Amazon-Lageristen machen aus Zeitnot in Flaschen
Undercover-Journalist über unwürdige Arbeitsbedingungen in England
Amazon-Halle: massive Kritik an Arbeitsbedingungen (Foto: amazon.co.uk) |
Rugeley/Berlin/Frankfurt am Main (pte003/17.04.2018/06:10) Aus Angst davor, zu viel Zeit für den Gang zur Toilette zu benötigen, greifen Lagerarbeiter des Online-Versandhändlers Amazon http://amazon.com am britischen Standort Rugeley zu Flaschen, um ihr "kleines Geschäft" zu verrichten. Das berichtet Investigativjournalist James Bloodworth, nachdem er im Zuge von Recherchen zu vorherrschenden Arbeitsbedingungen undercover in dem Amazon-Lager in der englischen Grafschaft Staffordshire angestellt war. Die Angst, wegen zu langer Toilettengänge entlassen zu werden, sei in der Belegschaft weitverbreitet.
Strenge Zeitvorgaben alltäglich
"Sowas habe ich in Deutschland noch nicht gehört", sagt Heiko Peter Krenz http://krenz-kanzlei.de , Fachanwalt für Arbeitsrecht gegenüber pressetext. "Gesetzlich besteht hierfür bei uns keine Regelung, jegliche Art von Pause bei der Arbeit beruht auf der Toleranz der Firma." "Für Mitarbeiter, die im obersten Stockwerk arbeiten, sind die nächsten Toiletten vier Treppen abwärts gelegen", wie Bloodworth gegenüber "The Sun" berichtet. "Die Leute haben einfach in Flaschen gepinkelt, weil sie Angst hatten, ihren Job durch zu lange Abwesenheiten vom Arbeitsplatz zu verlieren."
Immer wieder steht Amazon wegen den Arbeitsbedingungen in der Kritik. Strenge Zeitvorgaben und zu erfüllende Ziele setzen die Lageristen unter Druck, Warnungen seitens des Unternehmens bei zu langen Pausen und verfehlten Zielen sind keine Seltenheit. In einer kürzlich erschienenen Umfrage unter Mitarbeitern gaben rund 75 Prozent der Befragten an, Angst vor der Toiletten-Nutzung während der Arbeitszeit zu haben. "Ich trinke auf der Arbeit kein Wasser mehr, ich habe keine Zeit zu pinkeln", wird ein Mitarbeiter zitiert.
"Das ist unvorstellbar. Ich befasse mich seit 20 Jahren mit Arbeitsrecht, sowas ist mir noch nicht untergekommen", zeigt sich auch Rechtsanwältin Barbara Bleicher http://arbeitsrecht-bleicher.de im Gespräch mit pressetext überrascht. "Dass der Arbeitgeber bei Raucherpausen manchmal was sagt, ist bekannt - aber das ist ein Wahnsinn."
Amazon weist Schuld von sich
Amazon selbst will von den erhobenen Vorwürfen nichts wissen und streitet die veröffentlichten Fälle ab. "Uns wurde nicht bestätigt, dass die Personen, die die Umfrage ausgefüllt haben, bei Amazon gearbeitet haben und wir erkennen diese Behauptungen nicht an", wie das Unternehmen auf Anfrage des "Business Insider" bekanntgibt. Man sei ein beliebter Arbeitgeber und biete auch Führungen durch die eigenen Lagerhallen an, damit Besucher sehen, "was nach dem Klick auf 'Kaufen' bei Amazon geschieht."
Zudem betont Amazon, dass Toiletten-Pausen der Mitarbeiter zeitlich nicht erfasst werden. Man helfe, Mitarbeiter-Performances durch gezielte Trainings zu verbessen, setze jedoch niemanden unter Druck. Auch bei Krankschreibungen der Mitarbeiter könne sich die Belegschaft auf ein ausgeprägtes System von betriebsinternen Medizinern und Krankenvorsorge des Betriebes verlassen.
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