Österreichische Unternehmen stellen Ausschreibungen schlechtes Zeugnis aus
Oft manipuliert, zu zeitaufwändig und nicht fair
Wien (pts029/22.06.2011/16:55) Die heimischen Unternehmen sind Ausschreibungsmuffel. Lediglich 14 Prozent der potenziellen Auftragnehmer haben sich in den letzten 12 Monaten an Ausschreibungen beteiligt. Möglicher Grund: Fast die Hälfte von ihnen hält Ausschreibungen für zu aufwändig und manipuliert. 27 Prozent bezeichnen sie sogar als korrupt. Überraschend sehen das auch Auftraggeber ähnlich: immerhin 29 Prozent halten Ausschreibungen für manipuliert. Insgesamt glaubt fast ein Drittel der Unternehmen, dass sich die Situation rund um Auftragsvergaben in Österreich in den letzten 5 Jahren verschlechtert hat, nur 12% sehen eine Verbesserung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Heid Schiefer.
Eine Umfrage im Auftrag von Heid Schiefer Rechtsanwälte (durchgeführt von meinungsraum.at unter 510 Entscheidungsträgern bei Ausschreibungen und Vergabeverfahren) zeigt ein negatives Bild von Ausschreibungen in Österreich. Auffallend ist, dass Auftraggeber wie Auftragnehmer gleichermaßen eine Verschlechterung der Situation in Österreich innerhalb der letzten fünf Jahre sehen.
Positiv ist allerdings, dass sich bereits fast ein Fünftel der heimischen Unternehmen einmal an einer EU-weiten Ausschreibung beteiligt hat. Auftragnehmer informieren sich übrigens vorwiegend über Amtsblatt, Tageszeitungen und Fachmedien - lediglich 10% tun dies über Online-Portale und gar nur 3% über EU-Datenbanken. Erhoben wurde ein allgemeines Stimmungsbild, die Umfrage ist nicht fokussiert auf öffentliche Auftragsvergaben.
Ausschreibungen in Österreich: Nur 14 Prozent der Unternehmen nehmen teil
Auftragnehmer in Österreich scheinen sich von Ausschreibungen nicht viel zu versprechen: Nur 14 Prozent der befragten Bieter gaben an, in den letzten 12 Monaten an einer Ausschreibung teilgenommen zu haben. Gar 41 Prozent wollen auch in Zukunft nicht an Ausschreibungen teilnehmen, nur 10 Prozent planen künftig verstärkt an Ausschreibungen teilzunehmen.
Jene Unternehmen allerdings, die im letzten Jahr als Bieter angetreten sind, haben durchschnittlich gleich an 15 Ausschreibungen teilgenommen. Dazu Dr. Stephan Heid: "Der Einsatz zahlt sich offenbar aus. Im Schnitt haben engagierte Unternehmen eine Erfolgsquote von 20 Prozent."
Die heimischen Auftraggeber sind durchaus aktiv: 27 Prozent gaben an, in den letzten 12 Monaten zumindest eine größere Ausschreibung durchgeführt zu haben (in den meisten Fällen 1-2), 28 Prozent haben schon einmal einen Auftrag EU-weit ausgeschrieben. Den Aufwand für die Teilnahme bzw. die Durchführung von Ausschreibungen schätzen 54% der Auftragnehmer und 40% der Auftraggeber als "eher hoch" ein.
"Manipuliert, aufwändig, korrupt" - nur drei Prozent der Bieter glauben an Fairness
Woran liegt diese geringe Beteiligung? Bieter geben als Hauptgründe für die Nicht-Teilnahme mangelndes Interesse (31%), gefolgt von zu großem Aufwand (27%) und das Fehlen von Informationen (25%) an. Betrachtet man jedoch das Image, das Ausschreibungen bei österreichischen Unternehmen haben, liegen noch ganz andere Gründe auf dem Tisch. Der Heid Schiefer-Report zeigt: Ausschreibungen in Österreich werden sowohl von Bietern als auch von Auftraggebern hautsächlich mit negativen Eigenschaften in Verbindung gebracht. 48 Prozent der Auftragnehmer verbinden damit am ehesten die Eigenschaft "manipuliert". 47 Prozent bezeichnen sie als aufwändig und 27 Prozent sogar als korrupt. Nur 8 Prozent betrachten sie als transparent, lediglich 3 Prozent als fair. Nur etwas positiver ist das Bild bei den Auftraggebern: Zwar verbinden auch sie Ausschreibungen am ehesten mit Aufwand (36%) und Manipulation (29%), allerdings sagen immerhin 24 Prozent, dass diese notwendig wären. Erstaunlicherweise nur 3 Prozent bescheinigen ihnen Transparenz, dafür sehen sie 14 Prozent als fair an.
