Umfrage: So werden Familie und Beruf für Kardiologen besser vereinbar
Ohne entsprechende Verbesserungen droht Versorgungs-Engpass
Berlin (pts003/14.10.2017/09:30) Die Einrichtung von betriebseigene Kinderkrippen und Kindertagesstätten in Krankenhäusern, die Bereitstellung flexibler, komplementärer Betreuungsangebote, eine elterngerechtere Organisation der Weiterbildung zum Facharzt oder zur Fachärztin für Kardiologie und eine Unterstützung und Beratung, vor allem für Mütter, wie sie Kinder, Weiterbildung, Karriere in der Kardiologie und Wissenschaft unter einen Hut bekommen können. Das sind die wesentlichen Lösungsansätze, die im Rahmen des Projekts "Familien in der Kardiologie" der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) auf Basis von Befragungsergebnissen identifiziert und bei den DGK-Herztagen in Berlin vorgestellt wurden.
Das Projekt soll für Kardiologinnen und Kardiologen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern helfen, so Prof. Dr. Klara Brixius, Vorsitzende der DGK-Projektgruppe, die sich mit der Vereinbarkeit von Familie und kardiologischer Tätigkeit beschäftigt: "Heute sind bereits eine deutliche Mehrheit von Studierenden der Medizin Frauen. Das hat auch Konsequenzen für die Weiterqualifizierung in Richtung Kardiologie. Wir müssen an den Rahmenbedingungen arbeiten, wie sich Beruf, Weiterqualifizierung und natürlich auch Wissenschaft besser mit Familie vereinbaren lassen, um sicherzustellen, dass wir auch in der Zukunft ausreichend viele Mediziner und vor allem Medizinerinnen für die Kardiologie gewinnen können."
Bereits vor drei Jahren hatte die Arbeitsgruppe eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die den Ist-Zustand zum Thema Familie und kardiologische Tätigkeit erheben sollte. Ein Mangel an Kinderbetreuung, die ärztliche Dienstzeiten berücksichtigt, sowie unregelmäßige Arbeitszeiten, insbesondere Nacht-und Wochenenddienste, so zeigte diese Erhebung des Status quo, führen dazu, dass sich vor allem Kardiologinnen für Teilzeitarbeit entscheiden, sobald sie Kinder haben.
Jetzt hat Dr. Maike Bestehorn, Koautorin der Studie "Familie und Kardiologie", im Auftrag der DGK eine neue Befragung durchgeführt, die vor allem den folgenden Fragen nachging: Welche Rolle können betriebseigene Kindertagesstätten in Krankenhäusern zur Förderung der Vereinbarkeit von Familien und Beruf spielen? Ist Kardiologinnen, die Kinder haben, eine Vollzeit-Berufstätigkeit möglich? Wie können sie Weiterbildung und Kinder vereinbaren? Gibt es gesellschaftliche Hürden oder Vorurteile, und wie ist der Status von Müttern in kardiologischer Wissenschaft und Forschung?
Zentrale Forderung: Betriebseigene Kitas
"Eine gut organisierte Entlastung bei der Kinderbetreuung wurde als ein zentrales Element für eine bessere Vereinbarkeit identifiziert", so Dr. Bestehorn. "Als die dafür am besten geeignete Betreuungsform für geplanten Kinderbetreuungsbedarf werden betriebseigene Kinderkrippen und Kindertagesstätten in den Krankenhäusern gesehen. Als wesentlich beschreiben Betroffene aber auch Betreuungsstrukturen, die auch ungeplanten Ad-hoc-Betreuungsbedarf, etwa bei ungeplanten medizinischen Einsätzen, absichern können, die lange Öffnungszeiten, auch am Wochenende, bieten und generell neben hoher Betreuungsqualität auch ein hohes Maß an Flexibilität gewährleisten."
Die Präferenz für diese Organisationsform hat viele Gründe: Betriebseigene Kitas können ihre Öffnungszeiten mit den - oft sehr unregelmäßigen - Dienstzeiten koordinieren, Wegezeiten entfallen oder können erheblich verkürzt werden, und es können Bereitschaftsstrukturen für ein zu spätes Abholen des Kindes bei Vorliegen medizinischer Notfälle geschaffen werden, was in herkömmlichen Einrichtungen anderer Träger kaum möglich ist. Die räumliche Nähe zum Kind scheint für viele Mütter auch ein wichtiger psychologischer Faktor zu sein, zeigt die Umfrage.
Hürden für die Vollzeittätigkeit beseitigen
Die Status-quo-Erhebung der DGK hatte gezeigt, dass 59 Prozent der Kardiologinnen mit Kindern Teilzeit arbeiten - bei den Männern sind es nur 8 Prozent. Dafür konnte Dr. Bestehorn einige Hauptgründe identifizieren: "Vor allem eine sowohl quantitativ als auch qualitativ unzureichende Kinderbetreuung wird hier sehr häufig ins Treffen geführt, ebenso wie Hindernisse auf Arbeitgeberseite, eine tendenziell negative gesellschaftliche Einstellung zur Berufstätigkeit von Müttern und eine mangelnde Einbindung der Väter bzw. Partner in die Kindererziehung", so die Expertin.
