pts20091105021 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

Betriebliche Altersvorsorge: Österreichische Regierung handelt fahrlässig


Wien (pts021/05.11.2009/11:20) Nach einem Jahr noch immer keine Novelle des Pensionskassengesetzes, Experten warnen vor Kippen der zweiten Säule

Anfang des Jahres wurde eine Expertenrunde zur Sanierung des österreichischen Pensionskassengesetzes installiert. Seither ist außer Ankündigungen nichts passiert. Die Zukunft der Pensionskassen ist nach wie vor rechtlich nicht abgesichert. Wichtige Themen wie Mindestertrag, Flexibilisierung der Veranlagungsausrichtungen, flexible Beitragswidmung oder steuerliche Anreize für Neueinsteiger sind völlig offen. Das in Österreich ohnehin schwach entwickelte System der betrieblichen Altersvorsorge wird durch das entstandene Rechtsvakuum weiter geschwächt. Experten der auf betriebliche Altersvorsorge spezialisierten Consultingunternehmen Mercer (Austria) und Watson Wyatt (Austria) fordern eindringlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um das Pensionskassensystem attraktiver zu machen. Das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge wird sonst weiter schwinden. Ein Kippen der zweiten Säule wird befürchtet.

Wo bleibt die Novelle des Pensionskassengesetzes? Die Anfang des Jahres von der damals neuen Regierung ins Leben gerufene Expertengruppe bestehend aus Sozialpartnern und Vertretern aus Wirtschafts- und Arbeiterkammer hat bis heute nichts Konkretes von sich hören lassen. Der für Juni 2009 angekündigte finale Gesetzesentwurf liegt bis heute nicht vor. Nicht nachvollziehbar ist, dass Zwischenrufe von einzelnen Interessensgruppen - Stichwort Kapitalabfindung für Pensionsbezieher - zum Stillstand der gesamten Diskussion über die Novelle führten. Damit verhindern einseitige Forderungen die längst notwendige Reform.

Pensionskassenexperten sehen diese (Nicht-)Entwicklung mit großer Sorge. Josef Papousek und Mag. Michaela Plank von Mercer (Austria) sowie Mag. Gerald Moritz von Watson Wyatt (Austria), zwei auf betriebliche Altersvorsorge (BAV) spezialisierte Consultingunternehmen, gehen beim Beibehalten des laschen Vorgehens davon aus, dass frühestens 2011 ein neues Pensionskassengesetz in Kraft treten wird. "Wertvolle Zeit zur Festigung der zweiten Säule, die in Österreich ohnehin noch sehr unterentwickelt ist, wurde vertan. Gerade in Krisenzeiten wäre es wichtig, dass Unternehmer genauso wie Anwartschaftsberechtigte rechtliche und steuerliche Anreize zur Investition in die betriebliche Altersvorsorge erhalten. Stillstand und Herumlavieren sind Gift für das gesamte Pensionssystem", sind sich die Experten einig.

Reformbedarf in vielen Bereichen

Durch das Stocken der Novelle werden dringend fällige Reformen am bestehenden Pensionskassengesetz nicht in Angriff genommen. Besonders Änderungen in folgenden Punkten sind aus Expertensicht essentiell für den Fortbestand der BAV in Österreich:

Garantien
Pensionskassen sind nicht auf Garantieprodukte ausgerichtet. Mit der betrieblichen Kollektivversicherung (BKV) gibt es bereits ein Produkt am Markt, das Garantien bietet. Die angedachte Einführung von Garantien auch bei den Pensionskassen bringt für die Anleger keine Vorteile.

Senkung des Rechnungszinses für Neueintritte in alte Verträge
Derzeit werden für Neueintritte nicht mehr marktkonforme Parameter zugrunde gelegt.

Flexibilisierung der Veranlagung
Erlauben von mehreren Veranlagungsstrategien je Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (VRG) analog zu den Lebensphasen sowie die Wahlmöglichkeit der Veranlagungsstrategie je nach individueller Risikoeinschätzung. Also mehr Risiko für junge, mehr Sicherheit für ältere Pensionskassenkunden zur Sicherung der Beiträge. Andere Länder leben diese Flexibilität bereits vor, warum wird die Umsetzung bei uns als problematisch gesehen?

Mehr Entscheidungsspielraum
Dem Einzelnen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, nach persönlicher Risikoeinschätzung die Wahl des Altersvorsorgeinstruments (Pensionskasse oder BKV) selbst zu treffen.

Mehr Transparenz
Je höher die Kosten der Veranlagung (Management Fee), desto belastender für die Performance. Es fehlen präzise Kontrollmechanismen (etwa durch die Österreichische Kontrollbank im Rahmen der Performanceberechnung) und transparente Kostenstrukturen.

