pts20180705014 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Lungenkrebstagungen in Wien: Internationale Experten suchen nach optimalen Strategien


Wien (pts014/05.07.2018/10:55) Gleich zwei wichtige Lungenkrebsmeetings - der "Lung Cancer World Summit Vienna 2018" und das "Chinese German Lung Cancer Forum 2018" - finden in der ersten Juliwoche in Wien statt, und sollen auch in Zukunft regelmäßig in der österreichischen Bundeshauptstadt zu Gast sein. Damit könnte sich Wien noch stärker als bisher als ein weltweit führendes Zentrum auf dem Gebiet des Lungenkrebses etablieren, betont Gastgeber Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker. Zentrale Themen der Tagungen sind Therapiemonitoring bei der Lungenkrebsbehandlung, Früherkennungsprogramme und Senkung der Lungenkrebssterblichkeit.

Experten aus aller Welt suchen nach den optimalen Strategien, um der hohen Sterblichkeit beim Lungenkarzinom durch Prävention, Früherkennung und wirksame Therapiekonzepte begegnen zu können. In dieser Woche findet in Wien erstmals der "Lung Cancer World Summit Vienna 2018" (5. Juli) statt. An dieses Gipfelgespräch internationaler Lungenkrebs-Spezialisten schließt sich eine Konferenz deutschsprachiger und chinesischer Experten an, das 10th Chinese German Lung Cancer Forum (6. bis 7. Juli).

"Das Lungenkarzinom ist weltweit die gefährlichste Krebsart. Jährlich werden weltweit 1,8 Millionen Neudiagnosen gestellt und 1,6 Millionen Menschen sterben an der Krankheit. Die Zahl der Tabak-Opfer dürfte laut dem britischen Epidemiologen Sir Richard Peto im 21. Jahrhundert bei steigender Weltbevölkerung die derzeitige Einwohnerzahl Afrikas mit 1,1 Milliarden Menschen erreichen", so Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker, Lungenkrebsspezialist an der Universitätsklinik für Innere Medizin I (MedUni Wien/AKH).

Das enorme Ausmaß des globalen Problems Lungenkrebs weltweit ruft nach multidisziplinären Strategien für eine bessere Krankheitsprävention, für die Sicherstellung einer genauen und frühen Diagnose und für die Gewährleistung einer optimalen Behandlung und Nachsorge - angepasst an die jeweils regional verfügbaren Ressourcen. Prof. Pirker und Assoc.-Prof. Dr. Helmut Prosch (Klinische Abteilung für Allgemeine Radiologie MedUni Wien/AKH) haben deshalb im Rahmen der Central European Lung Cancer Association (CELCA) erstmals den Lung Cancer World Summit Vienna 2018 organisiert.

"15 Spitzenexperten - Chirurgen, Pulmologen, Pathologen und Onkologen - aus Europa, Asien und dem amerikanischen Kontinent nehmen an diesem Gipfelgespräch teil", so Prof. Pirker. "Im Speziellen beschäftigen wir uns bei diesem ersten derartigen Treffen mit dem Problem des Monitorings der Therapie bei Lungenkrebspatienten." Im Rahmen der therapeutischen Fortschritte wird es immer wichtiger, Patienten ab der möglichst frühen Diagnose des Lungenkarzinoms engmaschig zu überwachen, um die Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen zu evaluieren und auf potentielle Probleme möglichst schnell reagieren zu können. Bei einer immer größeren Anzahl zur Verfügung stehender Therapien ist die rechtzeitige Auswahl der jeweils individuell am besten geeigneten Behandlungsmethode - inklusive eines Wechsels der Therapie bei Bedarf - von immer größerer Bedeutung.

"Der Lung Cancer World Summit entwickelt Empfehlungen für den Einsatz der verschiedenen diagnostischen Verfahren, die beim Therapie-Monitoring zum Einsatz kommen. Das kann die klinische Beurteilung der Lebensqualität und der Symptome genauso sein wie der Einsatz von bildgebenden Verfahren, die Untersuchung von Gewebeproben des Tumors durch den Pathologen oder das neue Verfahren der Liquid Biopsy, bei dem Blutproben auf Tumor-DNA untersucht werden", erklärt Prof. Pirker.

