Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerks "Volkskultur als Dialog. Wirkungen, Funktionen und Kontexte"
Information zur Pressekonferenz vom 20. August 2019
Linz/Gmunden (ptp017/21.08.2019/13:00) Die diesjährige Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerks findet von 21. bis zum 24. August 2019 mit dem Titel "Volkskultur als Dialog. Wirkungen, Funktionen und Kontexte" in Gmunden statt. Unter diesem Titel geht es um Volkskultur und ihre Verknüpfung mit Emotionen, Erwartungen und Hoffnungen sowohl aus praktischer als auch aus wissenschaftlicher Perspektive.
Wirkungen von Volkskultur und Volksmusik
Volkskultur, wie immer man sie versteht, spielt sich nicht im luftleeren Raum, sondern in der Mitte der Gesellschaft ab. So vielfältig sie gelebt und erlebt wird, hat sie mit jedem Einzelnen von uns zu tun und ist stets verknüpft mit unseren persönlichen Emotionen, Erwartungen und Hoffnungen. Speziell Volksmusik ist ein Weg, um den Gefühlen Ausdruck zu verleihen: Ein Jodler in der Natur kann die Seele befreien, das Singen von Liedern tröstet in schweren Stunden, gemeinsames Musizieren auf der Alm oder im Wirtshaus schafft Gemeinschaft. Damit vermag Volksmusik Genuss und Freude zu erzeugen, aber auch andere Gefühlszustände wie Melancholie, Traurigkeit, oder Ablehnung auszulösen.
Singgemeinschaften können auf andere Gäste im Wirtshaus störend wirken oder Volkslieder auf Grund von persönlichen Erfahrungen beklemmen. An das Gedächtnis anknüpfend, verschafft sich Musik einen Zugang zu unserem Bewusstsein. "Nicht nur beim Singen mit älteren Menschen können wir diese Momente erleben, bei denen Lieder verschiedenste Gefühle auslösen und an unsere Vergangenheit anknüpfen", schildert Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer, Präsident des Österreichischen Volksliedwerks und Landesobmann des OÖ. Seniorenbunds, aus eigener Erfahrung.
In den Vorträgen und Diskussionen der Sommerakademie dreht sich daher alles um die Fragen, wie, wann und wo Lieder etwa trösten, das Leben erleichtern, erheitern oder aber Menschen einengen. In einem Singworkshop wird der NÖ.-Moderator, Singleiter und Musikvermittler Norbert Hauer aus seinem Erfahrungsschatz berichten, wie er es seit vielen Jahren schafft, Menschen für das Singen zu begeistern, egal ob Kinder, Häftlinge oder im "Incentive"-Bereich. Die Tagungsteilnehmer* der Sommerakademie können seine Methoden im Singworkshop gleich selbst erleben.
Gelerntes zeigen die TagungsteilnehmerInnen mit lokalen Musikern dann bei einem offenen Singen und Tanzen am Rathausplatz in Gmunden am 23. August um 18 Uhr. PassantInnen und BesucherInnen des Töpfermarktes sind herzlich eingeladen, die Wirkungen von Singen, Musizieren und Tanzen an diesem Abend selbst auszuprobieren. Die Sommerakademie sucht somit den Dialog, um Fragen zu klären, welche Bedeutungen "Volkskultur" für Menschen hat und haben kann, vielleicht auch haben soll. Im Rahmen der Tagung wird über Bereiche der Anwendung, den lebenspraktischen Gebrauch im Alltag, über Ausdrucksformen für jede Gelegenheit diskutiert.
Ernst Schusser stellt in seinem Beitrag die gegenwärtige Praxis der Volksmusik im Bezirk Oberbayern vor. Hier setzt das Volksmusikarchiv und die Volksmusikpflege darauf, Singen und Musizieren als zwischenmenschliche Unterhaltung im Jahres- und Lebensbrauch in Familien, in Schulen, in Vereinen generationsübergreifend zu verankern, um dadurch das soziale Miteinander der Menschen zu fördern.
Kontexte und Funktionen von Musik und Gebrauch von Musik
Wenn wir fragen, wer an Volkskultur Interesse hat, dann geht es auch um den Umgang damit. "Es geht um Erwartungen und Hoffnungen, um Nutzungen zur kreativen Selbstherstellung als der 'Identität' verheißenden Selbstdarstellung und es geht um Instrumentalisierungen", so äußert es Prof. Dr. Konrad Köstlin, Vizepräsident des Österreichischen Volksliedwerks. Nichts geschieht "bloß so", absichtslos: Wer also tut was, wann und in welchem Interesse? Mit Beispielen aus der Gegenwart und Vergangenheit werden ReferentInnen den verschiedensten Funktionen von Musik nachspüren.
