Initiative-ENCCA fordert im EU-Parlament neue Standards für Kinder mit Krebs
St.-Anna-Forscherin mobilisiert starke Lobbyisten für klinische Studien
Wien (pts014/10.02.2012/11:15) Im Zuge des Internationalen Kinderkrebstages präsentierte Univ.-Doz. Dr. Ruth Ladenstein, Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie in Europa (SIOPE), die aktuell schwierige Situation der klinischen Forschung für Kinderkrebs im EU-Parlament. Die Koordinatorin des "Europäischen Netzwerks für Kinderkrebsforschung", das von der Wiener St. Anna Kinderkrebsforschung zentral gesteuert wird, kam mit SIOPE- und ENCCA-Partnern aus der klinischen und Labor-Forschung sowie Patientenorganisationen, wie der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe. Gemeinsam forderte man konkret, bei der bevorstehenden Revision der EU-Direktive für Klinische Studien eine Berücksichtigung der speziellen Erfordernisse von krebskranken Kindern und Patienten mit seltenen Erkrankungen zu erreichen.
EU-Direktive und ihre Folgen
Seit 2004 die Implementierung der EU-Direktive 2001/20/EC (EUCTD) in die nationalen Gesetzgebungen erfolgte, ist die Behandlung von Kindern mit Krebs innerhalb klinischer Studien erschwert, obwohl hierfür an spezialisierten Kinderkrebsbehandlungszentren seit langem erprobte und stetig kontrollierte, risiko-angepasste Therapiestandards in qualitätsgesicherten Strukturen angewendet werden. Es kam zu einer enormen Steigerung der Kosten in der klinischen Forschung und einem drastischen Rückgang der akademischen Studien. Jene akademischen Studien haben jedoch Erfolgsgeschichte geschrieben. Dank gemeinsamen Therapiekonzepten konnten die Überlebensraten von Kindern mit Krebs in den letzten vierzig Jahren von zwanzig auf beinahe achtzig Prozent gesteigert werden. "Ergebnisse aus Deutschland zeigen bei den Behandlungen von krebskranken Kindern außerhalb von Studien zwanzig bis dreißig Prozent schlechtere Ergebnisse", so Dr. Ladenstein.
EU-Direktive blockiert Therapieverbesserungen
"Aufgrund der geringen Patientenzahlen und des unattraktiven Marktes hat die Industrie notwendige Antikrebsmedikamente nicht für Kinder und deren spezielle Krebsformen entwickelt. Wir Ärzte müssen daher bis heute bei achtzig Prozent der benötigten Krebsmedikamente auf Arzneimittel zurückgreifen, die speziell für Erwachsene entwickelt wurden, sich aber nun seit Jahrzehnten mit angepasster Dosierung und Kombination als wirksam und sicher in der Kinderkrebs-Therapie erwiesen haben", erklärte Ladenstein den EU-Parlamentariern Glenis Willmott, Prof. Graça Carvalho und Alojz Peterle. Nur die Industrie kann Medikamente für spezielle Anwendungen registrieren. Es besteht aber kein Industrieinteresse, diese alten Medikamente einer ordnungsgemäßen Registrierung für alle Altersstufen und jeweiligen Krebserkrankungen zuzuführen und damit den "in label"-Status für die Behandlung von Kindern auf dem Beipackzettel der Medikamente sichtbar zu machen.
Eine Revision - weshalb?
Willmott, Carvalho und Peterle, so hofft man, werden die Anliegen zur Revision der EU-Direktive in Brüssel unterstützen. "Aufgrund der 'off label'-Anwendung werden Kinderkrebs-Studien leider als höchste Risiko-Gruppe betrachtet, mit gewaltigen Auflagen und enormen Kosten", so Ladenstein, obwohl sie kein höheres Risiko als etablierte Standardtherapien bergen und der Behandlung, nicht der Zulassung, dienen. Für spendenfinanzierte Studien, was auf achtzig Prozent der klinischen Studien zutrifft, gelten demnach dieselben Auflagen wie für Studien der Pharmaindustrie. Die finanziellen Ressourcen für Administration und Versicherungsbedarf sind von den Kliniken ohne Unterstützung seitens der Industrie und der Politik nicht aufzubringen.
Die primären Ziele der EU-Direktive - Patientenrechte, Sicherheit, Datenschutz und Datenqualität - werden nicht in Frage gestellt. Die Problematik ist die Gleichsetzung aller akademischen Studien mit Zulassungsstudien der Industrie bei neuen Medikamenten.
Die einstimmige Forderung der Interessensvertreter
Ziel der ENCCA-Delegation ist der Dialog auf EU-Ebene, um über klinische Studien als Qualitätsparameter für modernste Diagnostik, Prognostik und Therapien für krebskranke Kinder aufzuklären. Ein starkes Lobbying wird angestrebt, um letztendlich eine Niedrig-Risikoeinstufung mit weniger Bürokratie und Kosten für Studien mit Standardtherapieelementen zu bewirken. "So viel wie nötig, aber so wenig wie irgendwie möglich", lautet die Devise, denn es geht um die Sicherheit der uns anvertrauten Patientenkinder. Nur die gemeinsame Abwicklung in gesicherten Studienplattformen ermöglicht den jeweils richtigen Schritt zum rechten Zeitpunkt. In manchen Ländern sind jedoch Studien nicht mehr leistbar.
Pädiatrische Onkologie - die Fakten
Jährlich erkranken 15.000 Kinder und Jugendliche in Europa neu an Krebs, circa 250 davon in Österreich. Einer von tausend Erwachsenen zwischen achtzehn und vierzig gilt als Überlebender einer Kinderkrebserkrankung. "Damit Kinder weiterhin am Fortschritt der Medizin teilhaben können, müssen neue nationale und internationale Lösungsansätze schnellstmöglich gelingen", resümierte Dr. Ladenstein.
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