pte20110901011 Medien/Kommunikation, Forschung/Entwicklung

Akademische Verlage wenden Mafia-Methoden an

Medienunternehmen machen Geschäft mit öffentlichem Wissen


Wissenschaft: An der Leine der Verlage (Foto: pixelio.de, M. Bührke)
Wissenschaft: An der Leine der Verlage (Foto: pixelio.de, M. Bührke)

Bielefeld (pte011/01.09.2011/10:00) Verlage, die sich auf die Publikation von wissenschaftlichen Texten spezialisiert haben, sind eine der letzten Medien-Inseln, die sich den Umwälzungen durch das Internet widersetzt haben. Wegen des verstaubten Geschäftsmodells können die wenigen Anbieter exorbitante Preise verlangen. "Das System geht langsam in die Knie. Mittlerweile fragen große US-Universitäten bei Verlagen um Preisnachlässe an, weil sie sich die Pakete nicht mehr leisten können", sagt Niels Taubert vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld http://www.uni-bielefeld.de im Gespräch mit pressetext.

Viel Geld für wenig Arbeit

"Das Geschäft mit wissenschaftlichen Publikationen befindet sich in den Händen von drei bis vier großen Anbietern, hinter denen meist Finanzinvestoren stehen. Die haben in den 80er- und 90er-Jahren die ganzen wissenschaftlichen Zeitschriften gekauft. Es herrschen oligopolartige Strukturen am Markt", erklärt Taubert. Im nicht-akademischen Verlagswesen hat das Internet die Verlage unter Druck gesetzt (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110829028 ). Das Geschäft mit wissenschaftlichen Publikationen hat sich aber nicht geändert. Wissenschaftliche Verlage bezahlen nichts für ihre Inhalte. Sie verkaufen oft mit öffentlichen Geldern erschlossenes Wissen an meist durch Steuergelder finanzierte Universitäten, die den Großteil der Kundschaft konstituieren.

"Das akademische Verlagswesen ist ein seltsames System. Die Autoren werden nicht bezahlt, die Lektoren auch nicht. In manchen Fällen müssen die Autoren sogar selber bezahlen. Trotzdem gehören akademische Publikationen zu den unerhört teuersten Stücken Literatur, die man kaufen kann. Das Geld, das für den Zugang ausgegeben wird, tut nichts außer ein totes Business-Modell zu perpetuieren", schrieb ein anonymer Netz-Anarchist, der kürzlich 18.000 Fachartikel der Plattform JSTOR zur freien Verfügung ins Internet stellte. Aaron Swartz, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ethik-Zentrums der Universität Harvard, wurde angeklagt, weil er sich in das Netzwerk der Universität gehackt und mehrere tausend wissenschaftliche Fachartikel heruntergeladen hatte. Auch unter Akademikern wächst also der Unmut.

Akademische Tradition

Die Probleme des akademischen Verlagssystems sind schon länger bekannt. Immer wieder gab es Open-Access-Initiativen, die freies Wissen für alle propagiert haben und das Monopol der Verlage zu brechen versuchten. Der Erfolg hält sich bisher in Grenzen. Der Grund liegt in der akademischen Tradition. Wer nicht in den richtigen Journalen publiziert, macht keine wissenschaftliche Karriere. Zudem bestehen die Universitäten oft auf Veröffentlichungen in gewissen Journalen. "Die akademischen Verlage haben sich unverzichtbar gemacht. Dieses System wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern, auch wenn die Politik und viele Wissenschaftler ein Interesse daran haben. Die Verlage haben sich in 20 Jahren eine Gelddruckmaschine geschaffen und davon gehen sie nicht runter", sagt Taubert.

(Ende)
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