Industriepolitik erreicht weniger als vermutet
Laut MIT-Erhebung können andere Faktoren für das Wachstum eines Landes wichtiger sein
Kräne: Einfluss von Industriepolitik wird oftmals überschätzt (Foto: wal_172619, pixabay.com) |
Cambridge (pte002/19.12.2024/06:05)
Der Einfluss von Industriepolitik auf das wirtschaftliche Geschehen in einem Land wird massiv überschätzt. Das hat eine Untersuchung von vier US-Ökonomen ergeben, von denen zwei am Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeiten. Damit widerlegen sie die weitverbreitete Meinung, dass Südkoreas wirtschaftlicher Boom in den Jahren 1960 bis 1989, bei dem das reale BIP pro Kopf um durchschnittlich 6,82 Prozent pro Jahr wuchs, auf einer klugen Industriepolitik beruhte.
Verbraucher entscheidend
Anhand von globalen Handelsdaten zur Bewertung von Veränderungen der industriellen Kapazität innerhalb von Ländern kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Industriepolitik das langfristige BIP unter allgemein günstigen Umständen nur um 1,08 Prozent und um bis zu 4,06 Prozent erhöhen kann, wenn zusätzliche Faktoren aufeinander abgestimmt sind, ein deutlich geringerer Zuwachs als die 6,82 Prozent, die Südkorea erreichte.
Die Studie ist nicht nur wegen der Zahlen unter dem Strich von Bedeutung, sondern auch wegen der Gründe, die dahinter stehen. Die Untersuchung zeigt beispielsweise, dass die lokale Verbrauchernachfrage die Auswirkungen der Industriepolitik dämpfen kann. Selbst wenn ein Land seine Produktion ändert, verschiebt sich die Nachfrage nach diesen Gütern möglicherweise nicht so stark, was das gezielte Wachstum begrenzt.
Industriepolitik kein Garant
"Viele sind der Meinung, dass für Länder wie China, Japan und andere ostasiatische Giganten und vielleicht sogar die USA irgendeine Form von Industriepolitik eine große Rolle in ihren Erfolgsgeschichten gespielt hat", sagt MIT-Ökonom Dave Donaldson und ergänzt: "Die Frage war, ob das Lehrbuchargument für Industriepolitik diese Erfolge vollständig erklärt, und unsere Schlussfolgerung ist: Nein, wir glauben nicht, dass es das kann."
Gegner der Industriepolitik setzen sich seit Langem für einen stärker marktorientierten Ansatz in der Wirtschaftspolitik ein. Und doch haben in den vergangenen Jahrzehnten weltweit selbst dort, wo politische Entscheidungsträger öffentlich einen Laissez-faire-Ansatz unterstützen, viele Regierungen immer noch Gründe gefunden, bestimmte Branchen zu unterstützen. Darüber hinaus wird der wirtschaftliche Aufstieg Ostasiens seit Langem als Argument für eine Industriepolitik angeführt.
Erfolg in bestimmten Fällen
Das Team betont, dass die Studie nicht alle möglichen Faktoren anspricht, die für oder gegen eine Industriepolitik sprechen. Einige Regierungen könnten die Industriepolitik als Mittel zur Angleichung von Lohnverteilung und Vermögensungleichheit, zur Behebung anderer Marktversagen wie Umweltschäden oder zur Förderung strategischer geopolitischer Ziele befürworten.
In den USA wurde die Industriepolitik manchmal als Mittel zur Wiederbelebung kürzlich deindustrialisierter Gebiete bei gleichzeitiger Umschulung von Arbeitnehmern angesehen. "Die Schlussfolgerung ist nicht, dass es keinen Nutzen aus der Industriepolitik geben kann, sondern dass das Ausmaß geringer ist als angenommen", so Donaldson abschließend.
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