Wie Jugendliche auch am Land den passenden Beruf finden
#BO_konkret: Fachtagung Berufsorientierung an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich
Baden (pts020/25.09.2019/12:30) Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Berufsorientierung gehen in Baden der Frage nach, was nachhaltige Berufsorientierung braucht, um regional zu wirken.
"Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher. Die Wege waren vorgezeichnet. Was die Kinder wollten, war dabei meistens egal, welche Talente sie hatten, auch. Heute ist das anders." Rektor Erwin Rauscher bringt in seinen Begrüßungsworten zur gestrigen Fachtagung ein wesentliches Problem auf den Punkt, vor dem junge Menschen heute stehen: aus der großen Auswahl an Möglichkeiten, den richtigen Beruf zu finden. Auf der anderen Seite stehen Betriebe - vor allem im ländlichen Raum - die händeringend nach Fachkräften suchen. Rauscher: "Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt kehren sich um. Es sind nicht mehr die Bewerber, die sich um Unternehmen bemühen, sondern Unternehmen kämpfen um die besten Bewerber."
ReBOx - Regionale Berufsorientierung ermöglichen
Wie nun junge Menschen auf ihrem Weg der Berufsfindung mit den Arbeitskräfte suchenden Betrieben einer Region optimal zusammengeführt werden können, damit beschäftigte sich das Projekt "ReBOx - Regionale Berufsorientierung ermöglichen". Das Projekt wurde mit Schülerinnen und Schülern der NMS Lanzenkirchen durchgeführt. Es greift den bisherigen schulischen Berufsorientierungsprozess auf und verankert diesen regional durch die Einbindung örtlicher Unternehmen. Die alltagsnahe Begegnung und die Ausrichtung auf das regionale Wissen unterstützen den Blick auf berufliche Chancen und Potenziale in der Region.
Die beiden Projektleiterinnen Elke Szalai und Margit Pichler erzählen zu Beginn der Fachtagung über die Ziele des Projekts. Eines davon: dass Kompetenz und Wissen in der Region bleibt, wie Elke Szalai erklärt. Deshalb wurden möglichst viele regionale Stakeholder wie regionale Betriebe, das Arbeitsmarktservice, Wirtschafts- und Arbeiterkammer, aber vor allem auch die Eltern der Schülerinnen und Schüler im Projekt integriert. Ein zweiter wesentlicher Schwerpunkt des Projekts lag in der Sensibilisierung der Jugendlichen, ihre eigenen Talente zu erkennen. Es ging also um Selbstreflexion. Im Rahmen möglichst offener Prozesse und wenig formalistischer Vorgaben sollten sich die Jugendlichen "auf Spur bringen, selbst zu erkennen, was für sie wichtig und richtig ist und dadurch Verantwortung in der Berufsfindung übernehmen", erzählt Margit Pichler. "Auch etwas herauszufinden, was man nicht will, ist eine wichtige Erkenntnis", so Pichler. So durfte und sollte das Ziel während des Prozesses durchaus immer wieder abgeändert werden.
Die Schülerinnen und Schüler selbst präsentieren mit vielen Bildern die einzelnen Aktivitäten im Projekt, wie etwa den Besuch der Bildungs- und Berufsmesse JOBMania, so genannte "Pattern Mining Workshops", in denen die Jugendlichen ihr Wissen und ihre Erfahrungen sammelten und auf innere Muster untersuchten und zur Sprache brachten.
Wichtig: Einbindung der Eltern und Aufbrechen starrer Berufsvorstellungen
In der anschließenden Podiumsdiskussion geht es unter anderem um die Einbindung der Eltern. Reinhard Bauer vom Institut für Berufsbildung an der PH Wien: "Die Eltern sind nach wie vor die größten Influencer, was die Berufswahl betrifft". Wichtig sei daher auch, die Muster der Eltern zur Sprache zu bringen. "Wir müssen die Eltern überzeugen, ihre Söhne und Töchter jenen Beruf lernen zu lassen, den sie sich wünschen. Die Kinder haben oft eine konkrete Vorstellung, aber es ist schwierig, die Eltern zu überzeugen."
Ein weiteres Problem liege darin, das sowohl Kinder als auch Eltern oft nur einen sehr eingeschränkten Blick auf die Fülle der Möglichkeiten in der Berufswahl haben, weil die Berufsprofile heute auch oft nicht mehr so einfach zu beschreiben seien. Ein wichtiges Gesetz in der Berufsorientierung sei daher einfache Sprache, sind sich die Diskustanten einig. Vizerektor Norbert Kraker mahnt in diesem Zusammenhang zu mehr Zukunftsoptimismus: "Wir müssen unsere Kinder darauf vorbereiten, flexibel zu sein. Da braucht es eine positive Grundhaltung. Es geht um das Zerstören der starren alten Bilder und das Aufbauen neuer Bilder."
Brückenschlag zwischen Stadt und Land
Conny Wernitznig, Regionalmanagerin aus dem Mühlviertel, beleuchtet am Nachmittag die Problematiken des Lebens und Arbeitens in ländlichen Regionen. Zwar biete das Leben am Land viele Vorteile, wie gute soziale Netzwerke und hohe Lebensqualität. Wenn aber Jugendliche eine Entscheidung treffen müssen, welchen Berufsweg sie einschlagen, sei es oft schwierig, in ländlichen Regionen das passende Angebot zu finden. Viele ziehen für die Ausbildung in die Stadt und bleiben danach auch dort. Andererseits sei es aufgrund der dünnen Besiedelung auch für Betriebe in ländlichen Regionen sehr schwierig, geeignete Arbeitskräfte zu finden.
Die Regionalentwicklerin erzählt in weiterer Folge über Projekte, mit denen der Brückenschlag zwischen Stadt und Land geschafft werden kann. Im Rahmen eines Lehrlingsparlaments etwa werden Lehrlinge angeregt, ihre Bedürfnisse und ihre Wünsche an die Arbeitswelt auszudrücken. Diese Anliegen wurden an die Betriebe weitergegeben. Dank der "Lehrlingsparlamentarier" gibt es einige Betriebe, die wieder Lehrlinge gefunden haben, erzählt Wernitznig: "Es zeigt, dass man nicht für Jugendliche, sondern mit ihnen etwas machen muss".
Mini TrainCamp
Beim abschließenden Mini TrainCamp sind die Teilnehmenden dazu eingeladen, ihre Ideen zum Thema #BO_konkret auszutauschen, zu diskutieren und sich zu vernetzen.
Die Fachtagung wurde von der und dem Projektteam in Kooperation der Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer Niederösterreich organisiert. Das Projekt "ReBOx - Regionale Berufsorientierung ermöglichen" wurde durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft und dem Unternehmen Planung und Vielfalt ermöglicht.
Fotoalbum zur Fachtagung: https://photos.app.goo.gl/47VYf5u6TVWh6uUP6
Link zur Tagungsseite: http://link.ph-noe.ac.at/fachtagungbo
Aussender: | Pädagogische Hochschule Niederösterreich |
Ansprechpartner: | Walter Fikisz |
Tel.: | +43 650 4721023 |
E-Mail: | walter.fikisz@ph-noe.ac.at |
Website: | www.ph-noe.ac.at |