Aus SAP A1S wird SAP Business ByDesign
Massive Investitionen in ein stark steigendes Marktsegment
Ismaning (pts031/20.09.2007/14:15) * SAP zeigt das neue SAP Business ByDesign live mit Kunden
* Neues SaaS-Produkt und -Geschäftsmodell wird den Business Software Markt revolutionieren
* Fragen zu Verfügbarkeit, Customizing und Partner-Modellen bleiben noch offen
Background
Bei dem früher mit dem Codenamen "A1S" bezeichneten neuen SAP-Produkt handelt es sich um eine integrierte ERP-Lösung für den Mittelstand, die primär im "On-Demand"-Modell angeboten werden soll. Nachdem SAP zu Anfang des Jahres (CeBit, SAPphire) unklar und teilweise widersprüchlich kommuniziert hatte, erfolgt jetzt eine groß angelegte Offensive mit einem internationalen Launch in New York. Die folgende Analyse beurteilt das Announcement und das SAP Business ByDesign Produkt aus Markt- und Analystensicht.
SAP Business ByDesign Angebot und Verfügbarkeit
SAP bietet die komplette On-Demand-Lösung inklusive Maintenance und Support für einen Preis von monatlich $ 149 pro Anwender an, wobei mind. 25 Lizenzen erworben werden müssen. Für Anwender, die nur Basis-Funktionalitäten nutzen, existiert ein Angebot in 5-er Paketen für $ 54 pro Monat. Die Lösung kann über ein spezielles Portal vom Kunden vorab auf die eigenen Bedürfnisse angepasst und getestet werden.
Das herausragende Merkmal der neuen Lösung ist neben dem Delivery Modell und der stark vereinfachten Konfiguration die starke Integration der einzelnen Bestandteile Financial Management, HR, CRM, SRM, SCM, Project Management, Compliance Management und Executive Management Support. Dabei kann der Kunde über das Portal auswählen, welche dieser Bestandteile er sofort nutzt und welche entfallen bzw. später hinzugenommen werden.
Obwohl SAP schon 20 offizielle Kunden hat und diese sich auf der Veranstaltung sehr positiv äußerten, gibt SAP keinen Termin zur "General Availability" an.
Marktprognose
Das "Software On Demand"-Modell ist zunächst 2000/2001 unter dem Namen ASP (Application Service Providing) extrem gescheitert. Aus heutiger Sicht waren zu diesem Zeitpunkt weder die angebotenen Services noch der Anwender-Markt reif für diese Innovation. Dies hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Speziell entwickelte Produkte (z.B. salesforce.com, SugarCRM, ...) zeigen, dass das jetzt SaaS (Software-as-a-Service) genannte Modell möglich ist; auch die Affinität der Anwender in Deutschland gegenüber diesen Art von Lösungen ist deutlich größer geworden. Allerdings wird das Gesamtvolumen des SaaS-Marktes in Deutschland 2007 nach Schätzungen der Experton Group nur ca. EUR 270 Mio. betragen. Zum Vergleich: der Software-Gesamtmarkt beträgt derzeit EUR 18,8 Mrd. Was diesen Markt jedoch interessant macht, ist das enorme Wachstumspotential. Selbst mit sehr konservativen Annahmen liegt das Wachstum pro Jahr bei ca. 30% - ein phantastischer Wert im heutigen IT-Markt. Falls das neue SAP Produkt in der versprochenen Qualität zeitnah verfügbar wird, kann dieser Wert sogar noch nach oben korrigiert werden.
Für das Engagement der SAP ist natürlich der globale SaaS-Markt und dabei insbesondere das ERP-Segment (sowie im Ergebnis auch das CRM-Segment) interessant. Auch hier ist das Marktwachstum enorm: Der ERP-SaaS-Markt wächst von USD 138 Mio. auf USD 1.256 Mio. im Jahr 2010.
Die SAP adressiert mit SAP Business ByDesign zunächst nur den selbst definierten Mittelstand von 100 bis 500 Mitarbeitern, welcher wiederum nur ca. 30% des Gesamtmarktes ausmacht. Das Modell ist aber grundsätzlich für alle Marktsegmente interessant. SAP gibt an, mit dem Produkt einen Markt von USD 15 Mrd. weltweit zu adressieren. Dies erklärt sich daraus, dass damit der gesamte Business Software Markt (ERP, CRM, SCM, ...), unabhängig vom Delivery-Modell (on Demand / on Premise) definiert wird. SAP gibt als Ziel für 2010 ca. 10.000 SAP Business ByDesign Kunden an, was als sehr konservative und in keinem Verhältnis zum betriebenen Aufwand stehende Zielsetzung beurteilt werden muss. Falls die Strategie von SAP tatsächlich aufgeht und das Produkt in der dargestellten Form kurzfristig verfügbar wird, sind als Ziel ca. 20.000 neue Kunden anzusetzen, was für SAP ca. USD 1 Mrd. zusätzliches Umsatzpotential darstellt.
