Zeitungen fordern Neugründung des ORF
Langenbucher: "Politik kann Druck der Öffentlichkeit nicht ignorieren"
Kommunikationswissenschaftler Langenbucher bekräftigt Forderungen (Foto: fotodienst.at) |
Wien (pte030/31.03.2009/13:38) Der österreichische öffentlich-rechtliche Rundfunk steckt in einer der größten Krisen seiner Geschichte. Seit Monaten wird im Land über eine neue Ausrichtung und die Zukunft des ORF diskutiert. Zuletzt bestätigte auch der Rechnungshof die prekäre wirtschaftliche Situation, in der sich der Sender befindet (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/090119028/). Nun steht der ORF vor einer entscheidenden Phase. Am Donnerstag soll im Stiftungsrat über das Zukunftskonzept des Generaldirektors Alexander Wrabetz beraten werden, in einer Sondersitzung des Nationalrats werden bereits heute, Dienstag, die Zukunftsperspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. Die Initiative "Rettet den ORF!" - ein Zusammenschluss der unabhängigen österreichischen Zeitungen sowie namhafter Vertreter aus Kunst und Kultur - fordert indessen in einem Manifest de facto eine Neugründung des ORF.
"Das Problem, dem der ORF gegenübersteht, ist ein Dauerproblem öffentlich-rechtlicher Sender. Auch in Deutschland zeigt sich derzeit ganz deutlich, wie die Politik versucht, stetig auf das staatliche Fernsehen Einfluss zu nehmen", erklärt der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Langenbucher, Mitglied des Proponentenkomitees der Plattform "Rettet den ORF!", im Gespräch mit pressetext. Allerdings hänge die tatsächliche Einflussnahme immer von der Tapferkeit und Standhaftigkeit der Führungskräfte ab. Insofern sei die Abhängigkeit von der Politik zu einem großen Teil auch eine "freiwillige Entscheidung". "Das typisch österreichische Problem ist, dass der ORF seit Jahren stark werbefinanziert ist und sich zu weiten Teilen mit Privatsendern misst", so Langenbucher.
Daher ist einer der wichtigsten Punkte des Manifests von "Rettet den ORF!" neben einer Entparteipolitisierung eine Reduzierung der Werbung. "Die Politik hat jahrelang Zugeständnisse gemacht", kritisiert der Kommunikationswissenschaftler gegenüber pressetext. Laut der Initiative kann nur ein neues Gesetz mit radikalen Personal- und Strukturmaßnahmen die Zukunft des ORF sichern. Die Regierung plane zwar ein neues Gesetz, jedoch nur mit kosmetischen Reformen. Es sei jedoch vielmehr eine faktische Neugründung notwendig, die jenem Rundfunkvolksbegehren der unabhängigen Presse Österreichs entspreche, das in den 60er Jahren den öffentlich-rechtlichen ORF in seiner Form geschaffen habe. "Mit der aktuellen Initiative wird ähnlich dem Beispiel aus den 60ern neuerlich großer Druck in der Öffentlichkeit erzeugt. Ich denke nicht, dass die Politik die Forderungen nun noch komplett ignorieren kann", meint Langenbucher.
Um zu überleben, müsse der ORF gesundgeschrumpft werden, heißt es in dem Manifest. Die Werbung mit ihrem Quotendruck widerspreche ganz klar dem öffentlich-rechtlichen Selbstverständnis und verwische die Unterscheidung zu kommerziellen Programmen. "Würde die Politik die Gebühren tatsächlich dem Sender zuführen und nicht zum Teil in die Länder abfließen lassen, dann wäre auch eine Finanzierung einfacher möglich", erklärt Langenbucher. So fordert "Rettet den ORF!" auch ganz deutlich, dass Gebührenbefreiungen von Bund und Ländern zu ersetzen seien. Bisweilen gingen Bund und Länder mit dem ORF um, als gehöre er ihnen. "Im günstigsten Fall erwarten wir uns von der Regierung und der heutigen Sondersitzung im Nationalrat ein Umdenken in dem Ausmaß, dass ernsthaft über eine Reform des ORF nachgedacht wird, wie wir in vielen Punkten bereits angeführt haben", sagt Langenbucher. Der schlimmste Fall wäre, dass die "Politik einfach durchmarschiert" und die bisherige Linie beibehalten werde. "Dann würde sich die Krise auf jeden Fall fortsetzen und noch verschlimmern. Die Lage ist tatsächlich sehr ernst", betont der Branchenexperte.
Der ORF-Zentralbetriebsrat zeigt sich in einer ersten Reaktion indes wenig begeistert von den Forderungen der Initiative. Zentralbetriebsrat Gerhard Moser bezeichnet das Manifest als "Aufschrei geriatrischer Eitelkeit" begleitet von "weitgehender medienpolitischer Ahnungslosigkeit". Vor allem eine Kürzung des Personalstands, wie von "Rettet den ORF!" angeraten, stößt auf wenig Gegenliebe. Im Zuge der Nationalrats-Sondersitzung hat Bundeskanzler Werner Faymann mittlerweile ein "Drei-Punkte-Programm" vorgelegt. Darin verspricht der Kanzler zumindest eine "Teilrefundierung von Gebührenbefreiungen" nach der ORF-Reform. Zudem sollen keine Parteienvertreter mehr im Aufsichtsrat sitzen - wenngleich die Regierung weiterhin Vertreter entsenden will - und der Aufsichtsrat insgesamt verkleinert werden. Ein neues Gesetz soll bis Ende des Jahres beschlossen werden.
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