pts20160216021 Medizin/Wellness, Politik/Recht

Immer mehr Strafanzeigen gegen Ärzte in Österreich

9. ARGE MED-Fachkongress: Experten diskutierten Strafrechtsnovelle und Schutz vor Haftungs-Klagen


Wien (pts021/16.02.2016/11:15) Zum neunten Mal trafen Ende Jänner die Experten des ARGE MED-Netzwerkes zusammen, um gesetzliche Änderungen im Strafrecht für Ärzte, Veränderungen bei den Schadenersatzforderungen gegen Mediziner und die jeweiligen Auswirkungen auf den Berufsstand zu diskutieren. Insgesamt wurde analysiert, dass die letzten Jahre einen massiven Anstieg der strafrechtlichen Anzeigen gegen Ärzte gebracht haben. Die Experten beobachten dabei ein nie zuvor gesehenes Anzeigeverhalten, um Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Klagen sind inzwischen ständiges Berufsrisiko. Betroffen sind zunehmend nicht nur freiberuflich tätige Ärzte, sondern besonders auch Spitalsärzte.

"Strafrecht ist die neue Haftpflicht", so Mag. Marcel Mittendorfer, Obmann der ARGE MED. Obwohl zum allergrößten Teil sehr ordentlich gearbeitet würde und erfolgreiche Klagen wegen Kunstfehlern selten sind, ergibt sich daraus für Ärzte noch kein 100%iger Schutz vor Patientenklagen. Aufgrund der neuen Anzeigepraxis sei neben der gesetzlich vorgeschriebenen Arzthaftpflichtversicherung ein spezieller beruflicher Strafrechtsschutz für Ärzte und Zahnärzte unverzichtbar, so die Experten. Denn die Kosten von strafrechtlichen Ermittlungen können rasch unangenehme bis untragbare Dimensionen annehmen. Zudem ist auch die rasche und professionelle Reaktionsmöglichkeit durch spezialisierte Anwälte - bis hin zur Medienarbeit und Aktivmaßnahmen gegen verleumderische Aussagen und Postings - entscheidend, um einer medialen "Vorverurteilung" vorzubeugen. "Wir raten Ärzten oder Zahnärzten dringend neben der Haftpflicht- auch zu einer Strafrechtsschutzversicherung, weil Anzeigen ebenso wie Klagen inzwischen typisches Berufsrisiko sind", so Mittendorfer.

Gefährliche Situation für angestellte Ärzte

Angestellte Ärzte wiegen sich oft in trügerischer Sicherheit, dass ihr Dienstgeber im Schadenfall immer für sie einstehen würde. Das ist aufgrund des Dienstnehmer-Haftpflichtgesetzes (DHG) schon bei Geldforderungen in dieser Form nicht richtig. Für Spitalsärzte ist zudem eine strafrechtliche Absicherung allenfalls sogar wichtiger als der eigene Haftpflichtschutz, da die strafrechtliche Haftung immer persönlich wirkt.

Dass eigene Strafverteidigungskosten vom Arbeitgeber übernommen würden, entspricht in keiner Weise der beobachteten Praxis. Aber auch der klassische Haftpflichtschutz gegen finanzielle Schadenersatzforderungen von Patienten sollte nicht vernachlässigt werden, auch wenn hier ein gewisser Schutz durch das Krankenhaus als Arbeitgeber besteht. Die Schadenssummen können inzwischen enorme Höhen erreichen und der Krankenhausträger ist in diesem Zusammenhang kein natürlicher Verbündete, sondern in manchen Situationen oft sogar ein zweiter Gegner. So errechnet sich die bisher höchste gegen einen rein angestellt tätigen Arzt gerichtete Haftpflichtforderung (angestellter Anästhesist) auf eine Schadenssumme von inzwischen fast acht Millionen Euro. Das Verfahren läuft noch.

Für die ARGE MED-Spezialisten gehören daher Absicherungen im Haftpflichtbereich bis zu zehn Millionen Euro inzwischen zum Standard. "Wir raten dringend, sich als Arzt gegen diese Berufsrisiken gut abzusichern. Die Kosten sind in Europa einzigartig niedrig. Ein potentiell existentielles Risiko selbst zu tragen ist wirtschaftlich nicht vernünftig."

Strafrechtsnovelle für Ärzte

Von der per 1.1.2016 in Kraft getretenen Strafrechtsreform wurde in den Medien vor allem hinsichtlich der Neuerungen beim Untreue-Tatbestand berichtet. Überschattet von diesen Wirtschaftskriminalitäts-Themen wurde jedoch - kaum beachtet - auch das Strafrecht für Angehörige von medizinischen Berufen grundlegend erneuert.

