Südkorea rückt von Klarnamenzwang ab
Internationale Forderungen werden lauter
Anonymes Kind: Unter Verdacht (Foto: pixelio.de, Stephanie Hofschlaeger) |
Seoul (pte003/13.08.2011/06:00) Der Ruf nach einem Ende der Anonymität im Internet erschallt nicht zum ersten Mal. Die Tragödie in Norwegen hat entsprechenden Forderungen zuletzt wieder Auftrieb verschafft. In Südkorea rudert die Regierung nach schlechten Erfahrungen mit dem Zwang zu echten Namen mittlerweile wieder zurück.
Daten kompromittiert
Am Donnerstag hat die südkoreanische Regierung angekündigt, ein 2007 in Kraft getretenes Gesetz, das Internetnutzer in manchen Fällen zur Angabe ihres echten Namens zwingt, überarbeiten zu wollen. Die geltende Legislatur sieht vor, dass Menschen, die sich auf Webseiten mit mehr als 100.000 täglichen Besuchern einloggen, ihren richtigen Namen verwenden und ihre Melderegisternummer angeben. Anlass für den Gesinnungswandel der Regierung in Seoul ist ein massiver Datenskandal. Hacker haben 35 Mio. Datensätze von Nate http://nate.com , einem der beliebtesten Internetportale des Landes, gestohlen. Jetzt müssen sich also zwei Drittel der Bevölkerung Sorgen um ihre persönlichen Daten machen.
Auf die Diskussion in Europa werden die schlechten Nachrichten aus Südkorea keinen Einfluss haben, sagt Hans Zeger von Arge Daten http://argedaten.at im Gespräch mit pressetext. Zwischenzeitlich hat selbst der deutsche Innenminister ein Ende der Anonymität im Netz gefordert, wie der Spiegel berichtet. "Das ist populistischer Aktionismus, ein Versuch einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben. Die Bürokratie und die Sicherheitsbehörden wollen auf moderne Entwicklungen reagieren. Das Ergebnis sind Zensurmaßnahmen", meint Zeger.
Wie hilflos die Politik einer geänderten Realität gegenübersteht, kann man im Moment in London beobachten. Horden von jungen, wütenden Leuten, die sich mit den Kommunikationsmitteln ihrer Generation organisieren (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110809016 ), ziehen plündernd durch die Straßen. Die Politik hat es bis dato nicht geschafft, eine passende Antwort zu finden.
Kommerzielle Interessen
Neben den Sicherheitsbehörden haben auch kommerzielle Unternehmungen ein Interesse an einer Demaskierung der Netzgemeinde. Facebook und Google+ hätten beide am liebsten nur solche Nutzer, die ihre wahre Identität preisgeben. "Wenn die kursierenden Zahlen zur Menge der Nutzer auf Facebook in Relation zum kolportierten Wert des Unternehmens gesetzt werden, ergibt sich ein Wert von etwa 70 Euro pro Nutzer. Natürlich gibt es ein Interesse daran, dass die Nutzer sich mit echtem Namen registrieren. Einen ungeprüften Datensatz will niemand kaufen", erläutert Zeger.
Der Klarnamenzwang erleichtert Identitätsdiebstahl. Wenn, wie in Südkorea, relevante Daten bereits mit dem richtigen Namen einer Person verknüpft sind, nimmt das Kriminellen einiges an Arbeit ab. Das Argument, dass verbrecherischen Machenschaften mit einem Ende der Anonymität Einhalt geboten werden kann, greift auch zu kurz. "Die, die Böses wollen, werden trotzdem einen Weg finden", so Zeger. Unappetitliche Postings könnten mit der Einführung von geprüften Identitäten vielleicht verhindert werden. Die sind laut Zeger aber Teil des Rechtes auf freie Meinungsäußerung.
"An einen gewissen Prozentsatz an Blödsinn werden wir uns gewöhnen müssen. Das gab es früher am Stammtisch auch, nur hat sich da am nächsten Tag niemand mehr daran erinnert, weil alle betrunken waren. Für strafrechtlich relevante Aussagen haben die Behörden und die Moderatoren von Internetseiten heute schon entsprechende Mittel bei der Hand. Anonyme Meinungsäußerung ist, im strafrechtlich vertretbaren Rahmen, ein Menschenrecht", erklärt Zeger im Gespräch mit pressetext.
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