Doch was in den reichsten Staaten der Erde mit dem höchst entwickelten Gesundheitswesen möglich ist, kann anderswo derzeit unerreichbar sein. "Deshalb sollen die in Wien entwickelten Empfehlungen auch eine Bandbreite aufweisen, die auf regionale Gegebenheiten Rücksicht nimmt und die von Minimalanforderungen bis zu Optimal- Standards reicht. Solche Empfehlungen sind auch ein wichtiges Instrument der Qualitätskontrolle."

Hohe Lungenkrebs-Häufigkeit in Zentraleuropa und China

Bei allen Unterschieden zwischen Zentraleuropa und China gibt es eine wichtige Gemeinsamkeit: die hohe Lungenkrebs-Prävalenz. Laut den Zahlen aus dem Jahr 2013 wurden in China 732.000 Neuerkrankungen an Lungenkrebs diagnostiziert, das sind 40 Prozent aller weltweit neu auftretenden Fälle. Rund 590.000 Todesfälle durch die Erkrankung werden jährlich registriert. An einer einzigen auf Lungenkrebs spezialisierten Klinik werden in China pro Jahr rund 2.000 Patienten operiert. In Zentraleuropa betreffen 80 bis 85 Prozent aller Lungenkrebs-Fälle Raucher oder ehemalige Raucher, weltweit sind es 70 Prozent. Vor diesem Hintergrund findet - erstmals in Wien - unmittelbar nach dem World Summit das "10th Chinese German Lung Cancer Forum" statt - ein Meeting deutschsprachiger Lungenkrebsspezialisten mit ihren chinesischen Kollegen.

Die Vorträge und Fortbildungsseminare bei dem Meeting umfassen praktisch alle wissenschaftlichen und klinischen Aspekte rund um das Lungenkarzinom. "Da geht es um die molekulare Diagnostik genauso wie um die zielgerichtete Therapie und die Immuntherapie beim Lungenkarzinom", betont Organisator Prof. Pirker.

Zentrale Bedeutung der Früherkennung

Ein wichtiges gemeinsames Anliegen der chinesischen und europäischen Experten ist die Stärkung der Früherkennung und die Zusammenarbeit bei der Implementierung von Lungenkrebs-Screeningprogrammen als zentrale Maßnahme zur Senkung der hohen Lungenkrebs-Sterblichkeit. "Nur etwa 20 Prozent der Lungenkarzinome werden im Frühstadium entdeckt. Erfolgt das rechtzeitig, können die Fünf-Jahres-Überlebensraten sogar 90 Prozent erreichen", sagt Prof. Prosch. Bei später Diagnose, was zumeist der Fall ist, sinkt die Fünf-Jahrs-Überlebensrate auf nur noch 15 bis 20 Prozent.

"Deshalb wird derzeit weltweit nach Möglichkeiten gesucht, Früherkennungsprogramme zu etablieren. Eine große amerikanische Studie hat gezeigt, dass man durch die jährliche Untersuchung von starken Langzeit-Rauchern mit Niedrigdosis-Computertomografie die Lungenkrebsmortalität um 20 Prozent senken kann", betont der Experte. Führende wissenschaftliche Fachgesellschaften empfehlen daher Screenings mittels Niedrigdosis-Computertomographie bei Risikopersonen. Eine Kombination von Screenings mit Raucherberatung erhöht die Effizienz der Früherkennung.

Die Etablierung großer Screeningprogramme ist komplex. Die Kosten müssen genauso berücksichtigt werden, wie die genaue Definition der Zielgruppe. "Nach derzeitigem Wissen sollte das Screening auf eine Lungenkarzinomerkrankung spezielle Risikogruppen umfassen. Das sind insbesondere Raucher im Alter über 55 Jahren, die eine oder mehr Packungen Zigaretten über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren geraucht haben und ehemalige starke Raucher, die innerhalb der vorangegangenen 15 Jahren mit dem Rauchen aufgehört haben", sagt Prof. Prosch. "Wir suchen auch weiterhin nach Möglichkeiten, Risikopersonen noch präziser zu identifizieren."

