Übernahmeverpflichtung")
* Die Antragstellerin zu 2) trägt dafür Sorge, dass die Antragstellerin zu 1) 5.568.301 neue Aktien der Zielgesellschaft im Rahmen der Kapitalerhöhung zu einem Ausgabebetrag zeichnet, der den Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft zum Zeitpunkt der Festlegung des Ausgabebetrags durch den Vorstand nicht wesentlich unterschreitet (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG), jedoch auch nicht überschreitet.
* Sofern, z.B. aufgrund eines niedrigen Börsenkurses, über die Kapitalerhöhung kein ausreichender Mittelzufluss erreicht werden kann, um den Finanzierungsbedarf der Zielgesellschaft zu decken, ist die Antragstellerin zu 2) bereit, der Zielgesellschaft einen ungesicherten Rahmenkredit mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2018 zu einem Zinssatz in Höhe von 4,5 % p.a. zu gewähren und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Gesamtausgabebetrag der im Rahmen der Kapitalerhöhung gezeichneten Aktien und dem in der Patronatserklärung zugesagten Betrag in Höhe von EUR 20. Mio..
VI. Operatives Sanierungskonzept und geplante wirtschaftliche Entwicklung der Zielgesellschaft
Nach den Feststellungen der Gutachterin hat die Zielgesellschaft ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt, mit dem sie ihre Wettbewerbsfähigkeit bis 2019 wieder herstellen will.
Die Gutachterin weist darauf hin, dass die Geschäftsplanung in den Verantwortungsbereich des Vorstands der Zielgesellschaft fällt, aus ihrer Sicht aber plausibel ist. Allerdings hänge ihre positive Aussage über die Fortführungsfähigkeit der Kontron Gruppe und der Zielgesellschaft von einem Finanzierungskonzept ab. Ein solches Konzept habe der Vorstand erarbeitet (folgend "Finanzierungskonzept").
Nach dem Vortrag der Antragstellerinnen hat der Vorstand der Zielgesellschaft bereits mit der Umsetzung des Finanzierungskonzeptes begonnen.
VII. Anträge
Mit Schreiben vom 22.02.2017, eingegangen am 23.02.2017, beantragen die Antragstellerinnen Folgendes:
"Die Antragstellerin zu 1) und die Antragstellerin zu 2) als 100 %ige Muttergesellschaft der Antragstellerin zu 1) werden gem. § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung für den Fall, dass sie in Folge des Wirksamwerdens einer von Vorstand und Aufsichtsrat der Kontron AG, Lise-Meitner-Strasse 3 - 5, 86156 Augsburg, (nachfolgend die "Zielgesellschaft") noch zu beschließenden Barkapitalerhöhung aus dem Genehmigten Kapital 2015 die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangen, von den Pflichten, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung zu veröffentlichen, nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ("BaFin") eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach §§ 35 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit."
Die Antragstellerinnen sind der Ansicht, dass aufgrund der beabsichtigten Sanierung eine Befreiung gem. § 37 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung gerechtfertigt ist. Die Zielgesellschaft sei sowohl sanierungsbedürftig als auch sanierungsfähig. Die Antragstellerinnen leisteten auch einen erheblichen Beitrag zur Sanierung der Zielgesellschaft. Die Antragstellerinnen seien wegen des bevorstehenden Kontrollerwerbs über die Zielgesellschaft auch antragsberechtigt.
Die Antragstellerinnen wurden mit Schreiben vom 17.03.2017 zu den Widerrufsvorbehalten und Auflagen angehört. In einer telefonischen Stellungnahme am 24.03.2017 erklärte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerinnen keine Einwände gegen die Nebenbestimmungen.
B. RECHTLICHE WÜRDIGUNG
Den Anträgen war stattzugeben.
1. Zulässigkeit
Die Anträge der Antragstellerinnen sind zulässig. Insbesondere sind sie fristgerecht gestellt.
Gemäß § 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung kann ein Antrag nach § 37 WpÜG schon vor der Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft und innerhalb von sieben Kalendertagen nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Bieter Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass er die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat. Da die Antragstellerinnen derzeit noch keine Kontrolle an der Zielgesellschaft haben (vgl. Ziffer B II. 1. unten), sind die Anträge fristgerecht gestellt worden.
