"Eine Notfallkarte für Patientenverfügungen sollte jeder bei sich tragen"
"vorjurlife"-Expertenforum mit den Vorständen der Stiftung VorsorgeDatenbank
Wiesbaden/Dresden (pts021/21.08.2009/13:15) Am 1. September 2009 tritt das Gesetz zur Patientenverfügung in Kraft. Auf dem Bundeskongress "vorjurlife" (mehr Infos http://www.vorjurlife.de) am 27./28.11. in Darmstadt diskutieren führende Experten über die Auswirkungen, die dieses Gesetz zur Folge hat und erarbeiten Lösungen und Abläufe für alle am Prozess der Patientenverfügung (wie auch anderer Vorsorgeverfügungen) beteiligten Parteien. Zu diesen zählen u.a. Patienten/Angehörige/Betreuer, Ärzte/Kliniken, Juristen/Notare, Krankenkassen/Versicherungen, Altenpflegeheime/Hospizstiftungen, Politik und Interessensverbände, Kirchen. Im Vorfeld des Kongresses erhalten Experten das Wort, die sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt haben und die sich jetzt aktiv mit Lösungsvorschlägen für eine praktikable Umsetzung des Patientenwillens engagieren. Im "vorjurlife"-Expertenforum kommen in dieser Woche die Vorstände der Dresdner Stiftung VorsorgeDatenbank, Dr. Heinrich Meyer-Götz und Christoph von Mohl zu Wort, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema immaterielle Vorsorgeverfügungen mit Schwerpunkt Patientenverfügung beschäftigt haben und die auch zu den Partnern des Bundeskongresses "vorjurlife" zählen:
Herr Dr. Meyer-Götz, was versteht man eigentlich unter "immateriellen Vorsorgeregelungen"?
Dr. Meyer-Götz: In Abgrenzung zu der materiellen Lebensabsicherung mittels Sparanlagen, Versicherungen, etc sind Vorsorgeregelungen geschriebene persönliche Willenserklärungen wie mit der verfügenden Person im Falle einer möglichen späteren Geschäftsunfähigkeit umgegangen werden soll, z.B. Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht. Die erweiterte immaterielle Vorsorgeverfügung umfasst auch Willenserklärungen für die Zeit nach dem Tod, z. B. Organverfügung, Trauerverfügung, Sorgerechtsverfügung.
Was sind die Zielsetzungen des Bundeskongresses "vorjurlife" und an wen richtet sich dieser?
Dr. Meyer-Götz: Das sog. Patientenverfügungsgesetz, das am 01. September 2009 in Kraft treten wird, wirft schon jetzt Probleme auf, die anlässlich des Kongresses mit Rechtsanwälten, Ärzten, Betreuern und Richtern diskutiert werden und für die einvernehmliche Lösungsvorschläge für die Praxis gefunden werden sollen, z. B. wie kann der formlose Widerspruch bei geschäftsunfähigen Personen erkannt werden? Welche juristischen und medizinischen Definitionen und Festlegungen sind für eine wirksame Patientenverfügung Voraussetzung, damit die Patientenverfügung umgesetzt werden kann und die Verfügung nicht nur als eine Hilfestellung bei der Erforschung des mutmaßlichen Willens angesehen werden muß.
Herr von Mohl, am 1.9.09 tritt das Gesetz zur Patientenverfügung in Kraft. Was ändert sich dadurch für Ärzte, Patienten und für deren Angehörige? Was wird dadurch besser und - welche Probleme sind Ihrer Meinung nach auch weiterhin ungelöst?
Von Mohl: Um es mit unserer Justizministerin zu sagen: wir haben "endlich mehr Rechtssicherheit beim Umgang mit Patientenverfügungen". Mehr Rechtssicherheit bedeutet auch mehr Vertrauen z.B. zwischen Arzt und Patient, zwischen Angehörigen und Ärzten im aktuellen Fall. Die Bedeutung des Betreuers/Bevollmächtigten ist sehr viel stärker geworden. Hier gilt es, besonders sorgfältig bei der Auswahl der entsprechenden Person(en) vorzugehen. Wir haben deshalb in unseren Patientenverfügungen extra Platz für die Bestimmung von Gesundheitsbevollmächtigten.
