pts20150114002 Bildung/Karriere, Politik/Recht

Mathe-Matura: Sein oder nicht-sein, das ist hier die Frage

Eine Streitschrift von Victor Mihalic


Victor Mihalic (Copyright: Victor Mihalic)
Victor Mihalic (Copyright: Victor Mihalic)

Wien (pts002/14.01.2015/06:00) Aktuell wird heiß diskutiert, ob die Mathematik-Matura zentral oder dezentral durchgeführt werden soll. Diese Frage ist wichtig, jedoch weit weniger entscheidend als jene: Wie viel Mathematik braucht der Mensch um sowohl sein berufliches als auch privates Leben meistern zu können? Damit beschäftigt sich in weiterer Folge Victor Mihalic, unter anderem Chairman des europäischen Wirtschaftszertifikats EBC*L.

Grob berechnet muss sich ein AHS-Schüler 2.000 Stunden mit all den komplexen mathematischen Themen beschäftigen, die im Lehrplan seit Jahrzehnten fast unverändert in Stein gemeißelt sind: Nichtlineare Funktionen, Multiplizieren von Vektoren, Logarithmusfunktionen und besonders schön: "Definieren des Differentialquotienten ausgehend vom Differenzenquotienten". Das Studium dieses Lehrplans erweckt wohl bei nicht wenigen so manchen Albtraum an die Mathe-Matura.

Jede Stunde wäre berechtigt gewesen, wenn man dieses Wissen jemals brauchen würde. Das ist allerdings keineswegs der Fall, wie Victor Mihalic aus eigener Erfahrung bestätigen kann: "In meinem gesamten beruflichen als auch privaten Leben habe ich gerade einmal die vier Grundrechnungsarten sowie Prozent- und Zinsrechnungen angewendet." Das klingt erstaunlich, denn Mihalic ist Gründer und Geschäftsführer von mehreren Unternehmen, international tätiger Managementtrainer und Autor mehrerer Betriebswirtschaftsbücher. Er steht damit allerdings nicht alleine da, wie seine Recherchen ergeben haben: "Ich habe mittlerweile wohl hunderte Leute gefragt, wie viel Mathematik sie anwenden würden. Darunter waren Vorstände, Universitätsprofessoren, Journalisten, Lehrer, Ärzte, aber auch Techniker. Kein Einziger konnte angeben, dass er mehr Mathematik anwenden würde als ich."

Damit stellt sich natürlich die Frage der Wirtschaftlichkeit, die auf folgender einfachen Formel beruht: Mit möglichst wenig Input einen möglichst großen Output zu erzielen. Dass der Mathematik-Unterricht dabei keine guten Werte erzielen wird, ist offensichtlich: 2.000 Stunden Input stehen wenig nutzbarer Output gegenüber.

Was jedoch wahrscheinlich noch mehr wiegt sind die Kollateralschäden, die durch den flächendeckenden, überzogenen Mathematik-Unterricht für alle angerichtet werden, die da sind:

- Mathematik ist ein maßgeblicher Grund für die hohen Schulabbruchsraten.

- Damit gehen einher zig Tausende ohne Schulabschluss, deren Weg als Langzeitarbeitsloser mit wenig Hoffnung vorgezeichnet ist.

- Gravierende Benachteiligung der unteren Bildungsschichten, deren Eltern die Kompetenz oder Zeit fehlen ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen und die sich auch nicht 30 Euro für eine Stunde Nachhilfeunterricht leisten können.

- Mitleidende Eltern, die ihre wertvolle Freizeit opfern müssen um mit ihren Kindern zu lernen ("wir haben morgen Mathe-Schularbeit") oder Erspartes für Nachhilfeunterricht ausgeben müssen.

- Spannungen und Streitigkeiten in der Familie aufgrund schlechter Schulleistungen

- Maßgeblicher Anteil daran, dass Frauen, die sich mit Mathematik aus noch nicht ganz erklärbaren Gründen schwerer tun, Technikberufe meiden.

- Ein Erschlagen aller wunderbaren Begabungen und Talente, die in der Mathematik schlecht aber in anderen Bereichen genial sein können.

- Ein vermindertes Selbstbewusstsein der mathematisch weniger begabten, die maßgebliche Persönlichkeitsstörungen nach sich ziehen können.

- Ein Ausbrennen der Lehrer, die gegen Schüler anrennen müssen, denen Sie auf die Frage nach dem Sinn: "Wozu brauchen wir das?" keine plausible Antwort geben können.

- Insgesamt somit eine Vernichtung von unheimlich viel intellektuellem und kreativem Potential, das in den Köpfen unseres Landes steckt sowie Verursachung von Leid in enormem Ausmaß.

Kann sich ein Land wie Österreich, das seine Stellung im globalen Wettbewerb behaupten will, ein Vergeuden dieser wertvoller Ressourcen noch leisten?