Verlängerung der steuerlich begünstigten Übertragungsmöglichkeit
Die steuerliche Begünstigung von Übertragungen aus direkten Leistungszusagen in die Pensionskassen bzw. BKV läuft mit 31.12.2010 aus. Die Frist muss dringend verlängert werden, um Neuzugänge ins Pensionskassensystem attraktiv zu machen.

Flexiblere Gestaltung von Arbeitgeberbeiträgen - Gehaltsumwandlungsmodelle
Es fehlt die Möglichkeit der flexiblen Beitragsgestaltung und Umwandlung von Prämien und Gehältern in Pensionskassenbeiträge. Als erfolgreiches Vorbild sollte das als "Deferred Compensation" bezeichnete Modell in Deutschland dienen.

Begünstige Besteuerung von Arbeitnehmerbeiträgen
Es trägt nicht zur Stärkung der zweiten Säule bei, wenn Arbeitnehmerbeiträge vor der Einzahlung in die Pensionskasse zu versteuern sind. Sinnvoll wäre eine Einzahlung aus dem Brutto analog zu den Arbeitgeberbeiträgen.

"Österreich liegt bei der Verbreitung der BAV im Europavergleich (siehe beiliegende Grafik) an letzter Stelle. 2008 hatten lediglich 14 Prozent der Arbeitnehmer eine Pensionskassenlösung (2007: 13 Prozent). Mit der Verschleppung der Novelle wird die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge praktisch verhindert. Unternehmen, die eine neue Pensionskassenlösung geplant haben warten derzeit ab, bis ein neues Gesetz definiert wurde. Wir rechnen nicht vor 1.1.2011 mit dessen Inkrafttreten. Somit werden insgesamt zwei Jahre vergeudet, die gerade in Krisenzeiten zur Stärkung der zweiten Säule verwendet werden müssten. Die Regierung soll endlich langfristig stabile Rahmenbedingungen schaffen. Es rächt sich sowohl in der ersten als auch in der zweiten Säule, wenn man nur kurzfristige populistische Maßnahmen setzt", so Michaela Plank.

Gerald Moritz dazu abschließend: "Es wird endlich Zeit, die Reform des Pensionskassensystems von der Tagespolitik abzukoppeln. Zu wichtig ist das Thema, das über die zukünftige finanzielle Situation von hunderttausenden Österreichern entscheidet. Kippt die zweite Säule, sehen wir als Experten die Gefahr einer Pensionsarmut in Österreich. Dem Gesetzgeber scheint die Brisanz des Themas nicht gegenwärtig. Wenn doch, dann handelt er fahrlässig. Es bedarf einer raschen Reform, die positive Impulse bringt und das Pensionskassensystem stark und attraktiv macht."

Informationen zu Mercer:
Mercer (http://www.mercer.com) ist mit 18.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern tätig und bietet weltweit integrierte Lösungen für das Personal- und Finanzmanagement. Rund um den Globus führt Mercer jährlich über 600 Studien zu Vergütung, betrieblichen Nebenleistungen und zu Auslandsentsendungen durch. Mercer (Austria) GmbH ist für österreichische Konzerne das Portal in die weltweit führende Human Ressource-Beratung von Mercer. Die Experten vor Ort verbinden globale Expertise mit effektiver Unterstützung bei allen landesspezifischen Fragen und Chancen und Länder- bzw. marktspezifische Beratungsleistungen auf der Grundlage von vernetztem Know-how.

Informationen zu Watson Wyatt:
Watson Wyatt (http://www.watsonwyatt.com) ist der Partner für weltweit führende Unternehmen bei allen Themen des Human Ressource- und Finanzmanagements. Watson Wyatt Worldwide beschäftigt mehr als 7.700 MitarbeiterInnen in über 32 Ländern. Das Büro in Österreich besteht seit mehr als 16 Jahren und zählt aufgrund der langjährigen Erfahrung zu den führenden auf betriebliche Altersvorsorge spezialisierten Beratungsunternehmen am österreichischen Markt. Die Berater vor Ort verbinden spezielles Know-how mit vielfältiger praktischer Erfahrung und arbeiten nach dem Grundsatz, jederzeit unabhängig und objektiv zu agieren und gemeinsam mit den, sowohl national als auch international tätigen Kunden, die jeweils optimale Lösung zu erarbeiten.

Kontakt:

Mercer (Austria) GmbH
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 11-13
Tel. 01/533 97 66-0
josef.papousek@mercer.com, michaela.plank@mercer.com

Watson Wyatt (Austria) GmbH
1060 Wien, Mariahilfer Straße 103/2/44
Tel. 01/715 94 74
gerald.moritz@watsonwyatt.com

Pressekontakt:
Agentur comm*in
Mag. Andrea Pfennigbauer
a.pfennigbauer@commin.at
Tel. 01/3194101-15

(Ende)
Aussender: pts - Presseinformation (A)
Ansprechpartner: Mag. Andrea Pfennigbauer
Tel.: 01/3194101-15
E-Mail: a.pfennigbauer@commin.at
|