pts20100602016 Unternehmen/Wirtschaft, Medien/Kommunikation

Ist die Zukunft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Gefahr?

IMM präsentiert in Frankfurt am Main die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage


Frankfurt am Main/Wiesbaden (pts016/02.06.2010/11:45) Eine bundesweite Umfrage bei 146 Volksbanken Raiffeisenbanken zeigt die Risiken und Chancen dieser genossenschaftlichen Bankengruppe auf. Durchgeführt wurde die Befragung vom IMM, dem Forschungs- und Beratungsinstitut für den Bankensektor. Die daraus resultierende Studie "Banken und interne Prozesse" wurde unter Leitung von Prof. Dr. Friedrich Thießen vom Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der Technischen Universität Chemnitz erstellt.

Die 1100 Volksbanken Raiffeisenbanken und ihre zirka 16 Millionen privaten Mitglieder haben die Finanzkrise der letzten Jahre vergleichsweise gut verkraftet. Doch der zeitweilige Mittelzufluss bei Volksbanken Raiffeisenbanken in Krisenzeiten ist schnell wieder verebbt. Nennenswertes Neukundengeschäft konnte nicht generiert werden. Die Finanzkrise hat Chancen wie Defizite der genossenschaftlich organisierten Bankengruppe offenbart. Eine bundesweite Umfrage, deren Ergebnisse in einer Studie aufbereitet, analysiert und fokussiert wurde, zeigt im Detail auf, wo diese Risiken und Defizite, aber auch die Chancen der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Einzelfall liegen.

Grundlage der Studie ist die umfangreichste Befragung der letzten Jahre, die zur Qualität der internen Prozesse bei Volksbanken Raiffeisenbanken durchgeführt wurde. Die Befragung wurde vom Institut für Management und Marketing (IMM) realisiert, das seinen Fokus auf dem Marketing und dem Management im Bankensektor hat. Befragt wurden Volksbanken und Raiffeisenbanken im gesamten Bundesgebiet. Mit 371 Einzelaspekten deckte die Befragung einen großen Bereich betrieblicher Entscheidungsgebiete ab. 146 Banken beteiligten sich an der Befragung.

Die umfangreichen Fragebögen wurden von den Führungskräften der Banken ausgefüllt. In der Analyse der vorliegenden Daten und Angaben werden die Stärken und Schwächen der Genossenschaftsbanken herausgearbeitet, so wie sie sich aus der Selbsteinschätzung der Führungskräfte erkennen lassen. Diese Stärken und Schwächen werden dann mit den betrieblichen Erfolgen (Jahresüberschuss, Zinsspanne usw.) abgeglichen - zusätzlich werden Korrelationen ermittelt. Schließlich werden Daten des regionalen Umfeldes hinzugenommen und Beziehungen der selbst wahrgenommenen Stärken und Schwächen der Banken zum Wohlstand der jeweiligen Regionen aufgezeigt.

Die Auswertungen werden auf aggregierter Basis, d.h. für den Durchschnitt aller Banken vorgenommen. Es werden in der Studie gesonderte Auswertungen für die erste und zweite Führungsebene der Banken sowie für große Banken und kleine Banken erstellt.

Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen der Studie zählen:
Volksbanken Raiffeisenbanken verfügen in der Regel über viele und gute Informationen über den Markt (primär durch die Verbundzentrale) entfalten aber selbst vergleichsweise wenig Aktivitäten, eigene Informationen zu generieren und vorhandene Informationen weiter zu vermarkten. Typische Instrumente der Marktforschung werden nicht eingesetzt. Verfügbare Informationen über Kunden werden nicht adäquat genutzt.

Trotz vorhandener Preisstabilität bei den Kunden sind sowohl das Produktportfolio wie die Konditionspolitik optimierbar. Den Mitarbeitern werden nicht ausreichende Verhandlungsspielräume im Kundenkontakt eingeräumt.