Um Identität und Widerstand geht es im Vortrag des Schriftstellers, Schauspielers und Sängers Martin Auer. Er referiert über "Das jiddische Volkslied" als Mittel zur Selbstbehauptung und zum Widerstand. Gegenwärtige Beispiele von Singen als Zeichen des Protests zeigt Sofia Weissenegger vom Österreichischen Volksliedwerk auf. Die Gruppe "Von Seiten der Gemeinde" stellt ihre musikalische Auseinandersetzung mit der eigenen Tiroler Heimat vor. Dazu durchforschten sie Archive heimischer Regionalsender nach verwertbaren Sprachsamples, die sie mit Raptracks zu einem Gesamtwerk vereinen. Es können also auch Haltungen über Musik ausgedrückt werden.
Eine typische volksmusikalische Form ist das Gstanzlsingen, bei der die/der Sänger/in Weisheiten, Begebenheiten und Personen ironisch aufs Korn nimmt. Ingeborg Geyer vom Austrian Center for Digital Humanities der Österreichischen Akademie der Wissenschaften spricht über "Gstanzltexte im Wandel der Zeit", in Memoriam an das Forscherehepaar Hans und Gerlinde Haid. Gstanzln sind zumeist im Dialekt verfasst. Über die soziale Bedeutung von Dialekt und Hochsprache und den Sprachgebrauch in Österreich wird Barbara Soukup, ebenfalls von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, referieren.
Allgemeine Informationen zur Sommerakademie "Volkskultur als Dialog"
Die Sommerakademie richtet sich mit ihrem Programm an VertreterInnen von volkskulturellen Verbänden, Initiativen und Einichtungen sowie MusikerInnen, TänzerInnen, Studierende, KulturwissenschaftlerInnen, VertreterInnen aus Wirtschaft und Tourismus sowie an alle interessierten Privatpersonen. Tageskarten sind noch jederzeit vor Ort erhältlich (für 56 Euro; ermäßigt 36 Euro, inklusive Verpflegung). Für PädagogInnen gilt die Sommerakademie als Fortbildung. Für Übernachtungsgäste ist die Sommerakademie ausgebucht.
Die Sommerakademie "Volkskultur als Dialog" wird seit 1992 mit Unterbrechungen abgehalten. Sie ist eine Diskussionsplattform, die sowohl den praktischen als auch den theoretischen Zugang zur Volkskultur zu hinterfragen und zu überprüfen versucht. Ziel dieser jährlichen Veranstaltungsreihe ist es, das breite Betätigungsfeld der Volkskultur zu reflektieren und Brücken zu schlagen zwischen jenen, die Volkskultur leben, und jenen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen. Denn Volkskultur ist ein lebendiger Dialog zur Selbstvergewisserung unserer modernen Lebenswelt.
Das Österreichische Volksliedwerk
Seit seiner Gründung 1904 zählen Sammlung, Archivierung, Dokumentation und Vermittlung der musikalischen Volkskultur in vergangenen und gegenwärtigen Erscheinungsformen zu den Hauptaufgaben der Institution. Dabei wird Volkskultur heute nicht mehr ausschließlich als Traditionspflege verstanden, sondern sie eröffnet der Kreativität breiter Bevölkerungsschichten eine Vielzahl, auch zeitgebundener Ausdrucksformen und lässt Raum für interkulturelle Prozesse. Die Funktion des Österreichischen Volksliedwerks als Dachverband der Bundesländer liegt in der Schaffung von Rahmenbedingungen und der Koordination gemeinsamer Anliegen und Projekte auf regionaler bis hin zu internationaler Ebene. Basis der Arbeit stellen die Sammelbestände der Archive dar. Die Angebote im Verbund bleiben nicht nur den ca. 7000 Vereinsmitgliedern vorbehalten, sondern stehen allen Interessierten offen.
Weitere Projekte des Österreichischen Volksliedwerks zum Thema:
"Komm, wir singen!" - ein Schulprojekt mit Hubert von Goisern
Die Wirksamkeit von Musik auf die Wissensaneignung, auf die sozialen sowie kognitiven Kompetenzen ist in vielen wissenschaftlichen Disziplinen erwiesen. Singen hat positive Auswirkungen auf das geistige und körperliche Wohlbefinden. Diese besondere Ausdrucksform ist eine elementare und zugleich hoch komplexe Tätigkeit, ein integrativer Akt, der Körper, Seele und Geist auf einzigartige Weise miteinander verbindet.
Um das gemeinsame Singen und diese positiven Auswirkungen im Schulalltag zu fördern, wurde gemeinsam mit Hubert von Goisern das Projekt "Komm, wir singen!" entwickelt. Im Schuljahr 2019-2020 sind die SchülerInnen aller Schulstufen und - arten eingeladen, an Musik-, Tanz-, Rhythmus- oder Musiktheaterprojekten rund um die von Hubert von Goisern ausgewählten Lieder und Gstanzlmelodien zu arbeiten. Alle Liedblätter, Hörbeispiele sowie Projektbeispiele unter: http://www.volksmusikland.at/lernen
Dabei können die Lieder mannigfaltig interpretiert, sowie in verschiedenen Sprachen, gestalterisch und kulturgeschichtlich erarbeitet werden. Mit dem Singen der Lieder sollen Beziehungen zu anderen Kulturen, Kunst- und Kulturformen, neuen Medien und zu außerschulischen Einrichtungen hergestellt, sowie Begegnungen zwischen Generationen und zu Menschen mit besonderen Bedürfnissen geschaffen werden.