Über die Anträge konnte auch vor dem Kontrollerwerb der Antragstellerinnen entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Kontrollerlangung als vorhersehbar (BT-Drs. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 8 WpÜG-Angebotsverordnung, Rn. 8 f.) darstellt. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat in seinem an die Antragstellerin zu 2) gerichteten Schreiben vom 17.02.2017 vorgeschlagen, den Liquiditätsbedarf der Zielgesellschaft durch die Kapitalerhöhung decken zu wollen, die spätestens in der 15. Kalenderwoche 2017 beschlossen werden müsse. Der Aufsichtsrat stünde der Kapitalerhöhung positiv gegenüber. Mit Schreiben vom 21.02.2017 hat sich die Antragstellerin zu 2) mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt und die Übernahmeverpflichtung abgegeben. Somit haben sich die für die Durchführung der Kapitalerhöhung relevanten Entscheidungsträger bereit erklärt, diese vorbehaltlich der verfahrensgegenständlichen Befreiung zeitnah umzusetzen. Es ist daher hinreichend wahrscheinlich, dass die Kapitalerhöhung tatsächlich durchgeführt wird. In diesem Fall kommt es zum Kontrollerwerb durch die Antragstellerinnen (vgl. hierzu Ziffer B.II.1. und 2.).
Die Anträge der Antragstellerinnen können auch in einem einheitlichen Verfahren beschieden werden.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt und somit um ein Verwaltungsverfahren. Vorliegend muss sich die Antragstellerin zu 2) wegen des zwischen ihr und der Antragstellerin zu 1) bestehenden Mutter-/Tochterverhältnisses sämtliche Stimmrechte aus den von der Antragstellerin zu 1) zu erwerbenden Aktien der Zielgesellschaft nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; Satz 3 WpÜG zurechnen lassen (vgl. hierzu Ziffer B. II. 2.).
Bei einer Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG ist grundsätzlich ein einheitlich zu würdigender Lebenssachverhalt anzunehmen. Die erstmalige Kontrollerlangung durch das Tochterunternehmen (hier: die Antragstellerin zu 1)) fällt hier mit der Kontrollerlangung durch das jeweilige Mutterunternehmen (hier: die Antragstellerin zu 2)) in Folge der Zurechnung zusammen. Das verbindende Element des gesamten Lebenssachverhalts bildet die Lenkungsmacht des Prinzipals (hier: die Antragstellerin zu 2)).
II. Begründetheit
Die Antragstellerinnen sind nach Abwägung ihrer Interessen gegenüber den Interessen der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß §§ 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i.V.m. 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung im Hinblick auf die beabsichtigte Sanierung der Zielgesellschaft von den Pflichten aus § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG zu befreien.
1. Kontrollerwerb der Antragstellerin zu 1)
Eine Befreiung nach Maßgabe von § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung setzt zunächst voraus, dass der Antragsteller eine kontrollrelevante Beteiligung zum Zweck der Sanierung der Zielgesellschaft erwirbt bzw. erwerben will (Krause/Pötzsch/Seiler in: Assmann/Pötzsch Uwe H. Schneider, WpÜG, § 9 WpÜG-AngVO, Rn. 20).
Derzeit hält die Antragstellerin zu 1) 16.649.224 Aktien der Zielgesellschaft. Dies entspricht rund 29,9 % der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft. Die Antragstellerin zu 1) wird mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung 5.568.301 neue Aktien der Zielgesellschaft erwerben. Da das Bezugsrecht der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG ausgeschlossen werden soll, wird die Antragstellerin zu 1) mit Wirksamkeit der Kapitalerhöhung 22.217.525 Aktien der Zielgesellschaft halten. Dies entspricht rund 36,3 % des erhöhten Grundkapitals in Höhe von EUR 61.251.325,00 und der Stimmrechte der Zielgesellschaft nach der Kapitalerhöhung.
Mit Wirksamkeit der Kapitalerhöhung wird die Antragstellerin zu 1) daher die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG von 30 % überschreiten.
2. Kontrollerwerb der Antragstellerin zu 2)
Die von der Antragstellerin zu 1) unmittelbar gehaltenen Stimmrechte in der Zielgesellschaft werden der Antragstellerin zu 2) gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, 2 Abs. 6 WpÜG, 290 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 HGB zugerechnet werden, da die Antragstellerin zu 2) 100 % der Stimmrechte der Antragstellerin zu 1) hält und die Antragstellerin zu 1) daher ein Tochterunternehmen der Antragstellerin zu 2) ist.
