Wachstum statt Kostensenkung
Roland Berger Studie vergleicht Restrukturierungen in Österreich und MOE
Wien (pts105/08.02.2006/09:30) Durch den Markteintritt österreichischer Unternehmen in Mittel- und Osteuropa wird vor Ort sehr hoher - teils aufgestauter - Restrukturierungsbedarf sichtbar. Doch Restrukturierung funktioniert in diesen Ländern grundsätzlich anders als in Westeuropa und folgt regional spezifischen Eigenheiten. Generell gilt: Unternehmen in MOE reagieren (noch) später auf Krisen, setzen bei der Sanierung hauptsächlich auf Umsatzsteigerung und verfügen über sehr wenig Eigenkapital. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Studie "Restrukturierung in Mittel- und Osteuropa" von Roland Berger Strategy Consultants: In ihrem Rahmen wurden die Erfolgsfaktoren der Unternehmensrestrukturierung in den MOE-Staaten erhoben und mit der Situation in Westeuropa verglichen.
"Auffallend ist, dass Unternehmen in Mittel- und Osteuropa sehr spät auf Krisen reagieren: Ein Drittel der Unternehmen leitet Maßnahmen erst bei einer akuten Liquiditätskrise ein. In Österreich liegen wir hier bei zwölf Prozent", so Rupert Petry, Studienautor und Partner bei Roland Berger in Wien. Besonders problematisch ist dieser Wert bei rumänischen Unternehmen, die zu 60 Prozent erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit reagieren. Es folgen Tschechien (50 Prozent) und Kroatien (40 Prozent). Einzig in Polen liegt dieser Wert bei nur 20 Prozent und ist damit annähernd mit Westeuropa vergleichbar. Ungarn braucht am meisten Zeit, um auf Krisen zu reagieren; allerdings werden Liquiditätskrisen hier häufig durch lange Unterstützung der Hausbanken und durch öffentliche Subventionen vermieden. Generell sind Restrukturierungen in MOE weniger erfolgreich als in Westeuropa.
Frühwarnsysteme fehlen
"Alle MOE-Staaten liegen noch weit zurück, wenn es um die Implementierung von Instrumenten zur Früherkennung von Krisen geht. Das Problembewusstsein ist zwar bereits vorhanden, die Umsetzung allerdings noch verbesserungsbedürftig", erklärt Petry. So verfügen beispielsweise 85 Prozent aller österreichischen, aber nur 43 Prozent aller MOE-Unternehmen über ein Management-Informations-System (MIS) mit monatlichem Output. In diesen Ländern sind Review Meetings das wichtigste Mittel, werden aber auch nur von 43 Prozent der Unternehmen - gegenüber 60 Prozent in Österreich - durchgeführt. Und nur knapp ein Drittel der Unternehmen in einer Liquiditätskrise greift auf eine rollierende Liquiditätsvorschau zurück. "Die Implementierung von modernen betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten ist eine der ersten und wichtigsten Aufgaben für österreichische Eigentümer nach einer Übernahme", sagt der Berater.
Umsatzsteigerung als Turnaround-Hebel
In Westeuropa dominieren Kosteneinsparungen im Overhead und beim Personal die Restrukturierungsmaßnahmen von Unternehmen, Wachstumsinitiativen werden noch zu selten als Turnaround-Hebel genutzt. In Mittel- und Osteuropa liegt hingegen ein starker Fokus auf Wachstum in der Krise: 63 Prozent aller rumänischen, 55 Prozent der polnischen, 41 Prozent der tschechischen und kroatischen sowie 38 Prozent der ungarischen Unternehmen setzen auf Umsatzsteigerungsprogramme. In Österreich tut das nur ein knappes Viertel. "Oft sind diese Maßnahmen jedoch nicht erfolgreich und Kostenstrukturen bleiben unbereinigt. Das ist insbesondere für österreichische Unternehmen problematisch, die in der Region in vermeintlich restrukturierte Unternehmen investieren und zu allererst unpopuläre Einsparungsmaßnahmen vollziehen müssen", so Petry.
Finanzierung oft schwierig
Die Wachstumsausrichtung vieler Unternehmen in Mittel- und Osteuropa erhöht den Bedarf an zusätzlichen liquiden Mitteln zur Finanzierung der Restrukturierung. Diese werden zumeist über interne Quellen ("sale and lease back" bzw. interne Konzernfinanzierung) oder über Fremdkapital von Banken aufgebracht. Echte Eigenkapitalfinanzierung über den Kapitalmarkt oder Private Equity sind in der Region zu wenig verbreitet. Neben der geringen Erfahrung mit diesen Instrumenten stellt die mangelnde Verfügbarkeit von Private Equity und Risikokapital ein grundsätzliches Problem dar. Vor allem Rumänien verfügt über nur sehr wenige Eigenkapitalquellen im Land.
Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmen, die über keine starke Marke verfügen, kaum Zugang zu internationalen Kapitalmärkten und auch keine Unterstützung von westeuropäischen oder US-amerikanischen Private-Equity-Fonds erhalten. Außerdem leiden diese Betriebe unter der zunehmend restriktiven Kreditpolitik lokaler Banken. Hier spielen die Eigentumsverhältnisse der Banken in Mittel- und Osteuropa eine wichtige Rolle: "Die Geldinstitute stehen zum Großteil in westeuropäischem Eigentum. Durch die Ertragsanforderungen und auch die restriktive Risikopolitik - bedingt unter anderem durch Basel II - übernehmen sie ungern eine Risikofinanzierung im Mittelstand", meint der Berater.
Krisensituationen vorzeitig erkennen
Erfolgreiche Restrukturierungen sind schnell, erfordern Management Commitment und betreffen das gesamte Unternehmen. Die Zustimmung des Managements ist für 67% der westeuropäischen und 55% der mittel- und osteuropäischen Unternehmen zentraler Erfolgsfaktor für Restrukturierungen. Nur in Ungarn steht mit 64% ein ganzheitliches Konzept im Vordergrund und in Tschechien sind ein Wechsel des Managements und das Engagement der Gesellschafter mit je 50% am wichtigsten.
Der Stellenwert einer schnellen Implementierung notwendiger Maßnahmen ist für Petry generell zu niedrig: "In Westeuropa rangiert die rasche Umsetzung einer Restrukturierung auf der Prioritäten-Skala auf Platz 2, in Osteuropa hingegen nur auf Platz 5. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit mittel- und osteuropäische Unternehmen Krisensituationen nicht nur besser handhaben, sondern künftig auch im Voraus abwenden können."
Für die Studie "Restrukturierung in Europa" wurden im vergangenen Jahr Vorstände von über 2.500 Unternehmen in ganz Europa befragt. Mehr als 1.100 kamen aus fünf mittel- und osteuropäischen Ländern (Kroatien, Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn). Die Osteuropa-Ergebnisse wurden mit den Resultaten der entsprechenden Österreich-Studie aus dem Jahr 2004 verglichen, um wesentliche Unterschiede zwischen West- und Osteuropa sichtbar zu machen. Die Studie kann im Internet unter http://www.rolandberger.at heruntergeladen werden.
Fotos zur Pressekonferenz am 8. Februar 2006 sind unter http://www.fotodienst.at/browse.mc?album_id=398 downloadbar.
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 31 Büros in 22 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Mehr als 1.600 Mitarbeiter haben im Jahr 2004 einen Honorarumsatz von rund 530 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 130 Partnern.
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