pts20201102035 Politik/Recht, Unternehmen/Wirtschaft

Ablenkmanöver mit dem illegalen Glücksspiel

Weshalb illegale Glücksspielbetreiber als Vorwand für schlechten Spielerschutz verwendet werden


Illegale Betreiber als Ablenkmanöver (Foto: Shutterstock)
Illegale Betreiber als Ablenkmanöver (Foto: Shutterstock)

Wels (pts035/02.11.2020/14:00) In den letzten Monaten vergeht kaum eine Woche, in der nicht medial über Razzien beim illegalen Glücksspiel berichtet wird. So werden erneut hunderte Automaten von illegalen Betreibern beschlagnahmt. Die Medien und Politik zeichnen ein erschreckendes Bild. Geht es nach ihnen, sind die illegalen Betreiber daran Schuld, dass es keinen lückenlos funktionierenden Spielerschutz in Österreich gibt. Finanzminister Blümel sagt, "illegales Glücksspiel zerstöre Existenzen". Wir sind der Meinung: Auch die legalen Betreiber tun das.

Banden, Mafia und Kriminalität?

Politisch wurde das Thema des illegalen Glücksspiels gut platziert. In den Köpfen der Menschen in diesem Land ist illegales Glücksspiel die Verbindung von Illegalität mit Kriminalität, von schmutzigem Geld und zerstörten Existenzen, Banden und mafiösen Netzwerken. Das gezeichnete Bild ist zerstörerisch, jede Schlagzeile mit einer Erfolgsmeldung im Kampf gegen diese Netzwerke wird als Erfolg gefeiert. Als Erfolg im Kampf gegen Kriminalität und für besseren Spielerschutz. Doch geht es dabei tatsächlich um Spielerschutz?

Glücksspielbetreiber betonen auffallend häufig, wie wichtig ihnen der Kampf gegen das illegale Glücksspiel ist. Doch auch in der Politik findet sich diese Aussage häufig. Die Ergebnisse unserer intensiven Recherchen im Bereich des Glücksspiels zeigen eines ganz klar: Die illegalen Betreiber dienen häufig als Ablenkung von eigenen Versäumnissen. Ein gezieltes Ablenkmanöver.

Hochsensibles Thema

Verbindungspersonen des legalen Glücksspiels versuchen den Verein Spielerhilfe in der Ecke des illegalen Glücksspiels zu positionieren und somit als unglaubwürdig darzustellen. Kritische Spielerschutz-Themen kommen hinter den Kulissen dieser Branche nicht gut an. Sie bedeuten nämlich zwangsläufig Rückgänge bei der Kundenfrequenz und vor allem einen weiterführend großen Umsatzverlust. Wer kritisch gegen diese Branche arbeitet, wird in das böse Eck der Illegalen gestellt, so die Ansicht des Vereins. Eine clevere Strategie.

Doch dieser müssen wir ganz klar entgegentreten, denn der Verein steht weder in Kontakt mit lizenzlosen Betreibern, noch wird er vom Glücksspiel oder anderen damit in Verbindung stehenden Personen oder Unternehmen finanziert. Er agiert völlig eigenfinanziert, aus privaten Mitteln der Mitglieder. Aus gutem Grund, denn er ist und bleibt unabhängig und kritisch. Für ein Ziel: Besseren Spielerschutz.

Lizenzlose Betreiber wurden über Nacht zu Illegalen gemacht

Die Wahrheit betreffend etlicher nunmehr illegalen Betreiber ist, dass es sich dabei um Unternehmen handelt, die völlig legal bis zur Glücksspielgesetzesnovelle 2010 einzelne Glücksspielautomaten aufstellen durften. Ab dem Jahr 2010 wurde notwendig, dass sich Betreiber von Glücksspiel um eine Lizenz für das Spiel mit dem Glück bewerben müssen. Doch bei der Bewerbung kamen nur ganz wenige der bisher tätigen Unternehmen zum Zug. Stattdessen waren wenige bekannte Unternehmen die wirklichen Gewinner der Ausschreibungen. Etliche andere erhielten keine Lizenzen und ihnen wurde über Nacht die Geschäftsgrundlage entzogen.

Ob diese Vorgänge der österreichischen Lizenzvergaben damals ähnlich wie in anderen Ländern abgelaufen sind, darüber wird in der Branche nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Beispielsweise wurde vor kurzem bekannt, dass die Casinos Austria in Bosnien ein Monopol erhalten haben. Quasi über Nacht wurde dort das Glücksspielgesetz abgeändert. Etliche Betreiber wurden über Nacht zu Illegalen erklärt. Nunmehr einzig zulässiger Anbieter von Glücksspielautomaten? Die Casinos Austria, die dabei mit der Novomatic kooperiert, so ZackZack. https://zackzack.at/2019/12/14/casinos-austria-monopol-in-bosnien/

Natürlich gibt es auch lizenzlose Betreiber, die sich nie um eine Lizenz bewerben würden, selbst wenn das österreichische Monopol gekippt und ein fairer und offener Marktzugang geschaffen wird, wie es in anderen Ländern schon Normalität ist. Hier muss ganz klar differenziert werden. Doch illegales Glücksspiel gibt es seit eh und je. In Kellern, Hinterzimmern und Garagen - nicht nur in Österreich.

Angeblich guter Spielerschutz

Als Begründung für den harten Kampf gegen die lizenzlosen Anbieter von Glücksspiel führen Politik und der legale Mitbewerb den Spielerschutz an. Denn für die lizenzlosen Betreiber gilt das Glücksspielgesetz nicht, somit ist dort der gesetzliche Spielerschutz nicht vorhanden. Doch die Begründung wertet der Verein Spielerhilfe als absolute Nebelgranate. Ein klassisches Ablenkmanöver.

