pte20090509001 Kultur/Lifestyle, Medien/Kommunikation

Tori Amos: Musik zu stehlen ist respektlos

US-Künstlerin kritisiert parasitäres Verhalten im pressetext-Interview


Wien (pte001/09.05.2009/06:00) Die US-Künstlerin Tori Amos http://www.toriamos.com zählt mit über zwölf Mio. verkauften Tonträgern zu den prägendsten Musikerinnen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Anlässlich der Präsentation ihres neuen Albums "Abnormally Attracted to Sin" sprach pressetext mit der Künstlerin über die Kostenlos-Mentalität von Musikkonsumenten und die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Musikindustrie. Darüber hinaus verrät Amos, warum ihr persönliches Leben ungeachtet der Expressivität in ihren Songs nicht zur allgemeinen Diskussion steht und das Piano immer ihre Verbündete bleiben wird.

pressetext: Während die großen Musiklabels gegen illegale Downloads mobil machen, halten sich viele Künstler aus der öffentlichen Diskussion heraus und versuchen etwa mit kostenlosen Downloads die illegale Downloadflut einzudämmen. Stehen die Künstler auf verlorenem Posten?
Tori Amos: Wenn die Öffentlichkeit naiv genug ist zu glauben, dass man bei einer Weinverkostung gleich auch eine Flasche Wein mitgehen lassen kann, ist das eine potenzielle Gefahr. Denn das Weingut wird dann zusperren müssen. Bei der Musik ist es dasselbe. Auch hier muss es einen Austausch geben zwischen dem, der den Song nimmt und dem Künstler.

pressetext: Man könnte argumentieren, dass mehr Leute bei den Konzerten auftauchen, wenn ihnen die heruntergeladene Musik gefällt.
Tori Amos: Damit wird vielleicht das Benzin für den Tourbus finanziert oder die mitfahrende Crew, keinesfalls aber die Aufnahmen. Für mich ist das zudem eine Frage des Respekts und der Konsum-Mentalität. Wenn ich nur Songs konsumiere, ohne was zurückzugeben, dann ist das eine parasitäre Beziehung. Und das ist eine Vorstellung, die mir nicht gefällt, die aber wohl auch die meisten Leute nicht gutheißen würden.

pressetext: Gibt es angesichts der derzeitigen Entwicklung da überhaupt einen Ausweg?
Tori Amos: Ich denke, das geht nur über Bewusstseinsbildung und zwar auf beiden Seiten. Genauso wie der Wert der produzierten Musik geschätzt werden sollte, muss sich auch der Künstler zu jeder Zeit bewusst sein, dass die Leute für ein Konzertticket oder ein Fan-T-Shirt ebenfalls hart arbeiten müssen. Meiner Meinung nach muss jeder Künstler diese gesunde Beziehung mit seinem Publikum entwickeln.

pressetext: Während Ihrer letzten US-Tour haben Sie einen Großteil der Konzerte unmittelbar nach Konzertende als kostenpflichtige Downloads online angeboten. Hat sich diese Idee bewährt?
Tori Amos: Das Angebot ist sehr gut angenommen worden. Wir haben daher für die kommende Tour wieder etwas in dieser Richtung geplant und ich denke, dass wir dieses Mal in Europa was machen werden. Der Prozess ist allerdings recht aufwändig, da bei so einem Projekt die verschiedenen Konzertveranstalter und Hallenbetreiber mit involviert sind.

pressetext: Das neue Album ist sehr vielseitig geworden. Was auffällt ist, dass die Rolle des Pianos sich über die Jahre doch stark verändert hat und dieses heute weit weniger im Zentrum steht als bei Ihren frühen Werken.
Tori Amos: Wenn man Alben produziert, muss man sich weiterentwickeln. Das hat in meinem Fall bedeutet, dass man sich öffnet und aufhört nur für sein Hauptinstrument Lieder zu schreiben. Natürlich gibt es da diesen gewissen Konflikt zwischen der Komponistin und der Instrumentalistin in mir. Die Komponistin in mir ist in den vergangenen zwanzig Jahren aber gewachsen und hat neue Wege ausgelotet.

