APA-Millionenaufträge: Jetzt prüft der EuGH
Bund vergibt jährliche EUR-Millionenaufträge ohne Ausschreibung
APA-Chef Vyslozil in Argumentationsnot |
Wien (pts020/04.12.2006/12:05) Millionenaufträge ohne Ausschreibung, lückenhafte Verträge und Erinnerungen sowie verschwundene Tonbandprotokolle - in einem Feststellungsverfahren mussten sich Bundeskanzleramt und Austria Presse Agentur (APA) vor dem Bundesvergabeamt rechtfertigen. Jetzt wurde das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet.
Wenige Monate vor dem EU-Beitritt Österreichs unterzeichnete das Bundeskanzleramt 1994 einen Rahmenvertrag, welcher der nationalen Nachrichtenagentur APA jährliche Einkünfte von mehreren Millionen Euro sichert. Die Dienstleistungen: Versand von Presseaussendungen staatlicher Stellen, Direktzugang zu Redaktion und Archiv. Der Mitbewerber, die pressetext Nachrichtenagentur, bietet vergleichbare Leistungen seit 1999 an, wurde jedoch nie zu einer Ausschreibung eingeladen.
Nachdem das Bundeskanzleramt Dienstleistungsaufträge in Millionenhöhe ohne Ausschreibungsverfahren direkt vergeben hat, sah sich pressetext veranlasst, das österreichische Bundesvergabeamt um Überprüfung der Zusammenhänge zu bitten.
Der auf öffentliche Auftragsvergaben spezialisierte Rechtsanwalt Mag. Gunter Estermann brachte Anfang Juli beim Bundesvergabeamt einen Feststellungsantrag ein. Offensichtlich war es in der Folge nicht leicht, den Aufforderungen des Bundesvergabeamtes zur Offenlegung der Vertragsbeziehungen nachzukommen. Mehrmals musste das Bundesvergabeamt Nachfristen setzen, um die für die Beurteilung erforderlichen Dokumente und Auskünfte zu erhalten.
Eigentümliche Vertragskonstruktionen
Die zutage getretene Vertragskonstruktion war ohne Ausschreibung entstanden und ebenso ohne Ausschreibung mit unklaren Zuständigkeiten übertragen worden. Widersprüche konnten nicht überzeugend aufgelöst werden, viele Fragen blieben bis in die Verhandlung hinein offen.
Die vom Bundesvergabeamt geladene APA holte aufwändige Gutachten der Alpe Adria Universität in Klagenfurt ein und zog den langjährig erfahrenen Publizistikprofessor Wolfgang Langenbucher zu Rate, um die Unabhängigkeit und Unersetzbarkeit der APA für das Nachrichtenwesen in Österreich zu beweisen. Langenbucher verwies u.a. auf eine wissenschaftliche Studie aus den 70er Jahren, wonach es für den Staat Sinn mache, sich für den politisch gesellschaftlichen Diskurs einer nationalen Nachrichtenagentur zu bedienen. Dass das vorgetragene Konzept zur Informationspolitik aus der Ära des Kalten Krieges stammt und im eklatanten Widerspruch zum Konzept einer kritischen, globalisierten und dezentralisierten Kommunikationspolitik steht, wurde vom einvernommenen APA-Zeugen Langenbucher in keiner Weise thematisiert. Gleichzeitig räumte der Professor bei seiner Einvernahme ein, dass pressetext "ein weltweit führendes Unternehmen" ist, wenn der behauptete Empfängerkreis - was er nicht verifizieren könne - den Tatsachen entspreche.
Hoher Argumentationsbedarf
Den ersten Verhandlungstag vor dem Senat des Bundesvergabeamts benötigten die APA Genossenschaft und APA-OTS zur Gänze, um zu erklären, wer sie sind und was sie tun. Ein Rechtsanwalt mit zwei Konzipienten, zwei Geschäftsführer, eine ehemalige Geschäftsführerin und der Vertriebschef der APA erschienen im Verhandlungssaal, um die Bedeutung der Genossenschaft und ihre Arbeit für die Nation herauszustreichen. Zweieinhalb Stunden lang erläuterte allein APA-Chef Wolfgang Vyslozil die Vorzüge des APA-Systems. Sein Fazit: Neben der APA gibt es in Österreich keine Nachrichtenagentur, die imstande ist jene Leistungen zu erbringen, die der Bund benötige.
Dabei offenbarte Vyslozil Erinnerungslücken: beispielsweise zum sogenannten Content-Streit 2001. Erst auf beharrliche Nachfrage räumte Vyslozil ein, dass nicht seine Version, der zufolge pressetext verurteilt worden sei, den Tatsachen entspreche, sondern ein Vergleich mit Kostenübernahme durch die APA Ergebnis der seinerzeitigen Auseinandersetzung zwischen APA und pressetext gewesen sei.
