pts20130709005 Forschung/Entwicklung, Produkte/Innovationen

Altran: "Zugausfälle lassen sich vermeiden"

Modellbasiertes Engineering schafft Zeit- und Kostenersparnis


Frankfurt am Main (pts005/09.07.2013/09:00) Hersteller von Zügen und Lokomotiven landen regelmäßig in den Schlagzeilen, weil sich die Auslieferung ihrer Züge verzögert oder einzelne Systeme wie zum Beispiel Klimaanlagen ausfallen. Dann gerät meist das Eisenbahnbundesamt aufgrund seiner im Vergleich zu den Behörden anderer Ländern hohen Bürokratie und langsamen Arbeitsweise in die Schusslinie. Allerdings rückt in dieser Diskussion nur selten die Entwicklung des Produktes "Lok bzw. Zug" in den Fokus. Und gerade hier gibt es noch viel Potenzial: Würden Zughersteller in Deutschland auf zeitgerechtere Methoden bei der Entwicklung umstellen, könnte günstiger und schneller entwickelt, und fehlerfreier ausgeliefert werden. Doch die Angst vor der Veränderung scheint immer noch Hersteller zu lähmen.

Wie in jeder technischen Branche werden auch in der Bahnbranche die meisten Systeme für den Betrieb neuer Züge zusehends komplexer. Auch hier halten Computer & Co. mehr und mehr Einzug: Viele Funktionen, die früher mechanisch umgesetzt wurden, werden heute durch Software abgebildet. Hinzukommen mehr und mehr neue Funktionen, die ohne Software nicht realisiert werden konnten. So wird zum Beispiel selbst das elektronische TCMS (Train Control and Monitoring System), das als Gehirn des Zugs jegliche Kontroll-und Kommunikationsfunktionen im Zug überwacht, zunehmend mit neuen und auch sicherheitsrelevanten Funktionen versehen. Hier werden etwa Türen, Bremsen, Klimaanlage und Zustandsanzeigen gesteuert. Was nur wenige wissen: Häufig sorgen gerade Fehler in dieser Software für Zugausfälle.

Steigende Komplexität sorgt für Verzögerungen

Für steigende Komplexität sorgt auch der Anspruch, Triebfahrzeuge leichter und dennoch sicherer zu bauen, um sie energieeffizienter betreiben zu können. Hinzu kommen die hohen Anforderungen des Eisenbahnbundesamtes. Hier erweist es sich als besonderes Problem, dass die Mitarbeiter der Behörde Innovation häufig durch Beharren auf veraltete Standards ausbremsen. So ist es die wesentliche Aufgabe, den dortigen Prüfingenieuren vor Augen zu führen, wie sich Standards und Normen auch mit ganz neuen Ansätzen erfüllen lassen. Und es gibt noch einen dritten Trend, der die Entwicklung von Zügen erschwert und einen Umstieg auf die modellbasierte Entwicklung für elektronische Systeme mit einem entsprechenden Softwareanteil damit plausibel erscheinen lässt: Die zunehmende Internationalisierung des Schienenverkehrs.

Bis heute werden viele Teile einer Lok in Deutschland und vielen Ländern Europas in klassischer Art und Weise am Reißbrett entwickelt. Dies führt fast immer dazu, dass das ursprünglich kalkulierte Budget überschritten und die Loks zu spät ausgeliefert werden. Dadurch manövrieren sich die Hersteller auch auf globaler Ebene ins Hintertreffen. "Die vielen Tausend Anforderungen gepaart mit der Komplexität des "Systems" Lok bzw. Zug die heute erfüllt werden müssen, sind selbst von erfahrenen Ingenieuren kaum noch im Auge zu behalten. Dies führt zu aufwendigen Änderungen in späteren Entwicklungsphasen, oder im schlimmsten Fall nach betrieblichen Einführung", sagt Michael Zimmermann, Senior Manager bei Altran.

