Diskussions-Highlights des 20. Kardiologiekongress Innsbruck
Diese drei Themen interessierten Fachärzte und Allgemeinmediziner
Innsbruck (pts022/12.03.2018/17:15) Bei vollem Haus und spannenden Praxisdiskussionen ging am Wochenende der 20. Kardiologiekongress Innsbruck mit knapp 1000 Besuchern zu Ende. Im Zentrum der Diskussionen zwischen Experten, Fachärzten und Allgemeinmedizinern standen drei Themen: die enormen medizinischen Fortschritte einerseits bei verengter Aortenklappe, andererseits bei undichter Mitralklappe. In beiden Fällen sind die kathetergestützten, minimal-invasiven Operationen inzwischen so schonend für die Patienten, dass wesentlich mehr Patienten als bisher dafür in Frage kommen und im fortgeschrittenen Alter neue Lebensqualität und Lebensjahre gewinnen. Dritter Diskussionspunkt war eine neue Antikörper-Therapie, die gute Ergebnisse bei einer rein entzündungsbedingten Verengung der Herzkranzgefäße (Vaskulitis) zeigt und PatientInnen Stent oder Bypass-OP erspart.
10 Jahre TAVI
Großes Interesse zeigten Fachärzte und Allgemeinmediziner am Fortschritt der einst exotischen Operationsmethode TAVI, bei der eine neue Aortenklappe über einen kleinen Schnitt in der Leiste und einen Katheter durch ein Gefäß zum Herzen transportiert und dort direkt in die kaputte alte Herzklappe eingesetzt wird. Die Operation ist inzwischen so schonend und mit weniger als 5 % Mortalitätsrate so sicher, dass es nun offenbar neue Patientengruppen gibt, die bisher von den Ärzten für nicht operabel eingestuft wurden. "Die Dunkelziffer an potentiellen PatientInnen wird dadurch kleiner werden, weil die Kollegen erkannt haben, dass diese Operation auch für ältere PatientInnen durchaus sinnvoll sein kann", sagt Kongress-Organisator Univ. Prof. Dr. Guy Friedrich. Der älteste Patient, der in Innsbruck erfolgreich operiert wurde, war im Übrigen 90 Jahre alt.
"Im Gegensatz zu früher, als man ab einem gewissen Alter 'der Natur ihren Lauf ließ', ist heute das Alter alleine ein schwaches Kriterium. Es zeigt nur einen Bruchteil der Gesamtsituation eines Menschen. Wir checken heute eine Liste von Kriterien, die klar zeigen, inwieweit es Sinn macht, jemandem durch eine Operation Mobilität und Selbstständigkeit zurück zu geben", sagt Friedrich.
Die zweite große Frage, die in Zusammenhang mit der TAVI-Operation gestellt wurde, betraf jüngere PatientInnen, die geringeres Operationsrisiko haben, derzeit aber noch klassisch offen operiert werden. Warum nicht auch sie mit der schonenderen Methode operieren? Nun, auch die klassische Herzchirurgie hat in den letzten Jahren die Operationsmethode verbessert, sodass die Schnitte kleiner geworden sind. Die Ergebnisse sind ebenfalls exzellent. Während bei der TAVI-Methode die neue Herzklappe in die kaputte alte eingesetzt und dort verankert wird, wird bei der Operationsmethode am offenen Herzen die alte Klappe entfernt und eine neue eingesetzt. Ärzte sehen darin vor allem für jüngere PatientInnen einen möglichen Vorteil.
Ab wann sollte der Facharzt/Allgemeinmediziner einen Patienten an die Klinik weiter überweisen? Das Kriterium: Ab dem Moment, wenn der Patient die ersten Beschwerden bekommt - Brustschmerz, Atemnot oder Schwindel - sollte sofort etwas passieren. Ab diesem Zeitpunkt lebt der Patient unbehandelt nur mehr circa zwei Jahre. Wer sich also zu lange Zeit lässt, verpasst die Chance auf mehr Lebensjahre und gute Lebensqualität.
Kathetergestützte minimal-invasive Operation auch für Mitralklappe
PatientInnen mit einer undichten Mitralklappe, die bisher eine offene Operation am Herzen über sich ergehen lassen mussten, können in Zukunft ebenfalls katheterunterstützt minimal-invasiv schonend operiert werden. Dabei wird der Mitralclip über einen Schnitt in der Leiste und einen Katheter eingeführt und das Mitralklappensegel wie mit einer Heftklammer abgedichtet. In Innsbruck wurde dieser Eingriff bereits ca. 60 Mal durchgeführt. "Die Komplikationsrate bei der Clip-Integration ist extrem gering", sagt Friedrich. Auch hier arbeiten Kardiologen und Herzchirurgen zusammen.
Neue Antikörper-Therapie gegen Verengung der Herzkranzgefäße
Spektakulär aufgenommen wurde eine neue Therapieform, die vor allem jene 10 Prozent von Patienten betrifft, deren Herzkranzgefäß-Verengung auf eine reine Entzündung der Gefäßwände zurückzuführen ist. Dabei handelt es sich um eine "Vaskulitis", eine Autoimmunerkrankung, die häufig genetisch bedingt ist, und nichts mit der üblichen "Verkalkung" der Gefäße zu tun hat. Neu ist, dass man diesen PatientInnen mit einer speziellen Cortison-Antikörper-Therapie Stent oder Bypass-OP ersparen kann, weil die Entzündung in den Gefäßen mit dieser Therapie abklingt. Die Behandlung erfolgt über mehrere Monate in Form einer Dauer-Infusion. Entscheidend ist allerdings, dass die "Vaskulitis" auch richtig diagnostiziert wird.
Österreichweit einzigartig: Kardiologie und Herzchirurgie
Tür an Tür im neuen Innsbrucker Herzzentrum
Innsbruck ist Österreichs erste Universitätsklinik mit einem Herzzentrum, an dem Kardiologen und Herzchirurgen Tür an Tür arbeiten. Einzigartig in Österreich wird hier auch die TAVI-Operation bereits seit 10 Jahren - also von Anfang an - von einem Herzchirurgen und einem Kardiologen durchgeführt. Mit der Eröffnung des neuen Herzzentrums wurde der guten Zusammenarbeit von Kardiologen und Herzchirurgen insofern Rechnung getragen, als nun auch die Räumlichkeiten nebeneinander liegen. Davon profitieren auch PatientInnen, die nicht mehr stundenlang durch das Klinikgelände transportiert werden müssen. Jede Therapie eines Patienten wird außerdem im interdisziplinären Herz-Team diskutiert, bevor eine Entscheidung getroffen wird. "Das Herzzentrum hat sich bewährt. Wir sehen für Kardiologie und Herzchirurgie die Zukunft gemeinsam", sagt auch der Innsbrucker Herzchirurg Univ. Prof. Dr. Nikolaos Bonaros.
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