3. Zweckzusammenhang zwischen Kontrollerwerb und Sanierung
Nach § 9 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung muss der Kontrollerwerb, um im Sinne der Vorschrift privilegiert zu sein, im Zusammenhang mit einer Sanierung erfolgen. Vorliegend will die Antragstellerin zu 1) die Kontrolle dadurch erwerben, dass sie neue Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung zeichnet, durch welche die Zielgesellschaft die erwartete Liquiditätslücke schließen will. Der zum Kontrollerwerb führende Sachverhalt steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der geplanten Sanierung der Zielgesellschaft. Der erforderliche Zweckzusammenhang zwischen Kontrollerwerb und Sanierung ist daher vorliegend gegeben.
4. Sanierungsbedürftigkeit der Zielgesellschaft
Die Zielgesellschaft ist sanierungsbedürftig, da bestandsgefährdende Risiken im Sinne von § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB bestehen. Nach der vom Wirtschaftsprüfer geprüften Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft ist deren Liquidität ab dem zweiten Quartal 2017 nicht mehr sichergestellt, so dass die Zahlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft droht.
Die entsprechenden Ausführungen/Feststellungen im Antrag vom 22.02.2017 und dem Lagebericht der Zielgesellschaft sind schlüssig und lassen sich anhand der Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft nachvollziehen. Danach ist die Zielgesellschaft, sollten die geplanten Sanierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden, in Kürze zahlungsunfähig.
Nach der Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft würde ohne die Umsetzung bereits geplanter Sanierungsmaßnahmen (vgl. hierzu Ziffer B. II. 5.) bereits im April 2017 eine Unterdeckung eintreten.
Unschädlich ist vorliegend, dass die Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft eine konzernweite Betrachtung anstellt. Zwar knüpfen die Voraussetzungen für die beantragte Befreiungsentscheidung spiegelbildlich zur Angebotspflicht an die konkrete Zielgesellschaft und nicht an einen Konzernverbund an (Krause Pötzsch/Seller in Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider, WpÜG, § 9 WpÜG-AngVO Rn. 22). Im Rahmen der Begründung eines Befreiungsantrags muss daher der Antragsteller vortragen und glaubhaft machen, dass bestandsgefährdende Risiken im Sinne von § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB für die Zielgesellschaft bestehen. Der Umstand, dass der Konzern, dem die Zielgesellschaft angehört, bestandsgefährdenden Risiken ausgesetzt ist, genügt danach für sich genommen nicht, um einen Antrag nach § 37 Abs. 1 und 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung zu begründen. Nach den Feststellungen der Gutachterin lässt sich vorliegend allerdings aus der Liquiditätsentwicklung der Kontron Gruppe die Liquidität der Zielgesellschaft ableiten. Danach stellt die Zielgesellschaft den Finanzierungskopf der Kontron Gruppe dar. Die Tochtergesellschaften der Zielgesellschaft verfügen bis auf wenige Ausnahmen nicht über eigene Barmittel.
Die von der Zielgesellschaft nach ihrem Finanzierungskonzept (vgl. dazu A. VI) aus eigener Kraft getroffenen Refinanzierungsbemühungen reichen nicht zur Behebung der drohenden Zahlungsunfähigkeit aus. Darüber hinaus gehende Fremdfinanzierungen sind zu aus Sicht der Zielgesellschaft wirtschaftlich tragbaren Konditionen nicht mehr möglich.
5. Sanierungsfähigkeit der Zielgesellschaft
Die Gutachterin bestätigt in ihrem Gutachten, dass die Zielgesellschaft sanierungsfähig ist.
Die diesbezüglichen Feststellungen der Gutachterin (vgl. hierzu Ziffer A. III.) sind nachvollziehbar. Die Gutachterin hat das Sanierungsgutachten auf Grundlage der ihr von der Zielgesellschaft vorgelegten Informationen erstellt und die wesentlichen Daten plausibilisiert. Die Planungsrechnungen sind dem Sanierungsgutachten als Anlagen beigefügt. Danach ist das Sanierungskonzept geeignet, die Krisenursachen zu beseitigen und perspektivisch die Zielgesellschaft als wettbewerbsfähiges Unternehmen zu erhalten, soweit die Finanzierung der Zielgesellschaft bis zum 31.12.2019 gesichert ist. Nach den Feststellungen der Gutachterin hat die Zielgesellschaft mit dem Finanzierungskonzept ein geeignetes Konzept entwickelt, um dieses Ziel zu erreichen. Die diesbezüglichen Feststellungen der Gutachterin sind nachvollziehbar und plausibel.
