Das Ende der 4-Zylinder - Lizenzierung von Oracle Database Standard
Gastkommentar von Torsten Boch, Senior Product Manager bei Matrix42
Frankfurt am Main/Zürich/Wien (pts011/15.09.2015/10:45) Oracle-Kunden haben wirklich keine einfache Zeit. Noch sind die Diskussionen um die lizenzrechtlichen Auswirkungen der erweiterten Lastverteilungsfunktionen von VMware vCenter 6.0 nicht abgeklungen, da steht schon die nächste Aufregung in der Tür. Am 1. September informierte der Softwarehersteller seine Kunden darüber, dass die neue "Standard Edition 2" jetzt verfügbar sei und die beiden bisherigen Editionen Standard sowie Standard One ersetzen wird. Das wäre an sich keine weitere Notiz wert, doch dieser Wechsel hat es in sich.
Die neue Edition hat im Vergleich zu ihren Vorfahren sowohl technische, als auch vertragliche Einschränkungen. Lizenzrechtlich gibt es nun die Vorgabe, dass sie nur auf Servern mit maximal zwei Prozessoren eingesetzt werden darf. Nur der Vollständigkeit halber erwähnt sei, dass auch die Lizenzierung über Named User Plus verschärft wurde. Hier gilt nun das Minimum von zehn benötigten Lizenzen für jeden einzelnen Server. Bisher belief sich die Mindestlizenzierung auf fünf Lizenzen für das ganze Unternehmen. Oracle hat diese Lizenzbedingungen auch auf seiner Webseite veröffentlicht.
Der größte Pferdefuß ist allerdings die technische Beschränkung der Datenbanksoftware auf 16 Prozessor-Threads. Die neue Version ist tatsächlich so eingebremst, dass die Datenbank nicht mehr als diese Rechenleistung verwendet. Der Umstand, dass das neue Produkt Standard Edition 2 als Patchversion (12.1.0.2) auf den Markt gebracht wird, kommt für viele Kunden einer Vollbremsung mit blockierenden Rädern gleich, da sie vorhandene Installationen eigentlich nur auf einen aktuellen Supportstand bringen wollen.
Zusammengefasst ist demnach bei einer physischen Maschine mit zwei CPU und jeweils acht Kernen das Ende der Einsatzmöglichkeiten faktisch erschöpft. Kurzfristig unter technischen Gesichtspunkten, mittelfristig auch lizenzrechtlich. Als Ausweg bleibt im Grunde nur die Enterprise Edition.
Abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit
Oracle betont ausdrücklich, dass kein Kunde gezwungen wird, auf die neue Standard Edition 2 zu migrieren. Damit muss kein Unternehmen fürchten, dass die lizenzrechtliche Prozessorgrenze mit Einspielen der Patchversion kostentechnisch automatisch zur Enterprise Edition führt. Das amerikanische Unternehmen erklärt, dass eine solche Lizenzmigration der schriftlichen Form bedarf. Dieses Wahlrecht dürfte für sehr viele Kunden jedoch nicht nur wertlos sein, sondern sogar teuer. Denn damit einher geht eine Erhöhung der Wartungskosten um 20 Prozent.
Die technische Beschränkung auf 16 CPU-Threads würde automatisch dazu führen, dass zahlreiche Geschäftsanwendungen "auf 4-Zylinder-Motoren nur noch auf zwei Töpfen tuckern". Viele Systeme dürften sorgsam austariert sein, indem die technischen Rechenressourcen auf die Last der Datenbank abgestimmt wurden. Eine Abriegelung, wie man sie bisher nur von Autoherstellern kannte, bedeutet ein hohes Risiko für den Geschäftsbetrieb. Faktisch kommt sie einer kaufmännischen Zwangsmigration gleich.
Da ist es fast belanglos, dass Oracle erwähnt, dass es ab Januar 2016 keine Lizenzen mehr für die alte Standard Edition zu kaufen geben wird. Wenn man alle Aspekte dieses überraschenden Produktwechsels zwischen "Tür und Angel einer Patchversion" betrachtet, bleibt Unternehmen sehr wenig oder kein Spielraum. Technisches Downsizing oder lizenzrechtliches Upgrade. So wird es kurzfristig aussehen.
Das Ende der 4-Zylinder
Welche finanzielle Steigung ein lizenzrechtliches Upgrade mit sich bringt, dürfte jeder Kunde ahnen. Die Lizenzkosten für eine Standard Edition sind auf einer 4-CPU Maschine mit insgesamt 16 Kernen nach Preisliste noch vergleichsweise günstige 70.000 USD (4 CPU x 17.500 USD). Für die Enterprise Edition würden stattdessen 380.000 USD anfallen (16 Kerne x 47.500 USD bei einem Core-Faktor von 0,5). Das entspricht einer Kostensteigerung von sagenhaften 542 Prozent!
Es mag ein kleiner Trost für Oracle Kunden sein, dass sie aufgrund der Implikationen von vCenter 6.0 sowieso schon auf dem Weg sind, ihre lizenzrechtliche Situation in einem simulierten Audit zu evaluieren. Da kann man die Beurteilung der vorhandenen Instanzen der Standard Editionen gleich mitnehmen. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen. Wer aber noch in Schockstarre ist, für den wird es jetzt endgültig Zeit, sich zu regen.
Über den Autor
Torsten Boch, Senior Product Manager
Torsten Boch ist seit 2006 Produktmanager bei Matrix42 im Bereich "Compliance" mit den Schwerpunkten License, Asset und Contract Management. Davor war er 15 Jahre als Entwickler, Berater und Projektleiter bei verschiedenen Unternehmen für die Gestaltung und den Einsatz von Standardsoftware verantwortlich. Er ist Diplom Betriebswirt mit einer Spezialisierung auf Steuer- und Handelsrecht sowie Bilanzierung und Buchführung.
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