So verändert Corona die österreichische Wirtschaft
Wien (pts033/23.04.2021/16:30) AmCham Talk mit WIFO-Leiter Christoph Badelt über den prognostizierten Wirtschaftsaufschwung und die Notwendigkeit klimapolitischer Entscheidungen
Im Rahmen des heutigen AmCham Talks der Amerikanischen Handelskammer in Österreich gab der Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt, einen Rückblick und Ausblick der österreichischen Wirtschaft in der COVID-Krise. Die größten Post-Pandemie-Herausforderungen sind laut Badelt die Klimaproblematik, die Langzeitarbeitslosigkeit sowie das Haushaltsdefizit. Das Video ist hier abrufbar: https://youtu.be/2dXTg0QURi0
Badelt: "Whatever it takes" war richtiger Ansatz
Die Wirtschaftsaktivität in Österreich ist im März 2020, im Zuge des ersten Lockdowns, schlagartig um über 20 Prozent gesunken. Solch einen starken negativen Effekt hatten die folgenden Lockdowns laut dem Wöchentlichen WIFO-Wirtschaftsindex nicht. Als Gründe nennt Badelt die Industrie, die wie alle anderen Branchen nicht auf die Pandemie vorbereitet war, und weltweite Lieferkettenschwierigkeiten.
"Traditionelle budgetpolitische Prinzipien wurden zu Recht zur Seite geschoben. Das Motto 'Whatever it takes' war zu dieser Zeit das richtige", beurteilt Badelt die Situation. Die Regierung habe einen einmaligen fiskalischen Impuls gesetzt. Das Maastricht-Defizit wird laut WIFO-Schätzungen 2020 bei fast minus 9 Prozent liegen. "So einen fiskalischen Impuls in so kurzer Zeit hat es zuvor in Österreich noch nicht gegeben", erklärt Badelt.
Mit einem Gesamtvolumen von rund 50 Milliarden Euro, 12,6 Prozent des BIP, sei Österreich im internationalen Vergleich insgesamt sehr großzügig bei den Hilfsmaßnahmen, so Badelt. "Die Grenze zwischen COVID-19-Hilfsmaßnahmen und regulärer Konjunkturpolitik ist fließend, sodass die Hilfsmaßnahmen nahtlos in eine Phase der konventionellen Konjunkturpolitik übergehen. Und diese ist jedenfalls mit Rücksicht auf die offenen langfristigen Probleme zu setzen, erklärt Badelt. Als Beispiele nennt der Wirtschaftsforscher Klimapolitik, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik sowie die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, einschließlich einer Neudiskussion der Schwerpunktsetzungen bei den Staatsaufgaben.
Badelt zu Klimapolitik: Einen umfassenden Prozess der Transformation der gesamten Wirtschaft einleiten
Die Klimaproblematik wurde im Jahr 2020 in der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend durch die COVID-19-Krise verdeckt. "Dies ist zwar verständlich, war aber nicht sachlich gerechtfertigt", sagt Badelt. "In Österreich müssen nicht nur ambitionierte Maßnahmen ergriffen werden, um die Klimaziele zu erreichen, es muss vor allem ein Diskurs begonnen werden, um einen umfassenden Transformationsprozess der gesamten Wirtschaft einzuleiten", erklärt Badelt. Das Hauptproblem laut Badelt: "Die größten Verursacher der Treibhausgasemissionen - Industrie und Verkehr - sind schwer zu regeln. Während die Industrie mittels Emissionshandel auf europäischer Ebene versucht wird zu regeln, sind Maßnahmen, die den Verkehr betreffen, unpopulär", so Badelt. Politische Maßnahmen seien jedenfalls notwendig, erklärt Badelt, denn der Verkehrssektor ist seit 1990 als Verursacher von Treibhausgasemissionen am stärksten gewachsen.
Langzeitarbeitslosigkeit nimmt rasch zu
Während die Gesamtzahl an Arbeitslosen während der Pandemie im März 2020 stark angestiegen ist und seither von Phasen mit Reduktion und Zuwachs geprägt ist, steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen seither kontinuierlich an. Lag sie vor der Corona-Pandemie bei unter 100.000, liegt sie mit Stand März 2021 bei fast 150.000. Für Badelt ist ein "umfassendes Konzept zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nötig". Als wichtige Maßnahmen nennt Badelt "Prävention und Qualifizierungsmaßnahmen in den Betrieben und durch das AMS, eine rasche Bildungsinitiative, um die Lehrziele in der Pflichtschule zu erreichen, sowie direkte Beschäftigungsprojekte, die ohne ideologische Scheuklappen diskutiert werden müssen".
Badelt: Strukturreform zur Senkung der Abgabenlast nötig
Um die neuen und alten Herausforderungen des öffentlichen Haushalts zu lösen, schlägt Badelt eine Mehrphasenstrategie vor, bei der die Pandemiebekämpfung, der schrittweise Abbau des laufendenden Defizits und der Schuldenabbau im Fokus stehen. "Eine Abgabenstrukturreform mit ökologischer Orientierung und Berücksichtigung der Entlastung des Faktors Arbeit sollte jetzt vorbereitet werden", fordert Badelt. "Es braucht einen neuerlichen Versuch für eine echte Strukturreformen mit Förderungen und einem Anreizsystem. Die Senkung der Abgabenlast und Finanzierung neuer Ausgabenerfordernisse ist nur mit Strukturreform möglich", ist Badelt überzeugt.
Unter den Gästen und DiskutantInnen des AmCham Talks waren unter anderem anwesend (in alphabetischer Reihenfolge):
Martin Butollo (Country CEO Austria, Commerzbank AG)
Christian Dorda (Arbitrator, Dorda Rechtsanwälte)
Marcus Handl (Head of Corporate Development, Kapsch Traffic Com)
Hans Hartmann (Partner, PwC Österreich)
Bernd Hofmann (Partner, Leiter Steuerberatung, PwC Austria)
Andrea Köppl (HR-Manager, 3M Österreich)
Christian Maetz (Business Development, AT&T Global Network Services Austria)
Johannes Martschin (Geschäftsführung, Martschin & Partner)
Patricia Neumann (Generaldirektorin IBM Österreich)
Richard Öllinger (Senior Access Manager Pfizer)
Julia Sifnios (Market Segment Manager, GB Enterprise, IBM Österreich)
Martin Winkler (Country Manager at Oracle Austria)
Die American Chamber of Commerce in Austria (AmCham Austria) wurde 1960 gegründet und ist offizieller Vertreter der österreichisch-amerikanischen Geschäftswelt. Als gemeinnützige Organisation ist AmCham Austria unabhängig und unpolitisch. AmCham Austria ist Teil des globalen AmCham-Netzwerks, das in mehr als 100 Ländern vertreten ist und seinen Hauptsitz in Washington D.C. hat. AmCham Austria fördert den Ausbau und die Stärkung der Handelsbeziehungen zwischen Österreich und den USA und spielt dabei eine doppelte Rolle. Erstens übernimmt AmCham Austria die Rolle eines aktiven Lobbyisten für US-Unternehmen, die Niederlassungen in Österreich gegründet haben und für österreichische Unternehmen, die Handelsbeziehungen und Interessen in den USA haben. Zweitens fördert AmCham neue Geschäftsbeziehungen amerikanischer Unternehmen in Österreich und umgekehrt. Weitere Informationen unter: http://amcham.at
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