Von Schein-Ausschreibungen überzeugt
Wenn es um Eigenschafts-Zuordnung geht, glauben Bieter wie Auftraggeber, dass Schein- Ausschreibungen, bei denen der Auftragnehmer bereits vorher feststeht, in Österreich Gang und Gäbe sind. 62 Prozent der Auftragnehmer und immerhin noch 31 Prozent der Auftraggeber (AG) sind dieser Ansicht. Betrachtet man die positiven Konnotationen, sinken die Zustimmungswerte dramatisch. Lediglich 10 Prozent verbinden damit Chancengleichheit (AG 14%), gar nur 5 Prozent Transparenz (AG 7%). Mag. Martin Schiefer: "Dieses Image ist desaströs und zeigt deutlich, dass Ausschreibungen noch transparenter gestaltet werden müssen. Auch das Know-how über Auftragsvergaben insbesondere auf Bieterseite muss größer werden."
Kommunikationsprobleme und mangelndes Fachwissen
Neben formalen Fehlern und Unterschätzung der Vorlaufzeit sehen Bieter ihre eigenen Fehler hauptsächlich in der Kommunikation mit dem potenziellen Auftraggeber. Diesem werfen sie primär überzogene Forderungen und mangelndes Fachwissen über die angeforderte Leistung vor. Auch Auftraggeber sehen als hauptsächliche Fehlerquelle bei sich die Kommunikation mit den Bietern, gefolgt von formalen und inhaltlichen Fehlern. Ihren potenziellen Lieferanten werfen sie insbesondere vor, die notwendige Vorlaufzeit zu verkennen.
Juristische Beratung erhöht Zuschlagschance
Auftraggeber und Bieter sind sich einig: Formale Fehler gehören zu den am öftesten auftretenden Problemen bei Ausschreibungen. 30 Prozent der Bieter und 26 Prozent der Auftraggeber sehen diesen Fehler häufig und sogar auf ihrer Seite. Wahrscheinlich nehmen deshalb 46 Prozent der Bieter und 50 Prozent der Auftraggeber juristische Beratung bei Ausschreibungen in Anspruch. Und fahren offenbar gut damit: Ein Mittelwert von 1,7 bei Auftragnehmern und Auftraggebern stellt Vergabejuristen ein gutes Qualitätszeugnis aus. Die einen wollen die Qualität ihrer Angebote steigern, die anderen die Qualität der Ausschreibung steigern. Im Hinblick auf den hohen Aufwand, der für beide Seiten mit Ausschreibungen verbunden ist, ein kluger Schritt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das Image von Ausschreibungen in Österreich bessert. Denn zu einem funktionierenden Wettbewerb braucht es Unternehmen, die sich diesem stellen.
Über Heid Schiefer Rechtsanwälte:
Die von Dr. Stephan Heid und Mag. Martin Schiefer im Jahr 2000 gegründete Kanzlei ist eine der führenden österreichischen Rechtsanwaltssozietäten im öffentlichen Wirtschaftsrecht, insbesondere dem Vergabe-, Vertrags- und Prozessrecht mit Hauptsitz in Wien. Weitere Kanzlei-Standorte (Sprechstellen) befinden sich in St. Pölten und Klagenfurt. Heid Schiefer ist spezialisiert auf juristisches Projektmanagement und berät öffentliche Auftraggeber ebenso wie Auftragnehmer. 12 Juristen betreuten im Jahr 2010 rund 100 Vergabeverfahren auf Auftraggeberseite und ca. 30 Vergabekontrollverfahren. Heid Schiefer ist darüber hinaus Herausgeber zahlreicher Publikationen ("Handbuch Vergaberecht", "Vergabeanwalt Info Plus", "Vergabeanwalt Infoletter", "Recht und Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe") und regelmäßiger Referent bei führenden Seminaren zum Thema Vergaberecht.
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