Aus Unterschieden lernen

Eines der Themen ist auch die Diskussion der Unterschiede zwischen den Lungenkarzinomerkrankungen in China und in Zentraleuropa. "Bei den Frauen mit Lungenkrebs handelt es sich in China oft um Nichtraucherinnen mit bestimmten Mutationen der Tumorzellen, insbesondere EGFR-Mutationen, welche das Tumorwachstum begünstigen. Für sie kommt eine spezielle zielgerichtete medikamentöse Therapie infrage, die besonders bei dieser Form der Erkrankung wirksam ist", sagt Prof. Pirker. Deshalb gibt es aus dem Fernen Osten besondere Erfahrung mit dieser Therapieform. Daneben geht es auch in China um die Frage, wie man eventuell ein Screening-Programm zur Lungenkrebsfrüherkennung etablieren kann.

Strenge Tabakkontrolle

Ein wichtiges Anliegen sei in China wie in Zentraleuropa aber auch die Prävention, so Prof. Pirker. "Hier sind in China Fortschritte bei der Tabakkontrolle zu verzeichnen. In Shanghai gibt es Bestrebungen, die Millionenmetropole zu einer rauchfreien Stadt zu machen. Das liegt im Einklang mit dem internationalen Trend, an den Österreich vor kurzem mit dem Kippen des geplanten Gastro-Rauchverbotes leider einmal mehr den Anschluss verpasst hat."

2015 wurden in Österreich 4.860 Neudiagnosen auf diese höchstgefährliche Tumorerkrankung gestellt (2.956 Männer, 1.904 Frauen). Lungenkrebs ist derzeit die häufigste Todesursache bei den bösartigen Erkrankungen. Damit ist das Lungenkarzinom in Österreich, vor allem auch bei der steigenden Zahl der Frauen mit einem Lungenkarzinom, eines der größten Probleme bei den Krebserkrankungen.

Am Chinese German Lung Cancer Forum nehmen 150 Fachleute teil, rund hundert davon aus China. "Dieses Treffen gibt es jährlich seit 2009. Bisher hat es jeweils in Shanghai oder in Dresden stattgefunden, jetzt kommt Wien als regelmäßiger Austragungsort dazu", sagt Prof. Pirker. Gründer war Univ.-Prof. Dr. Christian Manegold (Mannheim). Auf chinesischer Seite sind Univ.-Prof. Dr. Caicun Zhou (Shanghai) und Univ.-Prof. Yi-Long Wu (Guangzhou) federführend. Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft der Tongji-Universität in Shanghai, der MedUni Wien, der Universität Heidelberg und der Universität Bialystok.

Quellen:
Ferlay J et al. Cancer incidence and mortality worldwide: sources, methods and major patterns in GLOBOCAN 2012. Int J Cancer. 2015 Mar 1;136(5):E359-86;
STATISTIK AUSTRIA, Österreichisches Krebsregister (Stand 06.12.2017) und Todesursachenstatistik. Erstellt am 13.12.2017; National Lung Screening Trial Research Team, Church TR et al. Results of initial low-dose computed tomographic screening for lung cancer. N Engl J Med. 2013 May 23;368(21):1980-91; Kauczor HU et al. European Society of Radiology (ESR) and the European Respiratory Society (ERS). Lung cancer screening white paper: a slippery step forward? Eur Respir J. 2015 Nov;46(5):1521-2; Oudkerk M et al. European position statement on lung cancer screening. Lancet Oncol. 2017 Dec;18(12):e754-e766; Prosch H et al. Opinion of the Austrian Society of Radiology and the Austrian Society of Pneumology. Wien Klin Wochenschr. 2013 Jun;125(11-12):339-45; Rongshou Zheng et al. Estimates of cancer incidence and mortality in China, 2013.
Chin J Cancer (2017) 36:66

(Ende)
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