Die Strafrechtsnovelle brachte hier eine Erleichterung: leichte Fahrlässigkeit soll neu für Angehörige von Gesundheitsberufen - somit auch für Ärzte und Zahnärzte! - nicht mehr unter Strafandrohung stehen. Entsprechende Paragraphen wurden im Strafgesetzbuch geändert. Auf den § 84 StGB "Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen" setzen die neuen Bestimmungen jedoch eine neue Betonung, was für Ärzte unangenehme Auswirkungen haben kann, da dieser Tatbestand bisher für sich praktisch nie verfolgt wurde. Da es sich dabei um einen schwerwiegenden "Verbrechens"-Tatbestand handelt, trübt diese neue Betonung die insgesamt für den Ärzte-Berufsstand positive Gesetzesnovelle.

Auswirkungen der Novelle

Um die Auswirkungen der Strafrechtsnovelle für die Ärzte absehen zu können, muss eine Analyse der bisherigen strafrechtlichen Verfolgungs- und Anklagepraxis erfolgen. Hier hat die ARGE MED mit ihrer österreichweiten sachverständigen Tätigkeit einzigartiges Datenmaterial ausgewertet.

Ergebnis: Das strafrechtliche Spitzenrisiko hinsichtlich einer Anklage liegt bei den Beihilfetatbeständen zum Selbstmord, sowie beim Kassenbetrug, jeweils mit einem Strafrahmen von mehr als drei Jahren (Definition als "Verbrechen"). Hinsichtlich "Gerechtigkeit" wird diese neue Regelung wohl zweifelsohne in der Ärzteschaft als fairer wahrgenommen werden.

Hinsichtlich der Anzeigehäufigkeit werden nach Einschätzung der Experten die Auswirkungen eher gering sein. Wenn bisher eine Anzeige wegen (leicht fahrlässiger) Körperverletzung zu Ermittlungshandlungen geführt hat, wird zukünftig voraussichtlich eben wegen grober Fahrlässigkeit angezeigt.

Aus heutiger Sicht noch nicht absehbar ist die Handhabung durch die Krankenanstalten hinsichtlich Selbstanzeigen, so die Experten. Aber auch hier wird aus betrieblicher Vorsicht wohl im Zweifel weiterhin eine Untersuchung durch die Behörden veranlasst werden, wenn es zum Beispiel zum Todesfall am Operationstisch ("mors in tabula") oder ähnlichen schweren klinischen Vorfällen kommt.

Neu: Ehrenamtliche ärztliche Tätigkeiten prämienfrei versicherbar

Der ARGE MED-Kongress sorgte aber auch für eine sehr positive Nachricht für die vielen Ärzte und Zahnärzte, die im ehrenamtlichen Einsatz stehen. Diese Tätigkeiten könnten mit einer neuen Sonderregelung, die die ARGE MED mit einem Versicherer erreichen konnte, ohne Prämie mitversichert werden. Eine solche Regelung ist am Markt einzigartig. "Vereinzelt haben Anbieter im Vorjahr eine Erweiterung 'nur für die Flüchtlingsarbeit' propagiert, was aber an der viel breiteren Realität ärztlicher Ehrenamtlichkeit vorbeigeht. Ich bin froh, dass wir hier eine Komplettregelung für alle in Österreich ausgeübten ehrenamtlichen ärztlichen Tätigkeiten verwirklichen konnten", so Mittendorfer abschließend.

Informationen zur ARGE MED
Die ARGE MED ist ein fachübergreifendes Spezialisten-Netzwerk für die professionelle Beratung und Dienstleistung an Ärzten und Zahnärzten in Österreich. In enger Zusammenarbeit von spezialisierten Experten, insbesondere Steuerberatern, unabhängige Versicherungsmaklern und Rechtsanwälten, werden für den jeweiligen Klienten individuell die besten Lösungen am Markt ermittelt, und wo diese fehlen, eigene Spezialprodukte mit den führenden Versicherungsunternehmen entwickelt. Aufgrund der gewachsenen Komplexität und Anforderungen an den Arzt- und Zahnarztberuf können qualitativ hochwertige Ergebnisse und umfassende Risikoabsicherungen ohne spezialisierte Dienstleister nicht mehr gewährleistet werden. Die ARGE MED verknüpft und verstärkt daher die Effekte durch die Vernetzung dieser hochspezialisierten Dienstleister für Ärzte. Bereits zum neunten Mal fand heuer von 22. bis 24.1. 2016 der ARGE MED-Kongress, eine mehrtätige Tagung mit zahlreichen Experten-Diskussionen im Plenum, Workshops und Seminaren statt.

Rückfragehinweis:
Mag. Marcel Mittendorfer
Obmann ARGE MED / ARGE MedConsult
Tel.: +43/1/3702616
E-Mail: m.mittendorfer@verag.at
Web: http://www.arge-med.at

Pressekontakt:
Mag. Andrea Pfennigbauer
Agentur comm.in
Tel.: +43 (0)1-319 41 01 DW 15
Mobil: +43 676 377 0310
E-Mail: a.pfennigbauer@commin.at

(Ende)
Aussender: ARGE MED / ARGE MedConsult
Ansprechpartner: Mag. Marcel Mittendorfer
Tel.: +43/1/3702616
E-Mail: m.mittendorfer@verag.at
Website: www.arge-med.at
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