Geschätzte 10 Millionen Bundesbürger haben bereits eine Patientenverfügung. Wo und wie sollten diese aufbewahrt werden? Wie erfahren zudem die behandelnden Ärzte und Kliniken im Notfall, dass so eine Patientenverfügung existiert - und wie erhalten sie darauf Zugriff?
Von Mohl: Hier empfiehlt es sich zunächst, den als Bevollmächtigten eingetragenen Personen ein Exemplar zu geben. Unabhängig von der Erreichbarkeit dieser Personen zum Zeitpunkt einer wichtigen medizinischen Entscheidung sollte die Patientenverfügung in einer Datenbank mit Zugriff durch die Krankenhäuser archiviert und damit möglichst umgehend einsichtbar sein. Wir empfehlen die von uns betraute Verfügungsdatenbank der DVZ AG.
Wie sollten Registrierung und Archivierung von Patientenverfügungen und anderen Vorsorgeregelungen bundesweit organisiert sein?
Dr. Meyer-Götz: Schon heute archivieren verschiedene Organisationen Patientenverfügungen in Stahlschränken und elektronischen Archiven, z. B. Hospizstiftung, Deutsches Rotes Kreuz, Humanistischer Verband, Stiftung Vorsorgedatenbank, Deutsche Verfügungszentrale AG. Diese Organisationen sollten eine gemeinsame Verfügungsdatenbank z. B. in Form eines zentralen Notrufes organisieren, in der alle Patientenverfügungen registriert werden, damit das jeweilige Krankenhaus nur bei dieser zentralen elektronischen Datenbank anfragen muss und dabei auf die Archive oder elektronische Datenbank der jeweiligen Organisation verwiesen wird. Dieser Zugang zur Verfügungsdatenbank sollte in die jeweilige Krankenhaussoftware implementiert werden, damit schon über diesen Zugang die Abfrageberechtigung geprüft werden kann. Damit könnte die bereits vorhandene Sicherheitstechnik eingesetzt werden und die bisher üblichen "Notfallkarten" entfallen.
Was sollte aus Ihrer Sicht in einer sinnvollen Patientenverfügung stehen? Und wie sollte/muss hier die Frage eines Betreuers geregelt sein?
Dr. Meyer-Götz: Der Arzt und der Betreuer benötigen konkrete Handlungsanweisungen, damit sie die Patientenverfügung (Einsatz aller medizintechnischen Möglichkeiten ODER Unterlassung möglicher medizinischer Eingriffe) umsetzen können. Da nicht alle medizinischen Situationen beschrieben werden können, schon gar nicht von medizinischen Laien, sollte die Patientenverfügung einerseits abstrakt formuliert und die Handlungsanweisung andererseits konkret beschrieben sein.
Was sind die Leistungen und Zielsetzungen der Stiftung VorsorgeDatenbank, insbesondere beim Thema Patientenverfügung?
Von Mohl: Die Stiftung hat vor allem den Zweck, das Grundrecht der Menschen auf Selbstbestimmung zu stärken. Unser satzungsgemäßes Ziel ist es, den öffentlichen Diskurs über die immaterielle Lebensvorsorge durch Vorsorgeverfügungen in jeglicher rechtlicher Ausgestaltung, durch Organisation und Unterstützung von Veranstaltungen und z.B. auch Kongressen wie insbesondere "vorjurlife" zu fördern.
Sind mit der neuen Gesetzgebung alle rechtlichen Aspekte rund um die Patientenverfügung geklärt oder gibt es nach wie vor offene Punkte, die auch in Zukunft bei der Umsetzung von schriftlichen Patientenverfügungen für Probleme sorgen werden?
Dr. Meyer-Götz: Das neue Gesetz ist sehr justizlastig. Es ist bedauerlich, dass die Vertretung der Ärzteschaft das im Deutschen Bundestag diskutierte Patientenverfügungsgesetz insgesamt abgelehnt hat und keine praxisbezogenen, positiven Aspekte aus der ärztlichen Sicht eingebracht hat. In Zukunft müssen deshalb bei einem Dissens zwischen Betreuer/Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt die Betreuungsgerichte entscheiden. Im Gerichtsfall steht der Arzt dann medizinischen Laien (Richter, Betreuer, Rechtsanwälte, Verfahrenspfleger) gegenüber und muss seine Diagnose und Handlungsweise gegenüber diesem Gremium vertreten.
Wann bzw. in welchen Fällen muss eine Patientenverfügung aktualisiert werden?
