pts20230630015 Politik/Recht, Medizin/Wellness

Mögliche Folgen der Krankenhausreform für die Gesundheitslandschaft


Berlin (pts015/30.06.2023/10:15)

In den Verhandlungen zur großen Krankenhausreform wurde zwischen Bund und Ländern noch keine Einigung erzielt. Die Herausforderungen für die Krankenhäuser bleiben nach Einschätzung von ISM-Professorin und Studiengangleiterin in Health Care Management, Dr. Christine von Reibnitz, selbst mit Reform weiterhin groß. Im Personalbereich sei kurzfristig nicht mit einer Entspannung zu rechnen. Ebenso bleiben bei der Finanzierung viele Fragen offen – ein Überblick.

Die Kosten für die Krankenhäuser sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, wie auch Daten des statistischen Bundesamts belegen. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Professorin Dr. Christine von Reibnitz von der International School of Management (ISM) erläutert: "Haupttreiber für die steigenden Kosten der Krankenhäuser ist der Fachkräftemangel in Medizin und Pflege. Die Krankenhäuser können aufgrund dessen nicht mehr so viele Behandlungen durchführen; eine Beschränkung bei den Kapazitäten ist die Folge. Aber auch die Unterhaltungskosten, insbesondere die hohen Energiekosten, machen den Krankenhäusern schwer zu schaffen."

Geplante Neuerungen der großen Krankenhausreform

Die Gesundheitsökonomin von Reibnitz teilt die Einschätzung vieler Gesundheitsexperten, dass unter diesen Umständen das bisherige Krankenhaus-System nicht mehr funktionieren kann. "Eine Vielzahl von Krankenhäusern engagieren sich für gute Qualität der Leistungen, doch zeigen sich Qualitätsunterschiede in der Versorgung. Die vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgeschlagene Krankenhausreform zielt darauf ab, Konzentrationsprozesse im spezialisierten Bereich, zum Beispiel in der Onkologie, zu ermöglichen. Dieser Schritt ist notwendig, um trotz weniger Kapazitäten eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung für die Patienten zu gewährleisten," fasst Prof. Dr. Christine von Reibnitz die Stoßrichtung der neuen Reform zusammen.

Geht es nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers, sollen konkret rund 60 Prozent der Kosten nicht mehr über Fallpauschalen, sondern über Vorhalte- und Pflegepauschalen gedeckt werden. Dadurch sollen die Krankenhäuser mehr Planungssicherheit für die Grundversorgung erhalten. Neben Änderungen im Vergütungssystem wird zudem darüber nachgedacht, die deutschen Krankenhäuser in drei Versorgungslevel aufzuteilen. Dies soll eine gezieltere Behandlung in Abhängigkeit der Komplexität der Erkrankung ermöglichen.

Ein großer Mehrwert des neuen Systems sieht die ISM-Professorin für Health Care Management in der Förderung ambulanter Behandlungen, gerade auch mit Blick auf das Personal: "Die Vermeidung unnötiger stationärer Aufenthalte könnte einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des medizinischen Fachpersonals leisten. Denn ein Krankenhaus kann sich nur verändern, wenn auch der ambulante Bereich oder die Altenvorsorge neu gedacht und strukturiert wird."

Wer bezahlt für ein gut funktionierendes Gesundheitssystem?

Eine zentrale Frage bei den Verhandlungen um die Krankenhausreform betrifft die Zuständigkeiten von Bund und Ländern. "Die Länder sehen ihre Mitwirkung bei der Gestaltung der Leistungsgruppen, das BMG hingegen baut auf bundesweit einheitliche Qualitätsvorgaben," erklärt die Gesundheitsökonomin von Reibnitz. So werden auch zukünftig die Kosten aufgeteilt. Während die Behandlungskosten größtenteils von den Krankenkassenbeiträgen finanziert werden, liegen die Investitionskosten im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. "Die Bundesländer sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Kosten für Investitionen der Krankenhäuser in tatsächlicher Höhe zu tragen. Dazu gehören zum Beispiel Investitionen in Gebäude, Medizintechnik, Digitalisierung und Klimaschutz. Gerade Digitalisierung und klimagerechter Umbau stellen die Krankenhäuser in den kommenden Jahren vor große finanzielle Herausforderungen," so die ISM-Professorin.

Die Neustrukturierung der Krankenhäuser hin zu einem modernen, qualitativ hochwertigen Gesundheitssystem kostet demnach viel Geld. "Eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge wird die Finanzierungslücke alleine nicht schließen - hier bedarf es weiterer Lösungsansätze, wie zum Beispiel, dass der Staat mehr Verantwortung für versicherungsfremde Leistungen übernimmt - und die Beitragszahlerinnen und -zahler hier entlastet," gibt von Reibnitz zu bedenken.

Herausforderung Personalmangel durch die Krankenhausreform nicht gelöst

Mit der Krankenhausreform allein ließe sich die größte Herausforderung des deutschen Gesundheitssystems, der Fachkräftemangel, noch nicht bewältigen. "Krankenhäuser müssen dringend in eine gut strukturierte Personalakquise und ein modernes Personalmanagement investieren. Dabei müssen die Behandlungsprozesse genau unter die Lupe genommen werden, damit das knappe medizinische Fachpersonal an den richtigen Stellen eingesetzt wird," so von Reibnitz.
Ein Blick auf das vielzitierte Beispiel Dänemark zeige zusätzliches Entwicklungspotenzial, wenn es um den Mangel an medizinischen Fachkräften geht. "Mit Blick auf Dänemark wäre beispielsweise denkbar, dass Pflegefachkräfte selbst auch heilkundliche Tätigkeiten in der Grundversorgung ausüben dürften, um Ärzte zu entlasten. Dies wird in Deutschland schon lange diskutiert – nur noch nicht angemessen umgesetzt. Dadurch würde auch der Beruf als Pflegefachkraft attraktiver werden," so das Fazit der Expertin.

Die International School of Management (ISM) ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule in gemeinnütziger Trägerschaft und zählt zu den führenden privaten Hochschulen in Deutschland. An Standorten in Dortmund, Frankfurt/Main, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Berlin wird in kompakten und anwendungsbezogenen Studiengängen der Führungsnachwuchs für international orientierte Wirtschaftsunternehmen ausgebildet. Zum Studienangebot gehören Vollzeit-Programme, berufsbegleitende und duale Studiengänge sowie das komplett digitale Fernstudium. In Hochschulrankings schafft es die ISM mit hoher Lehrqualität, Internationalität und Praxisbezug regelmäßig auf die vordersten Plätze. Das internationale Netzwerk umfasst rund 190 Partnerhochschulen.

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