Kroatiens Bankenmarkt auf der Überholspur
Roland Berger sieht alternative Vertriebskanäle als zukünftige Wachstumstreiber
Wien/Zagreb (pts009/15.11.2006/09:30) Der kroatische Bankensektor zählt zu den am besten entwickelten in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Der Markt wächst seit 1999 um über 18 Prozent pro Jahr und auch die Profitabilität und Effizienz der Banken steigt kontinuierlich. Wachstumstreiber sind vor allem Konsumentenkredite - in diesem Segment ist Kroatien in Mittel- und Osteuropa führend. Die Kehrseite der Medaille ist ein explodierendes Leistungsbilanzdefizit durch die hohen Verbraucherimporte. Die kroatische Nationalbank versucht dem durch Restriktionen bei der Kreditvergabe gegenzusteuern.
"Kroatien verfügt heute über ein ausgezeichnet funktionierendes Bankensystem und zählt zu den Top-Performern in Mittel- und Osteuropa. Das außerordentlich hohe Engagement ausländischer Institute hat dazu geführt, dass der Markt sehr konzentriert und im Vergleich zu den Nachbarländern hoch entwickelt ist", erklärt Dr. Vladimir Preveden, Managing Director des Zagreber Büros von Roland Berger Strategy Consultants. So erreichen von den 34 Banken des Landes die sechs größten einen Marktanteil von ca. 80%. Den beiden größten Banken Zagreba_ka banka und Privredna Banka (beide in italienischem Mehrheitsbesitz) folgt eine Phalanx von vier österreichischen Banken (Erste & Steiermärkische Bank, Raiffeisenbank Austria, HVB Splitska banka und Hypo Alpe-Adria Bank). "Der Konzentrationsprozess ist noch nicht abgeschlossen, da es durch den verstärkten Wettbewerb vor allem für kleine Institute sehr schwer sein wird alleine zu überleben", sagt Preveden.
Maßgeblich zum Erfolg der kroatischen Banken trägt das hohe Wachstum bei Krediten bei. Zwischen 2001 und 2005 betrug das jährliche Durchschnittswachstum in diesem Bereich 21%. Wichtigste Wachstumstreiber in den vergangen Jahren waren Konsumentenkredite für Haushaltsgeräte, Möbel oder Autos. Restriktionsmaßnahmen der Nationalbank, eine beginnende Sättigung in einigen Bereichen und sinkende Nachfrage vor allem bei Haushaltsgeräten bremsen den Boom nun aber deutlich. "Einer stagnierenden Nachfrage bei Konsumentenkrediten steht ein stark wachsendes Interesse an Hypothekendarlehen entgegen. Dieser Bereich macht in Kroatien erst 32% aller Privatkundenkredite aus. In der EU liegt dieser Wert bei fast 80%", meint Hendrik Bremer, Principal und CEE-Bankenexperte bei Roland Berger in Wien.
Klein- und Mittelbetriebe als Kunden der Zukunft
Ein weiterer Wachstumsbereich für kroatische Banken ist die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). "Kleine Unternehmen erwirtschaften in Kroatien rund 55% des BIP und beschäftigen 67% aller Arbeitnehmer. Diese Zahlen unterstreichen die Wichtigkeit des Segments für die Volkswirtschaft", so Preveden. Alleine im Jahr 2003 vergab das kroatische Wirtschaftsministerium im Rahmen seiner Förderprogramme mehr als 7.000 Kredite mit einem Volumen von rund 700 Mio. Euro an Klein- und Mittelbetriebe. Die kroatische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (HBOR) vergab im selben Zeitraum 8.500 Kredite mit derselben Summe. "Bei diesen Programmen erhalten Betriebe von Kommerzbanken günstige Kredite, die von öffentlichen Institutionen subventioniert werden."
Der auf Kredit finanzierte Wirtschaftsboom hat aber auch seine Schattenseiten, denn Kroatien hat derzeit ein doppeltes Defizitproblem: Sowohl die Leistungsbilanz also auch der Staatshaushalt weisen ein deutliches Minus aus. Die kroatische Nationalbank versucht deshalb seit rund zwei Jahren das Kreditwachstum, das zu einem großen Teil für die hohen Verbraucherimporte verantwortlich ist, einzuschränken. Ziel ist es, die geldpolitische Situation unter Kontrolle zu halten und das Leistungsbilanzdefizit zu verringern. Darüber hinaus soll auch noch die Neuverschuldung des Landes 2007 auf 4,0% des BIP gesenkt werden. "Die Nationalbank steht derzeit vor der Herausforderung einerseits den dynamisch wachsenden Bankenmarkt nicht zu gefährden und andererseits die makroökonomische Stabilität zu sichern", sagt Preveden.
Overbanked but underserviced
"Generell kann man Kroatien als 'overbanked but underserviced' bezeichnen. So stehen 85% aller Kroaten über 15 Jahre in einer Geschäftsbeziehung zu einer Bank, 75% haben über ein eigenes Konto und mehr als 50% verfügen über eine Kontokarte. Damit liegt Kroatien vor den anderen Mittel- und Osteuropäischen Ländern", meint Hendrik Bremer. Doch im Servicebereich sieht die Sache anders aus: So müssen sich in Kroatien durchschnittlich 4.300 Einwohner eine Bankfiliale teilen, in der EU sind es mit 2.060 Einwohnern weniger als die Hälfte. Deutlich steigende Zahlen an Filialen und Mitarbeitern zeigen aber, dass kroatische Banken das unausgeschöpfte Potenzial im Servicebereich erkannt haben und handeln. "Bis zur Marktsättigung ist es in diesem Bereich noch ein langer Weg", weiß der Strategieberater.
Zukünftige Wachstumstreiber für kroatische Banken
Neben dem starken Wachstum bei Hypothekarkrediten gibt es für kroatische Institute noch eine Reihe weiterer interessanter Wachstumsbereiche. Es gilt vor allem die Profitabilität zu steigern, um im härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können. "Kroatische Banken sollten in erster Linie über ihre Positionierung am Markt nachdenken. Ein Auftreten als Universalbank macht nur dann Sinn, wenn ein signifikanter Marktanteil vorhanden ist. Für kleinere Institute empfiehlt sich meist eine Nischenstrategie", so Bremer. Weitere erfolgversprechende Hebel zur Steigerung der Profitabilität sind die Entwicklung innovativer Produkte, die Erschließung neuer Kundenschichten (z.B. Kunden mit niedrigem Einkommen, Freiberufler, Landwirte) und die Optimierung des Vertriebs. "Hier werden die Banken vermehrt alternative Vertriebskanäle nutzen, wie etwa den Verkauf von Bankdienstleistungen außerhalb der Filialen oder Franchising", schließt der Berater.
Über Roland Berger Strategy Consultants
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 32 Büros in 23 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Mehr als 1.600 Mitarbeiter haben im Jahr 2005 einen Honorarumsatz von rund 530 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 130 Partnern.
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Dr. Vladimir Preveden
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