Radikale Lösung erforderlich

An die Wurzel gehend, soll heißen radikal, muss die Lösung sein. Sie muss mit folgender Fragestellung beginnen, die sich wohl jeder stellen würde, der heute von Null weg einen Lehrplan erstellen müsste: "Warum braucht man überhaupt Mathematik? Und wieviel Mathematik ist für wen notwendig?"

Es bedarf keiner großen Studien um feststellen zu können: Für den allergrößten Anteil der Bevölkerung (sagen wir 70 Prozent) reichen grundlegende Rechenkenntnisse, die natürlich auch logisches Verständnis, Schlussrechnungen, einfache Flächenberechnungen und ein Gefühl für Zahlen und Verhältnisse beinhalten sollen. Für diese würde somit das Unterrichtsfach "Rechnen und Hausverstand" genügen.

Die mathematisch Begabten sollen sich hingegen bereits in der Schule jene mathematischen Kenntnisse aneignen, die es Ihnen ermöglicht einen technischen Beruf oder aber auch ein Technikstudium mit einem sehr hohen Eingangsniveau beginnen können (was wiederum wertvolle Ressourcen an den Unis einsparen würde). Diese (30 Prozent) können dann auch den Technik-Standort Österreich sichern und uns als Draufgabe bei diversen internationalen Mathematik-Wettbewerben würdig vertreten.

Gilt das nur für den Gegenstand "Mathematik"? Natürlich nicht! Der gesamte Lehrplan sollte nach dem Prinzip: "Kernwissen für jeden, erweitertes Spezialwissen für die Begabten" gestaltet werden.

Das Einsparungspotential an Zeit, Geld und Nerven ist gewaltig. Der Phantasie, was man mit den frei werdenden Ressourcen Sinnvolles machen könnte, sind keine Grenzen gesetzt. Victor Mihalic würde da beispielsweise folgendes einfallen: neben der Aneignung der Sozialkompetenzen, wirtschaftliches Know how, ein grundlegendes medizinisches als auch rechtliches Wissen, einen Haushalt führen, Kochen, Kreativität ausleben, ein Musikinstrument lernen uvm. Nicht zuletzt würde auch genug Geld zur Verfügung stehen um heutige Fachprofessoren zu Weltklasse-Pädagogen zu machen, die hochkompetente Lernbegleiter sind und das wichtigste "Lernwerkzeug" ihrer anvertrauten SchülerInnen grundlegend verstehen lernen: das Gehirn.

EBC*L macht es vor: Kernwissen, zentrale Prüfung und Qualitätskontrolle

Im Jahr 2000 startete die EBC*L-Initiative zur Verbreitung betriebswirtschaftlichen Wissens (http://www.ebcl.at ). Ziel war es, einen internationalen Standard zu setzen, was Lerninhalte als auch überprüfbare Qualität betrifft. Ganz zu Beginn stand die Frage im Zentrum: "Wer braucht wie viel betriebswirtschaftliches Know how?" Studien brachten ein dreistufiges Konzept: Betriebswirtschaftliches Kernwissen (für fast jeden), wirtschaftliches Planungswissen (für Personen mit Planungskompetenzen), Führungswissen für Personen in Management- und Führungspositionen.

Durch international normierte und standardisierte Prüfungen wird gewährleistet, dass nur jene ein EBC*L-Zertifikat bekommen, die das erforderliche Wissensniveau nachgewiesen haben. Die durchführenden Institute und Schulen verpflichten sich die Qualitätsstandards einzuhalten.

Modernste Lernmaterialien und Trainingskonzepte helfen die Lernziele schnell und freudvoll zu erreichen. Für TrainerInnen und LehrerInnen werden Train-the-Trainer-Lehrgänge angeboten.

Obwohl das für alle Beteiligten einen hohen Aufwand bedeutet, ist die Zufriedenheit bei allen zu nahe 100 Prozent gegeben. Das Geheimnis des Erfolgs sieht Mihalic darin: Die heutige Generation lässt sich nur dann motivieren, wenn ihr der Sinn und die Ziele erläutert werden und sie sich damit identifizieren kann. Dann werden erstaunliche Kräfte entwickelt, wie auch die EBC*L Community tagtäglich beweist.
Aufruf zum mitpoltern!

Egal ob Sie meine Meinung enthusiastisch teilen oder diese für einen vollkommenen Schwachsinn halten, würde ich mich über Ihre Rückmeldung freuen: victor@mihalic.at.

MMag. Victor Mihalic, Volkswirt und Wirtschaftspädagoge, ist Initiator und Chairman des Europäischen Wirtschaftszertifikats EBC*L, Managementtrainer, Autor von mehreren wirtschaftlichen Fachbüchern und e-learning-Programmen, die in 20 Sprachen übersetzt wurden.

(Ende)
Aussender: EBC*L International
Ansprechpartner: MMag. Victor Mihalic
Tel.: 01/ 813 99 77
E-Mail: mihalic@ebcl.eu
Website: www.ebcl.at
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