Auch seine Aussagen zum Thema Unabhängigkeit bedurften der Relativierung. Der Vorsitzende der Genossenschaft bestätigte, dass die APA in der Vergangenheit zwei- bis dreimal auf öffentliche Finanzhilfe aus dem Bundeskanzleramt angewiesen gewesen sei. Dazu diente die Presseförderung, ein Topf, der pressetext bisher verwehrt blieb.
Anachronistische Monopolstellung
Nach Auffassung von APA-OTS Geschäftsführer Peter Kropsch ist die Nachrichtenagentur-Landschaft in Österreich einfach aufgebaut. Nach seiner Definition gibt es nur eine Nachrichtenagentur, nämlich die Austria Presse Agentur. Ähnlich sieht es Konrad Tretter, der Vertriebschef der APA, der die Millionaufträge mit dem Bund verhandelt hatte. Er ist der Auffassung, dass ein Ausfall des APA-Systems dazu führen würde, dass am darauf folgenden Tag keine Tageszeitungen erscheinen könnten. Um zu erklären, warum es im Widerspruch zu dieser kühnen These bspw. der Kronen Zeitung möglich sei auch ohne Bezug des APA-Basisdienstes täglich aufs Neue zu erscheinen, konnte man sich im Verhandlungssaal partout nicht erklären.
Tretter ist vom APA-Vorstand mit umfangreichen Vollmachten einschließlich der Abgabe von Solidarhaftungserklärungen für die APA-Gesellschaften ausgestattet worden. Eine schriftliche Vollmacht gibt es jedoch nicht. Die diesbezüglichen APA-Vorstandssitzungen wurden per Tonband aufgezeichnet, erläuterte Tretter, über die Verfügbarkeit der die öffentliche Auftragsvergabe betreffenden Tonbandprotokolle könne er nichts sagen.
Das Bundeskanzleramt seinerseits begnügte sich in diesem Zusammenhang mit mündlichen Auskünften durch Tretter. Weder Vyslozil (Vorsitzender APA Genossenschaft) noch Kropsch (Geschäftsführer APA-OTS) haben für den aktuell gültigen Vertrag der APA mit dem Bundeskanzleramt direkt verhandelt. Sie haben laut Tretter immer das von ihm gelieferte Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen.
Rechtswidrige Millionenaufträge
Das Verfahren vor der Bundesvergabebehörde entwickelte sich immer mehr zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung darüber, ob der Bund bei Dienstleistungen im Nachrichtengeschäft überhaupt ausschreiben müsse. Rechtsanwalt Gunter Estermann erachtet es für untragbar, dass über Jahrzehnte Aufträge vom Bundeskanzleramt der APA zugeschanzt werden ohne diese Leistungen einem Wettbewerb auszusetzen. Besonders pikant daran sei, dass die Umsetzung des EU-Vergaberechts in Österreich den Legisten des Bundeskanzleramts zugeordnet ist. Bedenklich ist außerdem, dass die ausschreibungsfreie Beauftragung der APA in Millionenhöhe im Wesentlichen auf eine behauptete Alleinstellung gestützt wird, deren Grundlage zu einem nicht unerheblichen Teil von der öffentlichen Hand selbst geschaffen wurde.
Verfahren dient der Wahrheitsfindung
"Eine Nachrichtenagentur, die nicht in der Lage ist, einfache Fragen des Bundesvergabeamts widerspruchsfrei zu beantworten und mit der Anmutung wechselnder Wahrheiten Antworten auf die Fragen nach millionenschweren Aufträgen sucht, passt nicht so recht in eine unabhängige Presselandschaft. Dass darüber hinaus Organigramme und Geschäftszuständigkeiten per Zuruf festgelegt werden und die zur Dokumentation eigens angefertigten Tonbandmitschnitte just in dem Moment unauffindbar sind, wo sie zur Wahrheitsfindung dringend benötigt würden, hätte ich eher in der Presseagentur einer Bananenrepublik vermutet", kritisiert pressetext-Geschäftsführer Franz Temmel den Mitbewerber.
Für den Senat des Bundesvergabeamts reichten die vorgelegten Beweise des Bundes und der APA jedenfalls nicht aus, um das Verfahren einzustellen. Um in dieser Rechtssache unwiderruflich für Klarheit zu sorgen, hat das Bundesvergabeamt nun ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg initiiert. Auf Basis der EuGH-Entscheidung wird das Bundesvergabeamt dann ein endgültiges Urteil über die Direktvergaben des Bundes in Euro-Millionenhöhe an die APA treffen.
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