In erster Linie geht es der Konkurrenz natürlich einmal darum, dass die lizenzlosen Anbieter ihnen Umsätze wegnehmen. Auch die lizenzlosen Anbieter haben Prüfungen von Seiten des Finanzministeriums und müssen ebenso Glücksspielabgaben bezahlen wie lizenzierte Anbieter.

Novomatic-Manager: Leider sind die illegalen Geräte zurückgegangen

Ein kürzlich aufgetauchtes Chat-Protokoll zwischen zwei Novomatic-Managern bringt zu Tage, mit welchen harten Bandagen in dieser Branche gekämpft wird. Illegale Betreiber dienen ganz offensichtlich als Instrument, um eigene Ziele zu erreichen und den eigenen Spielerschutz als erstklassig zu präsentieren.

"Leider sind aber auch in Wien seit dem Verbot die illegalen Geräte auf 300 bis 500 Geräte zurückgegangen (durch massiven Einsatz der FinPol) und es hat sich Richtung Sportwetten verlagert. Beides keine Infos die wir teilen wollen", so der Novomatic-Manager gegenüber damaligem Konzern-Chef Neumann, wie profil berichtete: https://www.profil.at/wirtschaft/novomatic-kritik-wer-ist-dieser-idiot/401059308

Illegales Glücksspiel als Hürde für zentrale Sperrdatenbank Spielsüchtiger

Im Gespräch mit einem legalen Glücksspielbetreiber erfuhr der Verein, dass die illegalen Betreiber weiters als Vorwand verwendet werden, die seit 2010 geplante Einführung einer zentralen Sperrdatenbank zu verhindern. Die Errichtung einer zentralen Sperrdatenbank könne keine faire und gute Lösung sein, wenn der Spielsüchtige in Folge einer Selbstsperre bei keinem legalen Betreiber mehr spielen könne und so zu den illegalen Betreibern abwandern würde, so die Führungskraft des Betreibers.

Finanzminister ortet Existenzzerstörung durch illegale Betreiber

"Der Kampf gegen das organisierte illegale Glücksspiel wird selbstverständlich konsequent fortgesetzt, um Spieler zu schützen. Die Glücksspielmafia profitiert von der Sucht der Menschen und zerstört deren wirtschaftliche Existenz, daher dürfen wir hier absolut keine Toleranz zeigen", so Finanzminister Gernot Blümel in einem Facebook-Posting des Finanzministeriums: https://www.facebook.com/finanzministerium/posts/4346062558767715/

"Illegales Glücksspiel ruiniert Existenzen und ganze Familien", so Blümel gegenüber der Kronen Zeitung: https://www.krone.at/2234195

Doch Blümel übersieht dabei, dass auch Existenzen bei legalen Betreibern zerstört werden. Denn bis heute gibt es beispielsweise keinen übergreifenden Spielerschutz bei den Betreibern. Dabei steht dieser seit 2010 im Glücksspielgesetz festgeschrieben. Die zentrale Sperrdatenbank wurde immer noch nicht eingerichtet. Überhaupt sind die Spielerschutz-Maßnahmen bei den legalen Betreibern auf einem äußerst niedrigen Niveau angesiedelt. Und laufend werden Verstöße legaler Betreiber bekannt https://www.spielerhilfe.at/spielerschutz-massnahmen-die-keinen-effektiven-schutz-bieten , die den dort betriebenen Spielerschutz ebenso in Frage stellen.

Die Maßnahmen zum Schutz Spielsüchtiger sind im Glücksspielgesetz festgelegt. Von effektivem Schutz kann man bei genauerer Betrachtung nicht sprechen. Es ist besser als nichts, aber deutlich zuwenig um Menschen mit diesen Maßnahmen effektiv schützen zu können. Offenbar ist der Gesetzgeber bisher nicht gewillt, effiziente Schutzmaßnahmen vorzuschreiben, oder es fehlt ihm schlicht das Wissen, wie effizienter Schutz aussieht.

Immerhin fließen üppige Steuereinnahmen durch das Glücksspiel zum Finanzministerium. Die bekanntgewordenen Details um geplante Änderungen beim Glücksspiel https://www.profil.at/wirtschaft/geheimplan-finanzministerium-wollte-gluecksspielmarkt-liberalisieren/400968224 lassen einen Interessenskonflikt https://www.spielerhilfe.at/stabsstelle-spielerschutz-im-finanzministerium-vernachlaessigt-den-spielerschutz vermuten.

Äußerst unbefriedigend für Betroffene

Das Spiel mit den illegalen Betreibern ist ein Kampf um Umsätze und Steuern. Geld, das sowohl der Staat als auch die legale Konkurrenz selbst verdienen möchte. Und keine Frage, es muss konsequent gegen die illegalen Anbieter vorgegangen werden, dies ist auch die Position des Vereins Spielerhilfe: https://www.spielerhilfe.at/unsere-position

Doch inhaltlich geht es um den wirklich notwendigen Schutz von Betroffenen, den Spielsüchtigen. Illegales Glücksspiel wird es wohl immer in irgendeiner Form geben. Effiziente Schutzmaßnahmen für Spielsüchtige sind jedoch sofort gefragt und müssen völlig unabhängig von illegalen Betreibern existieren. Die illegalen Betreiber dürfen hier nicht länger als Ausrede dienen, österreichweit und gesetzlich keinen lückenlosen und besonders effizienten Schutz bei den legalen Betreibern abzubilden.

(Ende)
Aussender: Verein "Spielerhilfe"
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