Amtswillkür und Rechtsbeugung bei der Arbeitsagentur
Abzocke und unverhältnismäßiges Vorgehen - Eigeninitiative wird bestraft
Stuttgart (pts020/21.04.2009/11:31) Ein ehemaliger Leistungsempfänger von ALG I reicht beim Amtsgericht Stuttgart Strafantrag gegen Mitarbeiter der Arbeitsagentur Stuttgart ein. Dass Leistungsempfänger gegen Bescheide der Arbeitsagentur Widerspruch einlegen, ist nichts Außergewöhnliches. Nun hat ein ehemaliger Leistungsempfänger von ALG I jedoch eine Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter der Arbeitsagentur Stuttgart wegen Amtswillkür, Rechtsbeugung, Datenschutzverletzung, Verleumdung und übler Nachrede eingereicht. Da die vorgesetzten Stellen in Stuttgart trotz eingereichter Fachaufsichtsbeschwerde und Dienstaufsichtsbeschwerde dem Treiben des Beamten tatenlos zugesehen haben, werden weitere Anzeigen gegen die jeweiligen Vorgesetzten folgen.
Es scheint so, als hätte so mancher Mitarbeiter der Arbeitsagentur in Stuttgart zu wenig Arbeit. Die Reformen der Sozialgesetze im Sinne von "Fördern und Fordern" kehren sich in eine pauschale Kriminalisierung der Bevölkerung um. Die Methodik "Rasterfahndung" macht jeden zum potentiellen Leistungsbetrüger und Schwarzarbeiter. Den Mitarbeitern fehlt es an Lebensnähe und natürlichem Menschenverstand.
Dies ruft bei einem ehemaligen Leistungsempfänger in Stuttgart Kopfschütteln und Wut hervor. Nachdem er sich im Januar 2008 arbeitslos gemeldet hatte, wurde ihm bereits beim ersten Beratungsgespräch mitgeteilt, dass es für seine Qualifikation und Tätigkeit in absehbarer Zeit keine offenen Stellen geben wird. Einzig und allein diverse Weiterbildungsmaßnahmen und Bewerbungstrainings könne man dem 40-jährigen anbieten. Aufgrund seiner Ausbildung und speziellen Zertifizierungen sowie der langjährigen Berufserfahrung, verließ sich der Stuttgarter nicht auf die Vermittlung durch die Arbeitsagentur Stuttgart und konnte durch eigenes Engagement nach nur zweieinhalb Monaten eine neue Festanstellung antreten. Dem einstigen Arbeitslosen war es sogar egal, dass das Einkommen in dieser neuen Beschäftigung unter dem Anspruch auf das bisher bezogene Arbeitslosengeld liegt. "Die Zeiten werden bald besser", dachte sich der Stuttgarter und war zufrieden, nicht mehr der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen.
Der Arbeitsvertrag bei seinem neuen Arbeitgeber wurde am Montag den 17.03.2008 unterzeichnet. Umgehend nach Feierabend wurde die Arbeitsaufnahme der Arbeitsagentur Stuttgart per Fax mitgeteilt. Am nächsten Morgen zur Sicherheit noch in den Briefkasten eingeworfen. Das Arbeitslosengeld für März wurde ohne zu Zögern zurückbezahlt. Monate nach Aufnahme der Arbeit meldete sich die Arbeitsagentur mit einem Schreiben, indem sie mitteilte, man solle prüfen, ob die Arbeit nicht schon 2 Tage früher als gemeldet aufgenommen wurde.
Was war passiert: Die Agentur für Arbeit hatte einer Rasterfahndung gleichkommend einen Datenabgleich durchgeführt. Dabei kam heraus, dass der neue Arbeitgeber als Eintrittstermin gegenüber der Sozialversicherung den vorausgegangenen Samstag (15.03.2008) gemeldet hatte. Der ehemalige Leistungsempfänger hatte dies nicht bedacht. Ein Blick in den Arbeitsvertrag bestätigte die Vermutung der Arbeitsagentur. Ungewöhnlich, dass der Arbeitgeber für ein Wochenende vor eigentlichem erstmaligem Arbeitsantritt Sozialversicherungsbeiträge entrichtete. Aber so war es wohl. Das Geld für die beiden Tage, Samstag und Sonntag, in Höhe von 100 Euro wurde umgehend zurückgezahlt. Es soll ja alles seine Ordnung haben, dachte der Stuttgarter.