Diese immer wieder auftretenden Probleme lassen vermuten, dass bereits in der frühen Entwicklungsphase nicht alles rund läuft, vielmehr scheint der gewohnte Entwicklungsansatz überholt, wie in anderen Industrien bereits erkannt wurde. "Die Hersteller benötigen einen modernen und leistungsfähigeren Ansatz für ihr System Engineering, der den gestiegenen Anforderungen Rechnung trägt", sagt Michael Zimmermann. "Hersteller in anderen Ländern, die bereits vor einigen Jahren auf den MBE-Ansatz umstellten, berichten bei der Entwicklung komplexer Systeme wie z. B. einem Steuerungssystem in der Bahntechnik von einer deutlichen Reduzierung der Entwicklungszeit bei deutlich geringeren Kosten und einem besseren Risikomanagement", erklärt Michael Zimmermann weiter.

Modellbasiertes Engineering bringt Zeit- und Kostenersparnis

Ein weiterer Vorteil des modellbasierten Engineerings: "Man gewinnt ein besseres Verständnis davon, was man eigentlich entwickeln will, da man sich nicht in Kleinigkeiten verliert und häufiger das große und ganze Entwicklungsziel vor Augen hat", sagt Michael Zimmermann. "So können wir in frühen Systemphasen bereits viele Fehler ausmerzen, noch bevor der erste Prototyp des Gesamtsystems überhaupt gebaut wird." Dennoch scheint die Anwendbarkeit der zum 'Systems Engineering' gehörigen Entwicklungsmethode noch immer falsch eingeschätzt zu werden. Auch die vielen Vorteile, die bei der Anwendung im Kleinen gar nicht gesehen werden können, bleiben unbeachtet. So bringt die Methode für Hersteller von Zügen, Autos oder auch Flugzeugen u.a. eine deutlich bessere Rückverfolgbarkeit aller ursprünglichen Anforderungen. Auch ist es möglich, Lösungsalternativen sehr früh zu simulieren, um solidere Entscheidungen treffen zu können.

Auch der Nachweis über die Reproduzierbarkeit von Entwicklungsergebnissen ("Validierung") gelingt mit modellbasierter Entwicklung und bringt nennenswerte Zeit- und Kostenersparnis. Weiterhin verstehen die Entwickler die Schnittstellen und die wechselseitige Beeinflussung von Subsystemen und angrenzenden Systemen auf einer tieferen Ebene besser. Aus all diesen Vorteilen wiederum folgt ein besseres Änderungsmanagement, hinzu gesellt sich der Vorteil der Wiederverwendbarkeit der Modelle. Denn wurde die Funktionalität einer Lok einmal vollständig modelliert, können alle Entwicklungsstandorte permanent daran weiterarbeiten. Die Ingenieure fangen nicht jedes Mal wieder bei null an, wie es der Fall ist, wenn sie ein neues System an einer materiell existenten Lok bzw. Zug testen würden.

Auch in Sachen Nachhaltigkeit bietet die modellbasierte Entwicklung klare Vorteile: Sie schont Ressourcen und ergänzt so die Nachhaltigkeitsstrategien der Hersteller", sagt Michael Zimmermann. Wenn nämlich die Entwicklung in Form von Modellen per Software realisiert wird, hat dies nennenswerte positive Auswirkungen auf alle nachgelagerten Bereiche wie zum Beispiel Materialbeschaffung, Testbauten, Fertigung, Service und Logistik.

Anzahl an Fehlern in den Sytemen kann durch MBE weiter verringert werden

Trotz dieser Vorteile gibt es bei den deutschen und europäischen Zugherstellern in diesem Bereich kaum Forschungsprojekte. Viele Hersteller von Triebwagen haben die modellbasierte Entwicklung bisher nun in kleinen Teilprojekten getestet, was dann häufig zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt hat. Die Vorteile dieser Entwicklungsmethode kommen aber erst dann richtig zur Geltung, wenn man die Entwicklung strukturiert über den kompletten Entwicklungszyklus auf modellbasierte Softwareentwicklung betrachtet" erläutert Michael Zimmermann seine Erfahrungen.

