Kongo: Bürgerbeteiligung per Mobilfunk
ICT4Gov-Leiter: "Vertrauen zwischen Bürger und Regierung hergestellt"
Kinshasa: Hauptstadt der kriegsgezeichneten DR Kongo (Foto: FlickrCC/Irene2005) |
Washington/Kinshasa (pte003/16.02.2012/06:10) Das World Bank Institute (WBI) http://wbi.worldbank.org arbeitet seit 2007 an demokratiebildenden Maßnahmen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK). Seit 2010 versucht man sich an der Umsetzung von Bürgerhaushalten, etwa in der kriegszerüttenden Region Süd-Kivu. Dort führte die Beteiligung der Bevölkerung nicht nur zur Umsetzung erster Projekte, sondern auch zu verstärktem Vertrauen zwischen Bürgern und Politik, berichtet der ICT4Gov-Teamleiter Boris Weber http://ict4gov.net gegenüber pressetext. Ein wichtiger Kommunikationskanal ist dabei der Mobilfunk, dessen Nutzung im Land stark ansteigt.
Mobiler Kanal wird angenommen
"Laut einer Studie von Goldman Sachs wird die Mobilfunkpenetration in der Republik Kongo 2013 bei 47 Prozent liegen", erklärt Weber. "Die flächenmäßige Abdeckung in Süd-Kivu liegt bereits bei 55 Prozent." Während in der von Konflikten gezeichneten Region im Osten des Landes die meisten Straßen in kaum befahrbarem Zustand sind und der Zugang zu Wasser und Strom nur schlecht gewährleistet ist, funktioniert das Handynetz stabil. Die Funkmasten sind mit eigenen Generatoren ausgestattet und nicht vom maroden, staatlichen Stromnetz abhängig.
Neben klassischen Kommunikationskanälen wie mündliche und schriftliche Bekanntmachungen, wurden die Handynummern der Bewohner erfasst und Aufrufe zu Sitzungen auch per SMS gestreut. Dabei wurden die Textnachrichten gezielt über die Sender in den jeweiligen Gegenden versandt. Nach ersten Evaluierungen erweist sich diese Vorgangsweise als sehr erfolgreich, laut lokalen Befragungen lag der Anteil jener Versammlungsbesucher, die via Mobiltelefon vom Termin erfahren hatten, zwischen 60 und 80 Prozent.
Erfolgsfaktor Transparenz
Der eröffnete Channel wird auch verwendet, um die Menschen über die Umsetzung ihrer eigenen Beschlüsse zu informieren und Feedback über die Qualität der Realisierung einzuholen. "Das macht den ganzen Prozess transparenter und zeigt, dass er funktioniert. Das ist sehr wichtig, denn diese Form der Entscheidungsfindung hat nur Zukunft, wenn sie konkrete Ergebnisse liefern kann", meint der Fachmann.
Der wachsende Mobilmarkt macht zudem Hoffnung, in Zukunft immer mehr Bürger in das gemeinsame Management öffentlicher Gelder einzubinden, was auch ein gewichtiges Argument für die Legitimität dieses Zugangs ist. Das Projekt hat auch internationales Interesse erweckt, so möchte etwa die US-Metropole New York am Beispiel von Süd-Kivu für eigene Open-Government-Projekte dazulernen.
Schwierige Startbedingungen
"Gemessen an der Ausgangslage ist das eines unser bisher erfolgreichsten Projekte", gibt der Open-Government-Experte zu Protokoll. Die Gegend hat einen Krieg mit vier Mio. Opfern und Massenvergewaltigungen hinter sich, ist heute - von einzelnen Konflikten abgesehen - aber weitgehend befriedet. 2007, als das WBI mit der Provinzregierung und Vertretern der Zivilgesellschaft eine "Reformkoalition" formte, war das Vertrauen zwischen Bürgern und der Politik am Tiefpunkt. Dies hat sich mittlerweile geändert, da die Beteiligung der Bevölkerung an der politischen Entscheidungsfindung Früchte getragen hat. Die partizipative Budgetverwaltung wird seit 2010 umgesetzt.
Die autonome Entscheidung über Anteile des Budgets hat etwa zur Umsetzung von Schulprojekten oder der Errichtung von Wasserbrunnen geführt. Dies bedeutet auch einen Wandel in der politischen Kultur. Flossen vor einigen Jahren die Verwaltungsgelder zu 100 Prozent in den Bürokratieapparat zurück, stehen heute teilweise bis zu 40 Prozent für Investitionen zur Verfügung. "Wir beobachten auch, dass die Leute verstärkt Steuern zahlen", so Weber abschließend.
Sorgenkind Kongo
In der DRK warten freilich noch zahlreiche weitere Herausforderungen auf internationale Hilfsorganisationen und den Staat selber, dem es an Mitteln und Personal fehlt. Viele Kernaufgaben, wie Bildung und medizinische Versorgung, müssen von der Zivilgesellschaft selbst organisiert werden. An staatlichen Schulen ist es Usus, dass Eltern zusätzlich Geld für den Unterricht ihrer Kinder bezahlen, da das Gehalt der Lehrkräfte zu gering bemessen ist, um zu überleben. Über leitungsgebundenen Internetzugang verfügen in dem 70-Millionen-Staat lediglich 474.000 Teilnehmer, der Großteil davon residiert in den Ballungszentren.
Das Land nimmt im Human Development Index 2011 den letzten Platz ein. Die friedlich verlaufenen Wahlen im vergangenen November machen dem WBI Hoffnung auf die Umsetzung langfristiger Reformen, die dem Staat mehr Handlungsfähigkeit einbringen sollen.
(Ende)
Aussender: | pressetext.redaktion |
Ansprechpartner: | Georg Pichler |
Tel.: | +43-1-81140-303 |
E-Mail: | pichler@pressetext.at |
Website: | www.pressetext.com |