pts20070611024 Politik/Recht, Medizin/Wellness

Mental Health Europe Konferenz: Klare Forderung an Politik

Mehr Geldmittel für Bekämpfung psychischer Leiden und Aufklärungskampagnen


Wien, 11. Juni 2007 (pts024/11.06.2007/11:22) Wien. Unter dem Titel "No Health without Mental Health - From Slogan to Reality" trafen vom 31. Mai bis 2. Juni mehr als 200 Fachkräfte für psychische Gesundheit sowie Wirtschaftsexperten und Politiker aus Europa und Übersee in Wien zusammen. Ein Ergebnis der Mental Health Europe Konferenz in Wien: Im September 2007 wird die EU eine Mitteilung über die Strategie zur Förderung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung veröffentlichen und damit den Weg für nationale Gesetzgebung in diesem Bereich ebnen.

"Aufgabe der Mitgliedsstaaten wird es sein, die in der Strategie vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen", so Malgorzata Kmita, Mental Health Europe Präsidentin. Dabei, so sind sich alle KonferenzteilnehmerInnen einig, ist es nicht allein Aufgabe der Gesundheitsressorts entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch Arbeits- und Wirtschaftsministerien sowie Justiz- und Bildungsministerien müssen eingebunden werden. Zum einen fordern die Experten eine entsprechende Aufklärungs- und Präventionsarbeit in den Schulen, aber auch neue Beschäftigungsmodelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. "2005 mussten wir allein in Österreich 8.000 Menschen mit psychischen Leiden in die Frühpension schicken. Viele davon sind nicht älter als 40 Jahre. Aufgrund fehlender Anreizsysteme für die Wirtschaftstreibenden werden diese Menschen aus dem Arbeitsleben für immer ausgeschlossen", so Univ. Prof. Dr. Karl Dantendorfer, Obmann pro mente Wien. Damit beginnt sich eine endlose Negativspirale zu drehen, denn Arbeitslosigkeit und Armut sind ausgezeichnete Nahrung für psychische Leiden.

In Zukunft soll diese Zusammenarbeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten weiter ausgebaut werden. Weiters forderten die Experten ein einheitliches Förder- und Finanzierungssystem für die Behandlung, Betreuung und Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen. "Bisher bewegen wir uns hier in einem Dschungel aus verschiedenen Zuständigkeiten und Anspruchsmodellen", weiß die Sozial- und Gesundheitsexpertin Kmita. Diese zersplitterten Finanzierungsmodelle sowie auch ein mangelhaftes Ineinandergreifen der Unterstützungsangebote bedeuten für Betroffene und deren Angehörige eine zusätzliche Belastung.

Soziales Umfeld wichtig für langfristigen Behandlungserfolg

"Im Bereich der Behandlung von psychischen Erkrankungen hat die Medizin bereits große Fortschritte gemacht. Allein eine medizinische Behandlung kann in diesem Bereich nicht genügen", erklärt Univ. Doz. Prim. Dr. Werner Schöny, Obmann pro mente Austria. Besonders die sozialen Parameter sind ausschlaggebend für die Integration psychisch kranker Menschen in die Gesellschaft und damit den langfristigen Erfolg von Behandlungen. "Unsere soziale Umwelt beeinflusst ganz entscheidend auch unser psychisches Wohlbefinden und Gleichgewicht", so Schöny. Eine zentrale Forderung der Experten galt einer neuen Betrachtungsweise und Gewichtung von psychischer Gesundheit als zentraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheit. "Psychische Gesundheit ist wichtig für unser allgemeines Wohlbefinden", so Schöny. Hier sind Aufklärungskampagnen gefordert, die den Menschen die Bedeutung ihrer psychischen Gesundheit bewusst machen und gleichzeitig für die Probleme psychisch kranker Menschen sensibilisieren.

Best-Practice Beispiele aus Österreich

Wie die praktische Umsetzung im Idealfall aussehen kann, demonstrierten Vertreter aus verschiedenen Ländern bei der Mental Health Konferenz. Besonders wichtig, betonten die Experten einstimmig, ist die Deinstitutionalisierung von Betreuungseinrichtungen für psychisch kranke Menschen. An Stelle von großen psychiatrischen Krankenanstalten und Langzeiteinrichtungen müssen kleine regionale und lokale Betreuungseinheiten geschaffen werden. "Mit dieser Dezentralisierung des Angebots tragen wir zur Entstigmatisierung und Integration psychisch kranker Menschen bei", weiß Psychiater Dantendorfer. In den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten herrscht hier ein großer Unterschied, in vielen Ländern gibt es noch kaum oder viel zu wenig dezentrale Betreuungsstätten.

In Österreich gibt es bereits einige wegweisende Integrations- und Beschäftigungsprojekte. Insgesamt ist das heimische Versorgungsangebot mit einer Abdeckung von 70 bis 80 Prozent bereits sehr gut. Vor allem in den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist die Betreuungssituation aber noch lückenhaft und beträgt meist nicht mehr als 20 Prozent. Viele der österreichischen Integrationsprojekte, wie z.B. das Cafe Restaurant Max, das Patientencafe KOMM 24 oder der Projektraum Sonnensegel, können als Beispiel für die Umsetzung ähnlicher Projekte in den anderen EU-Ländern fungieren.[1]

Ziel der Konferenz war es, diesen Austausch von Best Practice Beispielen zu fördern und die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu vertiefen. "Auch in Österreich ist dieser Prozess der Deinstitutionalisierung sicherlich noch nicht abgeschlossen", weiß Schöny. Um die Betreuungsangebote entsprechend den Bedürfnissen der Zielgruppen weiter auszubauen und langfristig eine sinnvolle Gesetzgebung in diesem Bereich zu implementieren, kommt auch der Forschung eine wichtige Rolle zu: Bisher sind in vielen EU-Staaten noch keine entsprechenden Erhebungen gemacht worden. Forschungsstudien, Datenmaterial und Zahlen zur Entwicklung bedarfsgerechter Betreuungsangebote fehlen. "Auch hier ist die Politik angehalten, entsprechende Forschungsgelder zur Verfügung zu stellen. Die ausgewiesenen Geldmittel zur Prävention und zur Behandlung psychischer Leiden sind im Gegensatz zu den erschreckend hohen Zahlen an Erkrankungen in allen europäischen Staaten viel zu gering", erklärt Kmita und zieht folgendes Resümee: "Um eine weitere Zunahme psychischer Leiden zu verhindern, müssen nun endlich auch von Seiten der Regierungen entsprechende Weichen gestellt werden."

[1] Das Cafe Restaurant Max beschäftigt Menschen mit psychischer Erkrankungen und Langzeitarbeitlose und macht gefördert vom Arbeitsmarktservice Wien den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt möglich. Im Patientencafe KOMM 24, gefördert vom Fonds Soziales Wien, treffen sich regelmäßig Betroffene, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Im Projektraum Sonnensegel finden Ausstellungen und Vernissagen statt. Im Rahmen von Kunst und Kultur findet hier Begegnung und Austausch statt. Weitere Infos zu diesen Integrationsprojekten: http://www.promente-wien.at/ http://www.atelier-sonnensegel.at/; http://www.cafe-max.at/,

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