Am 1. Juli 2020 sind Schulklassen aller Stufen und Typen eingeladen, in einem Konzert gemeinsam mit Hubert von Goisern diese Lieder aufzuführen. Das Konzert findet in Klagenfurt im Rahmen des Bundesjugendsingens statt.
Pressefotos und Hinweise können unter folgendem Link heruntergeladen werden: http://www.volksliedwerk.at -> Projekte -> Presse
Kontakt für Rückfragen:
Mag.a Irene Egger (Geschäftsleitung)
Österreichisches Volksliedwerk, Operngasse 6, 1010 Wien,
Telefon: +43 (0)1/512 63 35, Mobil: 0664 5319757
Fax: +43 (0)1/512 63 35-13
E-Mail: irene.egger@volksliedwerk.at
Web: http://www.volksliedwerk.at
Programm:
Mittwoch, 21. August 2019, ab 16 Uhr
- Einführung. Konrad Köstlin, Vizepräsident und Leiter der wissenschaftlichen Kommission des Österreichischen Volksliedwerks
- Zur Geschichte der Schweizer Volksmusik. Brigitte Bachmann-Geiser, Ethnomusikologin
- Abendessen im Landhotel Grünberg mit der Salzkammergut Geigenmusi
Donnerstag, 22. August 2019, 9 bis 12 Uhr
- Da, wo du nicht bist, ist das Glück! Die Sehnsucht nach dem Lande im Wienerlied des 19. & 20. Jahrhunderts. Herbert Zotti, Vorsitzender Wiener Volksliedwerk, BAG Volkstanz
- Leben im Landhausstil? Tanz und Überlieferung als Lebensform. Else Schmidt, Pädagogin Haydn Gymnasium Wien und ARGE Volkstanz Wien, BAG Volkstanz
- Volksmusik zwischen den Fronten: Zithervereinsspiel im Roten Wien und während des Zweiten Weltkriegs. Katharina Pecher-Havers, Institut für Musikpädagogik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
15 bis 19 Uhr
- Immaterielles Kulturerbe, Volkskultur als Ressource. Bärbel Kleindorfer-Marx, Landratsamt Cham, Kulturreferat
- Mensch und Musik - Schlaglichter zur gegenwärtigen Praxis der Volksmusikpflege im Bezirk Oberbayern. Ernst Schusser, Volksmusikarchiv und Volksmusikpflege des Bezirks Oberbayern
- Lust am Singen, Workshop zur Singvermittlung. Norbert Hauer, Musikant, Singleiter, Kulturvermittler, Moderator
- Im Anschluss offenes Singen und Tanzen gemeinsam mit Else Schmidt, Norbert Hauer und Herbert Zotti als Vorbereitungen für das öffentliche Singen, Musizieren, Tanzen am 23.8. am Rathausplatz in Gmunden.
Freitag 23. August 2019, 9 bis 12 Uhr
- Das jiddische Volkslied: Selbstbehauptung, Selbstverständigung und Widerstand mit Musikbeispielen aus dem eigenen Repertoire. Martin Auer, Schriftsteller, Schauspieler und Sänger
- Identitätensuche - das neue deutsche Lied der 1960er Jahre. Felix Ruppert, Masterstudium Empirische Kulturwissenschaft, Philipps-Universität Marburg
15 bis 17 Uhr
- Singen als Zeichen des Protests - ein Feldforschungsbericht vom Wiener Minoritenplatz. Sofia Weissenegger, Österreichisches Volksliedwerk
- Dialekt als Dialog: Soziolinguistisches zu Sprachgebrauch und Spracheinstellungen in Österreich. Barbara Soukup, Austrian Center for Digital Humanities, Österreichische Akademie der Wissenschaften
18 Uhr
- Offenes Singen, Musizieren und Tanzen am Rathausplatz in Gmunden gestaltet von den Teilnehmenden der Sommerakademie und lokalen Musikgruppen im Anschluss Empfang Stadt Gmunden.
Samstag, 24. August 2019, 9 bis 12 Uhr
- Von Seiten der Gemeinde, eine musikalische Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat: Vom Sample zum fertigen Track. "Yo!Zepp" und "Testa", Musiker
- Gstanzltexte im Wandel der Zeit, in Memoriam Hans und Gerlinde Haid. Ingeborg Geyer, Austrian Center for Digital Humanities, Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Zusammenfassung und Abschlussdiskussion. Walter Deutsch, Ehrenpräsident des Österreichischen Volksliedwerks
Aussender: | VWGÖ - Verband Wissenschaftlicher Gesellschaften Österreichs |
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