Europa ist besser als sein Ruf
Internationale Experten diskutierten beim Roland Berger Summernight Symposium
Wien/München (pts005/23.06.2006/09:00) Die erweiterte EU ist auch der größte Wirtschaftsraum der Welt und die Kaufkraft der EU-Bürger hoch. Europäische Unternehmen sind global gut aufgestellt, wachsen in einigen Bereichen schneller und sind oft wettbewerbsfähiger als die Konkurrenz. Aber Europa wächst nicht schnell genug und politisch gibt es für die EU noch viel zu tun. Motor der europäischen Wirtschaftsentwicklung bleiben mittelfristig die neuen EU-Staaten. Das erklärte Dr. Burkhard Schwenker, CEO von Roland Berger Strategy Consultants, beim traditionellen Summernight Symposium des Unternehmens in Wien. Die Veranstaltung im Belvedere stand heuer unter dem Motto "Mitteleuropa im Jahr 2016". Mit Schwenker diskutierten unter anderem Günter Verheugen, der Vizepräsident der Europäischen Kommission, und Herbert Stepic, CEO von Raiffeisen International.
"Europa sollte aufhören sich selbst schlechtzureden. Europa ist groß, technologisch stark und ein attraktiver Investitionsstandort", so Schwenker. Die EU-25 ist heute mit einem realen BIP von fast 8.500 Mrd. Euro der größte Wirtschaftsraum der Welt. Vor allem die alten EU-Staaten sind in forschungsintensiven Industrien gut aufgestellt und sind ein attraktiver Investitionsstandort. Bei der Kaufkraft liegt die EU nur unwesentlich hinter den USA und bei den Exporten ist Europa klar die Nummer eins. "2005 entfielen über 38 Prozent der globalen Exporte auf die EU, die USA erreichten nicht einmal neun Prozent. Das zeigt, dass Europa international hervorragend positioniert ist", meinte der Strategieberater.
Auch Europas Unternehmen kommen mit der fortschreitenden Globalisierung gut zurecht. Die europäischen Aktienmärkte entwickelten sich in den vergangenen Jahren besser als in den USA, europäische Unternehmen haben Wettbewerbsvorteile und in wichtigen Industrien auch einen Wachstumsvorsprung gegenüber der Konkurrenz aus Nordamerika oder Asien. "Vor allem in den Schlüsselbereichen Innovation und Effizienz liegen einige europäische Staaten deutlich vor den Vereinigten Staaten. Wir sehen auch in einigen wesentlichen Industrien, wie beispielsweise Telekommunikation, Öl & Gas oder der Automobilherstellung, einen deutlichen Wachstumsvorsprung gegenüber den USA und Japan."
Schwächen bei Wachstum, Profitabilität und Kapitalisierung
Neben den Erfolgsgeschichten verwies Schwenker auch auf die Schwächen Europas. Beim Wirtschaftswachstum hinkt die EU seit Jahren hinterher, vor allem die großen Mitgliedstaaten drücken den Schnitt nach unten. Europäische Unternehmen haben auch ein Problem hinsichtlich Profitabilität und Kapitalisierung und politisch musste die Union einige schwere Rückschläge verkraften. "Politisch passiert derzeit einfach viel zu wenig", sagte Schwenker.
Neue EU Staaten als Wachstumstreiber
"Mittel- und Osteuropa ist zum Wachstumszentrum der EU geworden - und das wird auch so bleiben. Diese Staaten verfügen über gut ausgebildete Arbeitskräfte und ein ausgezeichnetes Verhältnis von Arbeitskosten und Produktivität", erklärte der Roland Berger CEO. Ausländische Direktinvestitionen der vergangenen Jahre in der Region und hohe Investitionsquoten modernisieren den Kapitalstock und transferieren Wissen. "Das ist die Basis für künftigen Wohlstand. Die Kaufkraft in den neuen EU-Staaten wächst rapide und der Trend wird weiter anhalten", so Schwenker. So werden die real verfügbaren Einkommen in Tschechien bis 2010 um 2,6% pro Jahr wachsen, in Ungarn um 5,5% und in Polen um 4,1%.
Der strukturelle Aufholprozess der Mittel- und Osteuropäischen Staaten wurde durch den Beitritt zu verfestigt und wird sich in den kommenden zehn Jahren weiter fortsetzen. Die Region bietet mittelfristig klare Vorteile als Produktionsstandort und wird sich als attraktiver Heimmarkt etablieren.
Mitteleuropa 2016 Wirtschaftsmotor der Union
Einen Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des zentraleuropäischen Raums gab der Österreich- und Osteuropa-Chef von Roland Berger, Manfred Reichl: "Die Region dürfte künftig in einigen Sektoren von regionalen Konzernen dominiert werden, etwa im Tourismus, im Öl- und Gassektor, im Bau- und auch Bankensektor, auch Chemie. Denn mitteleuropäische Konzerne hatten ursprünglich Ambitionen in Westeuropa erfolgreich zu sein. Dies hat sich grundlegend geändert. Die CEE Unternehmen sehen wenig Sinn in das reife und für Markteinstiege kapitalschwacher Unternehmen wenig interessante Westeuropa zu gehen. Sie bauen lieber ihre Aktivitäten innerhalb der Region aus. Da sind sie willkommen, können günstiger investieren und haben höheres Wachstum."
Auch der Einfluss Russlands in der Region wird in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich wachsen. Die Aufregung um Gazprom war hier nun ein Vorgeplänkel. Als weitere Herausforderung für Mitteleuropa sah Reichl die Versuche, einen Ausgleich mit China und Indien zu finden. "Der günstige Produktionsstandort und die neuen Märkte geben Europa wenigstens eine Atempause in der Auseinandersetzung mit Asien. Doch vor allem in den Bereichen Forschung und Bildung wird auf Europa noch einiges zukommen", schloss Reichl.
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, zählt zu den weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 32 Büros in 23 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Mehr als 1.700 Mitarbeiter haben im Jahr 2005 einen Honorarumsatz von rund 550 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 130 Partnern. Seit 2000 ist Roland Berger Strategy Consultants mit einem Büro in Warschau vertreten.
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