Dr. Meyer-Götz: Die Aktualisierung ist dann notwendig, wenn der Verfasser sich eine abweichende Meinung gebildet hat. Sofern es zu keiner Sinnesänderung kommt bedarf es keiner aktualisierten Unterschrift. Die verfasste Patientenverfügung ist bis zu ihrem Widerruf gültig.
Wie ermitteln Ärzte und Betreuer den mutmaßlichen Patientenwillen, wenn dieser nicht schriftlich in Form einer Patientenverfügung vorliegt?
Von Mohl: Das regelt der § 1901a des BGB im Absatz 2: hierzu sind konkrete Anhaltspunkte, frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen (wenn sie bekannt sind) des betreuten Menschen maßgeblich. Hierbei sollen auch nahe Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Betreuten sich äußern können (sofern das nicht zu erheblicher Verzögerung führt).
Erwarten Sie, dass ab dem 1.9.09 noch viel mehr Bundesbürger eine Patientenverfügung aufsetzen werden?
Von Mohl: Das bleibt abzuwarten. Wir registrieren in unserer Beratungspraxis ein stark angestiegenes Interesse. Vor allem rechne ich auch damit, dass diejenigen Menschen, die bereits eine Patientenverfügung verfasst haben, sich diese noch einmal kritisch anschauen und dafür sorgen werden, dass diese Verfügung im Ernstfall auch dem behandelnden medizinischem Personal zur Verfügung steht.
Wo können sich Bundesbürger informieren, was bestmöglich in ihrer ganz persönlichen Patientenverfügung stehen sollte?
Von Mohl: Indem sie z.B. auf unserer Homepage
(http://www.stiftung-vorsorgedatenbank.de) erste wichtige Informationen einholen. Dann sollten sie auf jeden Fall mit ihnen nahestehenden Personen über ihre diesbezüglichen Wünsche und Vorstellungen sprechen. Die Konsultation des Hausarztes kann sehr hilfreich sein. Weitere Informationen gibt es außerdem über unsere telefonische Helpline.
Hat die Politik jetzt mit erfolgter Gesetzgebung zur Patientenverfügung ihre Aufgaben erfüllt?
Von Mohl: Sie hat den für die Verfasser von Patientenverfügungen unkompliziertesten Weg gewählt. Wir haben so in vielen Bereichen mehr Klarheit und Berechenbarkeit. Damit wird (s.o.) eine Basis für mehr Vertrauen zwischen allen an dem Behandlungsprozess beteiligten Personen erreicht. Das ist schon sehr viel. Allerdings wird die Praxis sicherlich noch genügend offene Fragen zeigen und nach praktischen Lösungen rufen.
Was erwarten Sie vom Bundeskongress "vorjurlife" an Informationen und auch Lösungen für eine optimierte Umsetzung von Patienten- und Betreuungsverfügungen?
Von Mohl: Eben genau das: dass wir uns nach der gesetzlichen Regelung jetzt daran machen und mit Vertretern aller maßgeblichen Gruppen nach praktikablen Lösungen suchen. Das reicht vom Verhalten und Umgang mit Patientenverfügungen im Pflegeheim oder Krankenhaus bis hin zu Fragen der sachgerechten Datenverarbeitung.
Gehört ein Organspendeausweis auch zu den immateriellen Vorsorgeregelungen und wenn ja, ist es sinnvoll Patientenverfügung und Organspendeausweis in einem Dokument zusammenzufassen?
Von Mohl: Das ist sicherlich ein sehr wichtiges Thema, welches wir auch beim Kongress "vorjurlife" diskutieren werden. Eine weitere Integration wird unsere nächste Aufgabe sein. Nun freuen wir uns erstmal, dass wir die gesetzlichen
Regelungen für die Patientenverfügung haben.
Kontaktdaten:
Stiftung Vorsorgedatenbank
Königstraße 5 a
01097 Dresden
Web: http://www.stiftung-vorsorgedatenbank.de
Herr RA Christoph von Mohl
Tel. 0351 - 8 11 74 32
Fax: 0351 - 8 80 18 20
E-Mail: c.mohl@stiftung-vorsorgedatenbank.de
Herr RA Dr. Jur. Heinrich Meyer-Götz
Tel. 0351 - 8 11 74 56
Fax: 0351 - 8 11 74 45
E-Mail: h.meyer-goetz@stiftung-vorsorgedatenbank.de
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Bundeskongress immaterielle Lebensvorsorge
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