Als Lösungsansatz identifizierte die Untersuchung unter anderem die Bereitstellung individueller Beratungsoptionen oder Coachings zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Den Arbeitgebern wird empfohlen, um Kardiologinnen, die Mütter sind, eine Vollzeittätigkeit zu ermöglichen, verschiedene Angebote zu kombinieren, um auf die sehr unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse flexibel reagieren zu können.
Weiterbildung zum Facharzt für Eltern
Durchaus als hürdenreich kann sich schon die Vereinbarkeit der Weiterbildung zum Facharzt bzw. zur Fachärztin für Kardiologie mit familiären Verpflichtungen erweisen. "Das Medizinstudium wird in der Regel mit 27 Jahren abgeschlossen, die Approbation erfolgt in einem Alter von etwa 28 Jahren. Die anschließende Weiterbildung zum Facharzt wird dann mit etwa 34 Jahren abgeschlossen. Da stellt sich für viele Medizinerinnen die Frage, wann der beste Zeitpunkt für eine Familiengründung ist", so Dr. Bestehorn. Kommt das Kind - oder Kinder - während der Weiterbildung, so verlängert sich diese schon aufgrund der Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes, die bereits während der Schwangerschaft eine Tätigkeit einschränken. Eine Elternzeit oder Teilzeit-Tätigkeit nach der Geburt des Kindes verzögert ebenfalls den Facharzt-Abschluss. Und in vielen Fällen, so hat die aktuelle Untersuchung identifiziert, führen die starren Vorgaben in Bezug auf die Rotation und das geforderte hohe Stundenaufkommen während der Weiterbildung zu einem Abbruch der Facharzt-Ausbildung.
Als Maßnahmen, die diese Situation verbessern und einen Facharzt-Abschluss auch für Mütter fördern könnten, werden unter anderem ein verstärkter Einsatz von digitalen Lehr- und sowie auch hier Kinderbetreuungsangebote des Arbeitgebers genannt, die die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Fortbildung ermöglichen. Weiter auf der Wunschliste: Die Berücksichtigung der Teilzeittätigkeit bei der Fortbildung durch Tandem-/Pärchen-Modelle, die Bevorzugung von Müttern bei den Engpassstellen in der Rotation und die Freistellung der Lehrenden von anderen Aufgaben, um flexibler auf Bedürfnisse der Weiterzubildenden reagieren zu können.
Wiedereinstieg als Vorteil für Mütter und Arbeitgeber nutzen
"Auch die bessere Organisation des Wiedereinstiegs nach einer Babypause erwies sich in der Befragung als ein wichtiges Thema", berichtet Dr. Bestehorn. "Am besten wäre es, den Wiedereinstieg bereits deutlich vor einer möglichen Elternzeit zu thematisieren. So lassen sich Rahmenbedingungen rechtzeitig planen." Denn wird dies gut organisiert, hat das nicht nur für Mütter deutliche Vorteile, sondern auch für Arbeitgeber. Denn sie profitieren im Gegenzug von einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung.
Vorbereitungsseminare für den Wiedereinstieg, Elterncafés und Elterninitiativen zur gegenseitigen Unterstützung, Coaching und Patenschaften und Buddy-Systeme sind weitere vorgeschlagene Ansätze. Zu Beginn sollten Miniarbeitszeiten ohne Nacht- und Wochenenddienste möglich gemacht werden, um eine Gewöhnung an die Berufstätigkeit für Mutter und Kind einzuleiten.
Gesellschaft: Ende des Rabenmütter-Images
Neben diesen organisatorischen, vor allem auf Arbeitgeberseite bestehenden Hürden und Lösungsansätzen, sieht Dr. Bestehorn aber auch gesamtgesellschaftliche Problembereiche, die eine Tätigkeit von Kardiologinnen mit Kindern in Patientenversorgung und Forschung behindern können. Dr. Bestehorn: "Das Selbstverständnis der Frauen von sich als Karriere-orientierte Mütter ist häufig sehr unterentwickelt. Hier ist es wichtig, Vorbilder zu schaffen und eine positive Stimmung für den Karrierewunsch zu erreichen."
Dagegen, dass Frauen, die Kinder und Karriere wollen, durch das gesellschaftliche Umfeld häufig noch immer negativ wahrgenommen werden, werde langfristig nur ein gesellschaftliches Umdenken helfen, so Dr. Bestehorn. "Auf dem Weg dorthin kann Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen ebenso wichtig sein wie individuelle Coaching- und Familienserviceprogramme."
Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
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