Zwar versuchen Bahnhersteller die Gründe für Verzögerungen häufig den zuständigen Behörden zuzuschieben, doch weiß man bei Altran aus Erfahrungen in anderen Ländern: "Die Anzahl an Fehlern in den Systemen wäre wesentlich geringer gewesen, wenn die Hersteller ihre Züge auf breiterer Front modellbasiert entwickelt hätten", sagt Michael Zimmermann. "Auch Änderungen in den Regularien der Behörden lassen sich bei modellbasierter Entwicklung viel leichter umsetzen", so Zimmermann.

Von der Umstellung auf die neue Methode profitiert auch die Wartung der Loks: So kann die Software z. B. berechnen, wie besonders tief in der Lok sitzende und damit schwer zu erreichende Komponenten am einfachsten und mit geringstem Aufwand gewartet werden könnten. Zudem unterstützt sie die Fehlersuche und macht Vorschläge zur optimalenFehlerbehebung.

Stellt sich die Frage, warum das Management die Entwicklungsmethode nicht umstellt, wenn die modellbasierte Entwicklung scheinbar vor Vorteilen nur so strotzt? Die größte Hürde ist derzeit die Umstellung in der ersten Entwicklungsphase, denn der Aufwand ist bedeutend höher als bei der klassischen Entwicklungsmethode; zudem fallen für das Tool laufend Lizenzkosten an und die Einsparungen kommen erst in einer späteren Entwicklungsphase. Viele Unternehmen scheuen daher aufgrund der hohen Einstiegskosten die Umstellung.

Über modellbasierte Entwicklung (MBE)
Die MBE-Methode umfasst die Anforderungen, Spezifikation, Entwurf, (Fein-)Design, Entwicklung, Verifikation und Validierung komplexer Systeme unter Verwendung eines funktionalen Systemmodells. Dieses Modell ist der zentrale Punkt im gesamten Entwicklungsprozess anstelle von vielen unterschiedlichen Dokumenten, wie es bei der klassischen Entwicklung der Fall ist. Dies heißt jedoch nicht, dass alle diese Dokumente entfallen. Damit ist "das Modell" die Hauptquelle in Sachen Anforderungen, Architektur, Design und Test. Egal, ob das System bereits existiert oder noch entwickelt werden muss. Viele Unternehmen haben bereits Ansätze zur modellbasierten Entwicklung im Einsatz, allerdings werden diese in den meisten Fällen nur punktuell von einzelnen Systementwicklern eingesetzt. Der Unterschied von dieser Arbeitsweise zur nachhaltigen und durchgängigen Nutzung des modellbasierten Entwickelns besteht darin, dass MBE hier über alle Projektphasen einer Produktentwicklung eingesetzt wird. Insbesondere in der Bahnindustrie gibt es hier noch große Verbesserungspotenziale.

Über Altran
Altran wurde 1982 in Paris gegründet und ist das global führende Beratungsunternehmen für Innovations- und Ingenieurdienstleistungen. Altran begleitet seine Kunden bei der Konzeption und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und berät seit über 30 Jahren Marktführer aus den Bereichen Automobilbau, Energie, Finanzen, Healthcare, Luft- und Raumfahrt, Schienen- und Transportwesen sowie Telekommunikation. Altran deckt mit seinen Beratungsangeboten sämtliche Stufen der Projektentwicklung ab, von der strategischen Planung bis hin zur Serienreife und kann dabei auf umfangreiches Technologie-Know-how aus vier Solutions zurückgreifen: Innovative Technologies, Sustainable Products, Sustainability Concepts sowie Sustainable Enterprise Performance. Altran beschäftigt derzeit weltweit mehr als 20.000 Mitarbeiter in über 20 Ländern, bei einem Jahresumsatz der Gruppe von 1,45 Mrd. Euro im Jahr 2012. Die Aktie von Altran ist an der Euronext-Börse in Paris gelistet. In Deutschland zählt das Beratungsunternehmen rund 3.000 Mitarbeiter. Der deutsche Unternehmenssitz befindet sich in Frankfurt am Main.

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Aussender: Altran GmbH & Co. KG
Ansprechpartner: Dr. Markus Ross
Tel.: +49 (0) 261 91 599 733
E-Mail: markus.ross@altran.com
Website: www.altran.de
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