Technologie
Es muss an dieser Stelle zunächst betont werden, dass eine SaaS-Software wesentlich anders designt und entwickelt werden muss als eine "On-Premise" Software. Dies zeigen u.a. die Erfahrung des CRM Marktes und hier der direkte Vergleich zwischen salesforce.com und Siebel. SAP hat deshalb nicht - wie andere - ein bestehendes Produkt "on-demand-fähig" gemacht, sondern ein komplett neues Projekt aufgesetzt. Dabei wurden natürlich in schon existierenden Produkten bestehende Funktionalitäten genutzt und insgesamt eine service-orientierte Architektur zu Grunde gelegt. Aber auch eine einfache Übernahme der bestehenden Funktionalitäten in das neue Produkt hätte nicht funktioniert. Vielmehr muss das System regel- und modell-basiert sein und die Komplexität der Möglichkeiten muss in der Software abgebildet und nicht dem Kunden überlassen werden.
SAP Business ByDesign ist somit für SAP das erste Produkt, welches von Anfang an konsequent auf Basis der Netweaver Architektur entwickelt wurde. Weiterhin wurden an einigen Stellen aktuelle Web2.0 Funktionalitäten integriert.
Der Mittelstand ist normalerweise nicht dafür prädestiniert, neue Technologien einzusetzen, und gilt nicht als Early Adopter; gleichzeitig ist aber auch im Mittelstand ein starker Trend zu erkennen, das Hosting von SAP-Anwendungen an Outsourcer abzugeben. Hier muss SAP als Vorreiter das Vertrauen schaffen und den Beweis erbringen, dass sie in der Lage sind, den Spagat zwischen Vielfalt, Anpassung und Standard einer On-Demand bzw. SaaS Lösung zu beherrschen.
SAP definiert als Zielmarkt "schnell wachsende Mittelstandsfirmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern" und gerade für diese ist eine solche Lösung optimal, aber die Ankündigung lässt dabei Fragen offen wie "was mache ich danach"; ebenso wenig wird auf die genauere Positionierung von SAP Business One und SAP Business All-in-One bzw. Migrationmöglichkeiten eingegangen.
Partner
Die Partnerlandschaft ist eines der wichtigsten Erfolgskriterien für SAP Business ByDesign und damit auch ein kritischer Faktor der SAP-Strategie.
Grundsätzlich müssen zwei verschiedene Arten von Delivery-Partnern unterschieden werden; hinzu kommt noch eine neue Form von Vertriebspartnern und -wegen.
* Implementierungs-Partner
Der bisherige Erfolg von SAP steht in engem Zusammenhang mit der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Implementierungspartnern. Obwohl SAP mittlerweile selbst einen relativ hohen Service-Anteil hat, haben die existierenden Partner der SAP immer noch sehr gut mit den spezifischen Dienstleistungen (u.a. Customizing, Migrationen, ...) verdient. Die Metriken werden sich beim SAP Business ByDesign Modell grundsätzlich ändern, und es ist fraglich, ob und für welche Partner die "neuen" Dienstleistungen attraktiv sind, da der Mittelstand sehr kritisch auf die Kosten für Geschäftsprozessanalyse und kundenspezifische Anpassungen reagiert. Neben solchen kundenspezifischen Anpassungen sind auch die Release-Fähigkeit, die Integrationsmöglichkeiten und die Branchenausrichtung wichtige Themen, die noch detaillierter adressiert werden müssen.
* Hosting-Partner
Schon heute hat SAP eine Vielzahl von Hosting-Partnern, die die Felder von Basis-Hosting bis hin zu Application Lifecycle Management abdecken. Im SaaS-Modell ist das Hosting natürlich eine zentrale und besonders wichtige Komponente. Es ist zu erwarten, dass SAP das Business ByDesign Hosting - fast ausschließlich aus strategischen, nicht aus monetären Gründen - zunächst komplett selbst oder mit einem einzigen Hosting Partner im Hintergrund übernimmt und erst nach der Anlaufphase an weitere Partner abgibt.
* (Weitere) Vertriebs-Partner
Diese neue Art von Partnern ist nicht wie bisher "implementierungs-getrieben", sondern vielmehr "vertriebs-getrieben" und ähnelt damit dem Reseller-Ansatz. In diesem Zusammenhang können auch z.B. Call Center und Strukturvertriebe einbezogen werden. Dies bedeutet sowohl für die Partner als auch für SAP ein vollkommen neues Vertriebsmodell.
Wettbewerber
Als Wettbewerber sind zunächst die im mittelständischen Segment agierenden ERP-Anbieter zu nennen. Hinzu kommen aber auch CRM- und klassische Financial Software Anbieter. Von den derzeit nennenswerten Wettbewerbern bietet im ERP-Umfeld keiner und im CRM-Umfeld nur salesforce.com eine annähernd vergleichbare Lösung an. Eine voll integrierte On-Demand Business Software bietet niemand. Sollte SAP Business ByDesign kurzfristig wie erwartet von den Anwendern angenommen werden, werden alle bestehenden Business Software Anbieter in diesem Segment unter erheblichen Druck geraten.
Stärken/Schwächen-Analyse
SAP hat grundsätzlich eine extrem starke Marktstellung im globalen ERP-Markt und erreicht bei bestehenden Kunden des oberen Mittelstandes und bei Großkunden auch sehr hohe Zufriedenheitswerte.