Zunächst sieht das Sanierungskonzept vor, dass die Zahlungsfähigkeit der Zielgesellschaft wieder hergestellt wird. Stellt man die aus der Kapitalerhöhung zu erwartenden Einnahmen der aktualisierten Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft gegenüber, so zeigt sich, dass die ab April 2017 erwartete Liquiditätslücke geschlossen werden kann.
Zudem hat die Antragstellerin zu 2) zugesagt, für den Fall, dass z.B. aufgrund eines niedrigen Börsenkurses, über die Kapitalerhöhung kein ausreichender Mittelzufluss erreicht werden kann, um den Finanzierungsbedarf der Zielgesellschaft zu decken, der Zielgesellschaft einen ungesicherten Rahmenkredit mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2018 in Höhe der Differenz zwischen dem Gesamtausgabebetrag der im Rahmen der Kapitalerhöhung gezeichneten Aktien und dem in der Patronatserklärung zugesagten Betrag in Höhe von EUR 20 Mio. zu gewähren. Hierdurch ist ein ausreichender Liquiditätszufluss auch für den Fall sichergestellt, dass durch die Kapitalerhöhung kein ausreichender Mittelzufluss erlangt werden kann.
Nach den Feststellungen der Gutachterin kann die Sanierung der Zielgesellschaft auch perspektivisch gelingen. Die Zielgesellschaft plant ein Maßnahmenprogramm, mit dessen Hilfe ihre Wettbewerbsfähigkeit bis zum Jahr 2019 wieder hergestellt werden soll.
Die Planung der Zielgesellschaft unterliegt aber auch Risiken. Insbesondere können sich bei der Planung getroffene Annahmen nachträglich als unzutreffend herausstellen. Allerdings sind an die Feststellung der Erfolgsaussichten des Sanierungskonzepts keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser Feststellung um eine Prognose des Geschehensablaufes auf Basis der bisher ermittelten Daten handelt. Zum anderen kann eine Feststellung der Erfolgsaussichten nur die Plausibilität der Sanierungsmaßnahmen prüfen. Eine Prüfung, die berücksichtigt, ob ein anderes Konzept bessere Erfolge erzielen kann, ist vom Gesetzgeber nicht verlangt. Im Ergebnis kommt es darauf an, ob das Sanierungskonzept grundsätzlich geeignet ist, den Sanierungsfall zu Iösen, nicht aber, ob dies auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, welche der Plausibilität der dem Sanierungskonzept zugrunde liegenden Annahmen und den diesbezüglichen Feststellungen der Gutachterin entgegenstehen.
Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass das Sanierungskonzept der Zielgesellschaft zwar mit Unsicherheiten behaftet ist, die getroffenen Annahmen und damit das Konzept jedoch insgesamt hinreichend plausibel im o.g. Sinne sind. Dies gilt umso mehr, als dass die Antragstellerinnen durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft machen konnten, dass die Zielgesellschaft bereits damit begonnen hat, das Finanzierungskonzept erfolgreich umzusetzen.
6. Sanierungsbeiträge der Antragstellerinnen
Nach der Intention des Gesetzgebers muss der Antragsteller bereit sein, erhebliche Sanierungsbeiträge zu leisten (Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, 5.81). Nur ein Sanierungsbeitrag eines Antragstellers, der der Zielgesellschaft zu Gute kommt, kann Grundlage fur ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers gegenüber den Interessen der übrigen Aktionäre einer Zielgesellschaft sein (Strunk/Salomon/Holst in: Übernahmerecht in Praxis und Wissenschaft, Aktuelle Entwicklungen im Übernahmerecht, S. 38).
Im Rahmen des Sanierungskonzeptes ist die Antragstellerin zu 1) bereit, einen erheblichen Sanierungsbeitrag zu erbringen. Der Sanierungsbeitrag der Antragstellein zu 1) wird auf Grundlage der Kursentwicklung der Aktie der Zielgesellschaft in der jüngeren Vergangenheit voraussichtlich mind. EUR 15,03 Mio. betragen. Für den Fall, dass durch die Kapitalerhöhung nicht genügend Mittel eingenommen werden können, hat sich die Antragstellerin zu 2) verpflichtet, der Zielgesellschaft einen Rahmenkredit zur Verfügung zu stellen, so dass der Gesamtsanierungsbeitrag von Antragstellerin zu 1) und Antragstellerin zu 2) entsprechend der Übernahmeverpflichtung auf EUR 20,0 Mio. ansteigen kann.
