pte20120214019 Technologie/Digitalisierung, Forschung/Entwicklung

Smartphone soll Angstzustände lindern

Einsatz von Apps zur Behandlung von psychischen Leiden umstritten


Psychisches Leiden: Behandlung via Smartphone (Foto: pixelio.de, G. Altmann)
Psychisches Leiden: Behandlung via Smartphone (Foto: pixelio.de, G. Altmann)

New York (pte019/14.02.2012/11:46) US-Forscher planen den Einsatz von Therapie-Apps an Smartphones, wie die New York Times berichtet. Mit Programmen soll Menschen mit Depressionen oder Angstzuständen so überall schnell geholfen werden. Einige Studien bescheinigen der Behandlung via Handy gute Erfolgsquoten, viele Wissenschaftler bleiben aber skeptisch. "Die Verhaltenstherapie sagt vereinfacht, dass alles was hilft, gut ist. Betroffene können durchaus selber etwas gegen psychische Leiden unternehmen. Das war mittels Selbsthilfebüchern auch vorher schon möglich. Eine professionelle Analyse kann so aber nicht ersetzt werden", sagt Bernad Batinic von der Johannes Kepler Universität Linz http://www.jku.at gegenüber pressetext.

Sehr hohe Reichweite

Von den therapeutischen Apps versprechen sich die Wissenschaftler hauptsächlich eine hohe Reichweite. "Für viele Menschen ist die Hemmschwelle zu einem Arzt zu gehen ziemlich hoch. Bei einer App ist die Einstiegsschwelle niedrig, das selbe Prinzip wird auch bei der Online- und Telefonseelsorge genutzt. Als begleitende oder vorbereitende Maßnahme kann so etwas Sinn machen. Eine Therapie im psychologischen Sinn ersetzt es aber nicht", so Batinic. Auch andere Wissenschaftler bezweifeln den therapeutischen Nutzen. Einige Studien bescheinigen einzelnen Programmen aber hohe Erfolgsraten.

Ein Programm versucht ängstlichen Menschen mithilfe einer Verhaltensmodifikation zu helfen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Menschen mit Angststörungen sich unbewusst häufig auf Menschen mit negativem Gesichtsausdruck konzentrieren, wenn sie sich mit einer Menge konfrontiert sehen. Mithilfe eines Handyprogramms versuchen Wissenschaftler die Betroffenen darauf zu konditionieren, die negativen Gesichter zu ignorieren. Die Handy-App zeigt zwei Gesichter, eines neutral, das andere negativ. Der Blick der Probanden wird mithilfe von Pop-ups auf die neutralen Gesichter gelenkt. Einige Minuten dieses "Spiels" pro Tag sollen Betroffenen bereits helfen.

Verwirrende Ergebnisse

Eine große Studie von Wissernschaftlern der Universitäten Harvard und Boston untersuchte die Wirksamkeit der Gesichtsausdrucks-App anhand von 338 Patienten mit Angststörungen. Nach insgesamt 4.000 Spiel-Runden konnte der Angst-Wert der Probanden im Schnitt um 22 Punkte gesenkt werden. Der Wert einer Kontrollgruppe ohne App-Verwendung fiel um acht Punkte. Allerdings fiel auch der Wert einer zweiten Kontrollgruppe, die eine App ohne therapeutische Konzeption verwendete um 22 Punkte. "Der Placebo-Effekt ist auch für psychische Leiden lange bekannt. Er wird auch in Zusammenhang mit der Psychoanalyse diskutiert", so Batinic.

Es gebe Meinungen, nach denen ein gewisser Prozentsatz von Patienten, die sich zwei Jahre lang regelmäßig mit irgendeiner Person unterhalten, Besserung zeigen, sagt der Experte. "Auch die Tagesverfassung spielt eine Rolle. Spontanremissionen kommen ebenfalls vor. Dass die Placebogruppe dieselbe Besserungsrate aufweist, wie die behandelte Gruppe, sagt noch nichts über die Stabilität des Effekts aus", so Batinic.

Auch andere, kleinere Studien bescheinigen den Programmen Erfolge in der Behandlung von Angstzuständen. "Auch Studien basieren auf inhärenten Annahmen. Die Ergebnmisse könnten auch bedeuten, dass Ablenkung ein probates Mittel ist", so Batinic. In Bezug auf Depressionen sind die Ergebnisse der einschlägigen Studien weitaus weniger vielversprechend.

(Ende)
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