Marketing und Vertrieb werden als die Achillesfersen angesehen. Beklagt wird u.a.: die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter; das Fehlen konkreter Marketingziele; das Fehlen von Abwehrstrategien gegen Konkurrenten; das Fehlen eines mobilen Außendienstes; das Fehlen eines aussagefähigen Vertriebswegecontrollings; die teilweise Überalterung des Kundenstammes; zu wenige Aktivitäten, die gegen Konkurrenten gerichtet sind und das Ziel haben, Kunden abzuwerben. Beklagt wird ferner, dass die Informationsqualität unzureichend ist. Im Bereich Marktforschung/Trendforschung wird die fehlende vorausschauende Produktentwicklung moniert. Probleme sehen die Banken auch im Bereich Strategie/Kernkompetenzen. Hier ist es vor allem die fehlende Zertifizierung der Produkte, welche die Banken bisher unterlassen haben.

Weiter wird beklagt, dass Marketingziele nicht konsequent aus Ertragstreibern heraus abgeleitet werden. Alleinstellungsmerkmale der Volksbanken Raiffeisenbanken werden eher nicht gesehen. Dass Kunden die Volksbanken und Raiffeisenbanken als besonders innovativ einschätzen, wird eher nicht erwartet.

Führungskräfte der zweiten Ebene werden als sehr motiviert bezeichnet, ihre Innovationsfähigkeit wird aber als gering angesehen.

Während das Betriebsklima als sehr gut angesehen wird, wird die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter deutlich schlechter gesehen.

Die Software für Marketing und Vertrieb wird als unzureichend eingestuft. Probleme werden auch in der Auswertung vorhandener Daten gesehen. Es wird gewünscht, dass Mitarbeiter ein vernetzteres Denken hätten.

Neue Produkte werden überwiegend nicht selbst entwickelt - und die Kunden erkennen in der Volksbank keine innovative Vorreiterbank.

Generelles Fazit:
Die organisatorischen Verbesserungsmöglichkeiten werden grundsätzlich gesehen. Aber die internen Umsetzungsschwierigkeiten sind zu groß. Die Genossenschaftsbanken sehen sich selbst unter den gegebenen Restriktionen als bestmöglich aufgestellt.

Kleine Banken haben in allen Perspektiven und in allen Erfolgsfaktoren mehr Probleme als größere Banken. Zum Beispiel, da kleineren Banken häufig sowohl das Know-how wie die Ressourcen fehlen, um vorhandene Instrumente einsetzen zu können. Kleine Banken haben das Gefühl, besonders große Probleme darin zu haben, sich bzw. ihre Produkte als "Marke" zu begreifen und zu positionieren. Sie haben auch überdurchschnittliche Probleme, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Gleiches gilt für die Mitarbeiterentwicklung, das Coaching und weitere Fördermaßnahmen. Weiterer Punkt: der Umgang mit dem Marketingbudget wird bei kleineren Banken als weniger effektiv und professionell angesehen als bei größeren Banken.

Die erste Führungsebene schätzt die Situation der Bank in der Perspektive Kunden weit weniger vorteilhaft ein, als die zweite Führungsebene. Anders formuliert: Die erste Führungsebene sieht in den Abläufen der kundenorientierten Aktivitäten der Bank noch mehr Verbesserungsbedarf als die zweite Führungsebene.

Selbst schlecht eingestellte Prozesse innerhalb von Volksbanken Raiffeisenbanken wirken sich nicht sofort auf das Zinsgeschäft aus. Mit anderen Worten: Volksbanken und Raiffeisenbanken können eine gewisse Zeit "schlecht" organisiert sein - sie werden trotzdem noch ihre Zinserträge erwirtschaften.

Der Erfolg einer Bank hängt nicht direkt am Wohlstand einer Region. Er ist eine davon weitgehend unabhängige Größe. Dies bedeutet, dass es für die Institute keine eindeutige Abhängigkeit der Erträge des Zins- und Provisionsgeschäftes vom Wohlstand der jeweiligen Regionen gibt. Vielmehr gibt es eine große Bandbreite an möglichen Zins- und Provisionsüberschüssen, die sich bei einem bestimmten regionalen Wohlstand erreichen lassen. Die Banken haben es also in gewissem Maße in der eigenen Hand, das Zins- und Provisionsaufkommen durch ihre Anstrengungen deutlich zu beeinflussen.

Die Ergebnisse der Studie "Banken und interne Prozesse" können helfen - sollen helfen - eine Strategie zur Ergebnisverbesserung zu erstellen und anschließend diese bei den Volksbanken Raiffeisenbanken zu implementieren.

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Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der Technischen Universität Chemnitz:
Prof. Dr. Friedrich Thießen
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Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre
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