Offen bleiben kann, ob die bedingte Kreditzusage der Antragstellerin zu 2) für sich betrachtet einen ausreichenden Sanierungsbeitrag darstellen könnte. Ihr kommt jedenfalls auch der Sanierungsbeitrag der Antragstellerin zu 1) zu Gute. Über ihre unmittelbare Beteiligung an der Antragstellerin zu 1) nimmt sie an Chancen und Risiken, welche die Antragstellerin zu 1) mit den Sanierungsbeiträgen eingeht, teil.
7. Ermessensabwägung
Die Erteilung der Befreiung liegt im Ermessen der BaFin. Bei einer Abwägung der Interessen der Antragstellerinnen mit denen der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft, die nach § 37 Abs. 1 WpÜG vorzunehmen ist, ist grundsätzlich bei Vorliegen eines Tatbestands des § 9 WpÜG-Angebotsverordnung von einem Vorrang der Interessen der potentiellen Bieter auszugehen.
Durch die Sanierung soll der Fortbestand der Zielgesellschaft gesichert werden, was im Interesse aller Aktionäre der Zielgesellschaft ist, die ansonsten die (drohende) Insolvenz der Zielgesellschaft zu gegenwärtigen hätten.
Da die Antragstellerinnen im Rahmen der Sanierung durch die o.g. erheblichen Leistungen (vgl. Ziffer B II. 6.) zum Fortbestand der Zielgesellschaft beitragen, kann ihnen nicht zugemutet werden, den Aktionären der Zielgesellschaft darüber hinaus ein Pflichtangebot zu unterbreiten, das die Antragstellerinnen in einem erheblichen Umfang zusätzlich finanziell belasten würde. Ihre Leistungen sollen vorrangig der Zielgesellschaft und damit mittelbar auch deren Aktionären zu Gute kommen. Daher ist die Befreiung nach § 37 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung grundsätzlich - wenn auch unter Nebenbestimmungen - zu erteilen.
Entgegenstehende Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft, die auch unter Berücksichtigung der bereits in § 9 WpÜG-Angebotsverordnung durch den Gesetzgeber vorweggenommenen Interessenabwägung besonderes Gewicht haben, sind - abgesehen von dem Interesse an der Gesundung der Zielgesellschaft teilzuhaben - nicht ersichtlich.
Der Kontrollerwerb erfolgt zwar durch die zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes notwendige Kapitalerhöhung, wodurch die übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft nominell verwässert werden. Da ihr Bezugsrecht für diese Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden soll, können sie sich an der Kapitalerhöhung auch nicht beteiligen, um diese Verwässerung zu vermeiden. Zu bedenken ist allerdings, dass die Zielgesellschaft beabsichtigt, den Bezugsrechtsausschluss auf § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG zu stützen. Diesem sogenannten vereinfachten Bezugsrechtsausschluss liegt die gesetzgeberische Vorstellung zu Grunde, dass im Anwendungsbereich der Norm das Finanzierungsinteresse der Gesellschaft höher zu bewerten ist, als die Aktionärsinteressen. Durch die Umfangsbeschränkung und die Orientierung am Börsenkurs werde nämlich einerseits eine mögliche Wertverwässerung zu Lasten der Altaktionäre minimiert. Andererseits könnten diese die drohende Einbuße an Stimmkraft durch Zukauf an der Börse kompensieren, sofern es ihnen darauf ankomme, was namentlich bei Kleinstbeteiligungen unwahrscheinlich sei (Schürnbrand in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz § 186 Rn. 128). Dieser Wertung des Aktienrechts ist auch im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung Rechnung zu tragen. Die geringe und leicht zu kompensierende Interessenbeeinträchtigung der außenstehenden Aktionäre kann die gewichtigen Interessen der Antragstellerinnen an der Vermeidung eines kostspieligen Pflichtangebots nicht verdrängen. Den Antragstellerinnen kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass im Rahmen der Kapitalerhöhung das Bezugsrecht ausgeschlossen werden soll. Das Sanierungskonzept könnte aller Voraussicht nach durch eine Bezugsrechtskapitalerhöhung nicht umgesetzt werden. Die Abwicklung einer Bezugsrechtskapitalerhöhung ist zeitraubend und kostenintensiv (vgl. Schürnbrand a.a.O.). Vorliegend kommt noch hinzu, dass die Zielgesellschaft, wollte sie eine Bezugsrechtskapitalerhöhung durchführen, einen Wertpapierprospekt nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) erstellen und von der BaFin billigen lassen müsste (§ 3 Abs. 1 WpPG). Eine Bezugsrechtskapitalerhöhung würde danach aller Voraussicht nach nicht rechtzeitig durchgeführt werden können. Sie ist daher als Sanierungsmaßnahme vorliegend ungeeignet.