pressetext: Bei den frühen Alben kann man den Eindruck gewinnen, dass sie in einer direkteren Form Ihre persönlichen Erlebnisse und Emotionen widerspiegeln. In den späteren Werken wie "American Doll Posse" oder "Scarlet's Walk" schlüpfen Sie als Künstlerin hingegen oft in andere Charaktere. Ist Ihre künstlerische Persönlichkeit heute losgelöster von Ihrer Privatperson als früher?
Tori Amos: Heute wie damals basieren die Lieder auf meinen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen. Ich könnte keine Songs schreiben, wenn sie mich nicht direkt betreffen würden und ich diese Erfahrungen nicht persönlich gemacht hätte. Gleichzeitig kann man bei einer 20-jährigen Karriere aber nicht ohne weiteres über diese Hintergründe und das "warum" und "wie" sprechen. Sonst läuft man Gefahr, dass das persönliche Leben dabei verwüstet wird. Ich lege sehr vieles offen in meinen Songs, aber wie das dann genau mit meinem persönlichen Leben zusammenhängt, darf einfach nicht zur Diskussion stehen.

pressetext: Wie hat sich Ihre Kompositionstechnik verändert? Bei manchen Songs des aktuellen Albums wie "Police me" oder "Strong black vine" kann man sich nur schwer vorstellen, dass diese am Klavier entstanden sind.
Tori Amos: Auch diese Songs starten mitunter auf dem Keyboard. Wir nehmen die Spur zusammen mit meiner Gesangslinie auf. Doch dann stellt sich einfach heraus, dass der Sound für das Stück nicht passt bzw. die Komposition nicht den nötigen Raum für das Klavier als zentrales Element lässt. Aber es ist immer noch so, dass in den meisten Songs Tasten eine Rolle spielen.

pressetext: Würden Sie sagen, dass sich Ihre persönliche Beziehung zum Klavier verändert hat?
Tori Amos: Das Piano ist meine Verbündete. Diese Beziehung ist heute so sattelfest, dass ich das Piano auch nicht mehr um jeden Preis in jeder Komposition haben muss. Als Künstlerin denke ich einfach, dass manche der Gedanken und Themen nicht allein über mein Hauptinstrument umgesetzt werden können. Damit will ich aber nicht ausschließen, dass es in Zukunft wieder einmal ein Album mit stärkerem Fokus auf das Piano geben wird. Von den neuen Songs geht "Ophelia" in diese Richtung oder etwa "Maybe California".

pressetext: Den angesprochenen Song "Maybe California" bieten Sie als kostenlosen Download zum Muttertag an. Hat das digitale Zeitalter mit iTunes und Co in gewisser Weise auch dafür gesorgt, dass die Form des klassischen Albums obsolet geworden ist?
Tori Amos: Das stimmt sicher und ein Teil von mir ist auch traurig darüber. Aber das hat sich schon durch die CD verändert. Wenn man heute Abbey Road von den Beatles kauft, sind die 17 Songs auch an einem Stück auf einer CD und keineswegs mehr auf zwei LP-Seiten, wie es vielleicht einmal konzipiert war.

pressetext: Gleichzeitig fällt bei Ihren jüngsten Alben auf, dass diese mit rund 74 Minuten das physische Medium CD komplett ausschöpfen. Waren Sie früher strenger beim Aussortieren Ihrer Songs?
Tori Amos: Nein, denn Sie wissen ja nicht, was ich beim aktuellen Album schon alles aussortiert habe und was dann eben nicht auf dem Album landet! Gleichzeitig hat es sicherlich auch damit zu tun, dass es keine physischen Singles mit sogenannten B-Seiten mehr gibt. Wenn ich also zur klassischen 12-Song-Struktur für ein Album zurückkehren würde, müsste ich einfach zu viel wertvolles Material weglassen. Das wäre auch für die Fans schade.

pressetext: Herzlichen Dank für das Interview!

Das neue Tori-Amos-Album "Abnormally Attracted to Sin" (Universal) ist ab 15. Mai im Handel erhältlich. Ein kürzlich absolvierter Live-Auftritt im Rahmen der FM4 Radio Session in Wien, in dem das Album vorgestellt wurde, wird der Sender am 14. Mai in der FM4 Homebase ab 19:00 Uhr ausstrahlen. Direkt danach geht auch ein Videostream des 45-minütigen Konzerts online, der die gesamte Radio Session umfassen soll. In die österreichische Hauptstadt kommt Tori Amos erneut auf ihrer aktuellen Tournee. Das Konzert findet am 25.09. in der Wiener Stadthalle statt, der Kartenverkauf startet bereits dieses Wochenende.

(Ende)
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