Bis ihn eines weiteren Tages im Herbst plötzlich der Schlag trifft: Ein Schreiben der Arbeitsagentur - Ermittlungsverfahren wegen Leistungsbetrug in Höhe von 800 Euro für den halben Monat März.
Der Vorwurf: Verspätete Abmeldung nach § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III und § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Nicht hinsichtlich der zwei Tage, sondern für den gesamten Zeitraum. Der Stuttgarter erklärte schriftlich die Sachlage, und dass alles Geld zurückgezahlt sei und forderte die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Die Arbeitsagentur hat es jedoch vorgezogen, den Stuttgarter weiterhin als kriminell zu betrachten und den Aussagen und Tatsachen keinen Glauben zu schenken. Die Arbeitsagentur forderte ohne bestehende Rechtsgrundlage und trotz der Äußerungen des Stuttgarters weitere Daten bei dem neuen Arbeitgeber an, der in dieser Sache ein unbeteiligter Dritter ist. Jetzt musste der ehemalige Arbeitslose sich nicht nur der Arbeitsagentur gegenüber verteidigen, sondern stand auch noch bei seinem neuen Arbeitgeber in denkbar schlechtem Licht da.
Der Stuttgarter wehrte sich gegen diesen Verstoß gegen das Datenschutzrecht. Widersprüche und Schreiben an die jeweiligen Vorgesetzten und die Datenschutzbeauftragten des Bundes führten zu höflichen Floskeln aber nicht zur Einstellung des Verfahrens. Trotz Fachaufsichtsbeschwerde wurde das Verfahren vom gleichen Sachbearbeiter weitergeführt. Dieser erließ einen Bußgeldbescheid über 210 Euro und erklärte dem Stuttgarter, dass dies angemessen und erforderlich sei, und der Schwere der Tat entspreche.
Es ist unglaublich aber wahr: Aus 100 Euro werden 210 Euro Bußgeld, was einer Verzinsung von über 300 %/p.a. entspricht. Dabei blieb der Sachbearbeiter wohlweislich unter dem Betrag von 250 Euro, bei welchem erforderlich wäre, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Festsetzung eines Bußgeldes zu beachten. Der Hinweis auf § 17 Abs. 4 OWiG (lediglich Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils) ignorierte der Sachbearbeiter.
Stattdessen vergaß er nicht, darauf hinzuweisen, dass bei Weiterführung der Sache vor Gericht mit erheblich höheren Kosten zu rechnen sei.
Tatsächlich, so erklärte ein Rechtsanwalt, könnte ein derartiges Gerichtsverfahren am Amtsgericht etwa 1.000 Euro kosten. Und der Rechtsanwalt erklärte noch mehr: Die Bußgelder, die aufgrund dieser Rechtsnorm erhoben werden, kommen einzig und allein der eintreibenden Stelle zu Gute (§ 405 SGB III). Sie werden nicht, wie es sonst im Bußgeldverfahren üblich ist, an gemeinnützige und anerkannte Sozialprojekte verteilt. Aus diesem Grund handeln die Arbeitsagenturen erpresserisch, weil den Betroffenen, in Anbetracht der im Raum stehenden Kosten für eine Vertretung vor Gericht, nichts anderes übrig bleibt als das Bußgeld zu zahlen.
Das Verfahren bei dem Stuttgarter wird voraussichtlich am 29.04.2009 an das Amtsgericht abgegeben. Danach wird es einen Termin für eine Verhandlung geben. Auch der Stuttgarter hat kein Geld, sich anwaltlich vertreten zu lassen.
Kurze Zusammenfassung:
* Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter wissentlicher Angabe von falschen Daten /Rasterfahndung
* Trotz Richtigstellung Aufrechterhaltung des Ermittlungsverfahrens
* massive Datenschutzverletzung durch Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gegenüber dem Arbeitgeber (unbeteiligter Dritter)
* fortgesetzte Rechtsbeugung durch Ignorieren der vorgebrachten Tatsachen
* Rechtsverstöße bei der Erhebung von Bußgeldern
* vorsätzliche Zufügung eines wirtschaftlichen Schadens
* Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
Autor und Pressekontakt:
Jo Schwarz, freier Journalist
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