III. Widerrufsvorbehalte
Rechtsgrundlage für die Widerrufsvorbehalte unter Ziffer 2 des Tenors dieses Bescheids ist § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG.
Die Widerrufsvorbehalte unter Ziffer 2 des Tenors sind geeignet und erforderlich, um seitens der BaFin den Befreiungsbescheid für den Fall widerrufen zu können, dass das Sanierungskonzept nicht vollumfänglich umgesetzt wird.
Die Sanierung der Zielgesellschaft kann nach dem Sanierungskonzept nur gelingen, wenn die Kapitalerhöhung durchgeführt wird.
Durch die Widerrufsvorbehalte wird daher sichergestellt, dass das Sanierungskonzept tatsächlich auch umgesetzt und die Befreiungsmöglichkeit des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-Angebotsverordnung nicht zu Lasten der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft missbraucht wird.
Die Widerrufsvorbehalte sind auch verhältnismäßig. Im Vergleich zu einer auflösenden Bedingung sind sie ein milderes Mittel, um notfalls alternative oder zusätzliche Finanzierungs- und Sanierungsbeiträge im Rahmen des Widerrufsverfahrens berücksichtigen zu können. Auch geringfügige Änderungen des Sanierungskonzeptes, welche die Erfolgsaussichten der Sanierung der Zielgesellschaft nicht beeinträchtigen, können in diesem Rahmen berücksichtigt werden. Im Rahmen des Widerrufsverfahrens wären die Antragstellerinnen erneut zu hören und im Hinblick auf die Ermessenausübung wäre insbesondere zu prüfen, ob die Antragstellerinnen ihr Sanierungskonzept ordnungsgemäß betrieben haben und alle Handlungen und Beiträge in ihrer Verantwortungssphäre vorgenommen bzw. geleistet haben.
Die Widerrufsvorbehalte sind zudem auf das für die Umsetzung des Sanierungskonzeptes zwingend notwendige Maß begrenzt.
Die Fristen für die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen orientieren sich grundsätzlich an der Liquiditätsplanung der Zielgesellschaft. Sie sind jedoch etwas großzügiger bemessen, um eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung des Sanierungskonzeptes zu ermöglichen.
IV. Auflagen
Rechtsgrundlage für die Auflagen unter Ziffer 3 des Tenors dieses Bescheids ist § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG.
Nach den unter Ziffer 3 des Tenors bestimmten Auflagen sind die Antragstellerinnen zunächst verpflichtet nachzuweisen, dass sich die Antragstellerin zu 1) im zugesagten Umfang an der Kapitalerhöhung beteiligt hat und deren Durchführung im Handelsregister eingetragen wurde. Außerdem müssen die Antragstellerinnen nachweisen, dass die Antragstellerin zu 2) den zugesagten Rahmenkredit gewährt hat, sollte dies erforderlich geworden sein.
Diese Auflagen sind erforderlich, um die Umsetzung des Sanierungskonzeptes nachprüfen zu können, um so das Überwiegen des Befreiungsinteresses der Antragstellerinnen über die Interessen der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft sicherzustellen. Da es sich lediglich um Nachweispflichten in Bezug auf von den Antragstellerinnen von sich aus zugesagte Maßnahmen handelt, sind die Auflagen auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
Es ist ausreichend, wenn die Sanierungsmaßnahmen durch eine der Antragstellerinnen nachgewiesen werden. Dies wirkt auch Pflichten erfüllend für die übrige Antragstellerin.
Bei einem Verstoß gegen die Auflagen kann die Befreiungsentscheidung gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG widerrufen werden.
(Ende)
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