Das Konzept bzw. das Produkt SAP Business ByDesign ist faszinierend und adressiert einen aktuellen Bedarf der mittelständischen Anwender an einer hoch integrierten, einfach zu implementierenden und kostengünstigen Business Software. Das On-Demand-Modell ist dabei eine logische Lieferform.
Im Mittelstandsmarkt (unterhalb der erfolgreichen SAP Business All-in-One (A1) Lösung) müssen aber alle bisherigen SAP-Initiativen im Ergebnis als gescheitert angesehen werden, obwohl sich SAP weiterhin standhaft als "SME Market Leader" bezeichnet. Mit Business-One (B1) wurde versucht, mit einem vergleichbaren Produkt den etablierten Anbietern in diesem Markt (Sage, Microsoft Dynamics NAV, aber auch viele kleinere, lokale ERP-Anbieter) entgegenzutreten. Hier fehlten aber insbesondere ein branchenspezifisches Lösungsangebot und auch eine schlagkräftige Partner-Basis. Daher ist die Strategie von SAP, dem Mittelstandsmarkt mit einem völlig neuen Konzept anzugehen, auch nahe liegend. Dabei bleiben aber einige Fragen offen und Herausforderungen bestehen:
* Der Anwenderbedarf im Mittelstand unterteilt sich in einen horizontal und vertikal orientierten Markt. Einige Branchensegmente benötigen eine eher allgemeine ERP-Software (und haben eine solche bisher zum Teil auch noch gar nicht im Einsatz), andere Segmente sind bis auf Micro-Vertical-Ebene stark spezialisiert (u.a. im Bereich Handel). In den stark spezialisierten Branchensegmenten muss damit auch die ERP-Lösung stark spezialisiert sein, was bei einer Neuentwicklung natürlich noch nicht gegeben ist. Der SAP-Ansatz, solche spezifischen Funktionalitäten über "Services" nach und nach bereitzustellen, ist zwar richtig, braucht aber viel Zeit. Es bleibt auch offen, wer die Entwicklung dieser Services stark vorantreibt.
* Übergreifend haben die Anwender Bedarf an einer gewissen Art von Customizing und zumindest an einer soliden Übernahme der Bestandsdaten und bestehenden Systeme. Wie dies in einer ERP-SaaS-Lösung, natürlich mit Partnern, gewährleistet wird, ist noch relativ unklar.
* Die tatsächliche Verfügbarkeit von SAP Business ByDesign für den Gesamtmarkt ist weiterhin offen. Die Antwort von SAP, hier noch auf "akzeptable Profit Schemes" zu warten, ist unbefriedigend. Vielmehr steht wohl dahinter, dass einige technische Probleme (vor allem bzgl. der Skalierbarkeit) noch nicht gelöst sind und insbesondere die Partner- und Vertriebs-Strategie noch nicht steht.
Experton Group Meinung
Das SAP Business ByDesign Announcement ist in erster Linie aus strategischer Sicht für SAP und den gesamten Business Software Markt zu beurteilen. SAP investiert hier massiv in einen stark wachsenden Zukunftsmarkt, ohne dass kurzfristig (2008/2009) wirklich signifikante Umsatzanteile aus der Gesamtsicht der SAP zu erzielen sind. Die Erfolge werden sich daher weniger in 2007/2008, sondern erst ab 2009 zeigen. Das Besondere an der Initiative ist, dass der Marktführer die Rolle des Innovators und damit des Market Makers übernimmt. Sollte SAP damit Erfolg haben, wird dies im Software-Markt zu einem Paradigmenwechsel führen und SAP einen deutlichen Zeitvorsprung und damit signifikante, nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Bis dahin muss SAP aber noch einige Herausforderungen meistern; hierzu gehören insbesondere das Customizing/Vertikalisierung und die Partner-/Vertriebs-Strategie. Auch muss SAP die Ziele langfristig verfolgen, massiv investieren und sich nicht durch eventuelle Verzögerungen oder vermeintliche Misserfolge irritieren lassen. SAP hat zwar beim Wechsel von R/2 auf R/3 schon einmal einen Paradigmenwechsel (insbesondere bzgl. der Kunden- und Partnerbasis) erfolgreich durchgezogen, bei der SAP Business ByDesign Initiative handelt es sich aber um eine ungleich größere Herausforderung.
Zitat Andreas Zilch, Experton Group Lead Advisor:
"Konzept und Produkt sind absolut beeindruckend und treffen den Bedarf der Anwender. Damit wird sich dieses Konzept zumindest mittelfristig durchsetzen und einen Paradigmenwechsel im Segment der Business Software einläuten. Enttäuschend ist allerdings, dass SAP bei einem solch großen Announcement keine festen Verfügbarkeitsdaten nennen kann; hier zeigt sich die noch immer bestehende Verunsicherung innerhalb von SAP. Wenn SAP aber die noch notwendigen Schritte konsequent durchsetzt, werden die Wettbewerber in diesem Markt massiv unter Druck geraten."
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