pts20220928021 Bauen/Wohnen, Auto/Verkehr

Wenn bahnhofsnahe Architektur einem "Barcode" gleicht, ist Umdenken gefragt und etwas mehr Identitätsarchitektur

Architekt Justus Asselmeyer zum "Mal im Ernst"-Artikel in "Die Zeit"


Hamburg (pts021/28.09.2022/11:50)

"An jedem Bahnhof steht dasselbe Haus …" - so beginnt der kritische Kommentar von Henning Sussebach, einem Reporter der "Zeit", der scheinbar sehr oft mit dem Zug in Deutschland unterwegs ist. Ihm fiel auf, dass an vielen deutschen Bahnhöfen dieselben Gebäude stehen. Mächtig, anonym und - wie es ein Kommentator auf Twitter bezeichnet - "wie ein Barcode". Der Hamburger Architekt Justus Asselmeyer nimmt seine Berufskollegen in Schutz und fordert mehr Mut bei Auftraggebern: "Die Architekten setzen hier das um, was man von ihnen verlangt. Und verlangt wird maximale Gewinnoptimierung in Gebäuden, deren Nutzer man vorher gar nicht kennt und daher die gewünschte Architektur zu allen und jedem passen muss. Kein Wunder, wenn dann der Vergleich mit einer Legebatterie naheliegt."

Asselmeyer fordert mehr sogenannte Identitätsarchitektur anstelle von identitätsloser Architektur bei solch großen Bauvorhaben, die jahrzehntelang das Stadtbild prägen. Sein Ansatz ist daher nicht die Kritik an den Architekten, sondern die Kritik an der Quartiersplanung und der reinen Gewinnoptimierung von anonymen XYZ-Investoren. https://asselmeyerarchitekt.de/

Diese Wiederholungs-Architektur ist das Ergebnis von emotionslosen Bauvorgaben

Egal, ob Köln, Freiburg, Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe Berlin-Adlershof und sogar in Wien. Überall sieht man diese gleichförmigen Quader am Gleisende. Da die Vermarktung der Grundstücke meist über ortsfremde Investoren abgewickelt wird, sind sie es, die hauptverantwortlich für das Ergebnis sind. Bei langfristigen Planungen von Investmentgesellschaften ist der spätere Mieter meist unklar. Wer aber nicht weiß, wer später in seine Gebäude einziehen soll, der macht sich auch keine Gedanken über die Nutzung durch die jeweiligen "Menschen" und der Architekt muss dementsprechend unangepasst planen, damit es für alle passt.

"Fakt ist doch, dass sich die Vermieter ja nur für die maximale Gewinnoptimierung interessieren. Im Zeit-Artikel fällt der Begriff 'Achsraster' und das bedeutet nun mal für den Architekten, maximale Wirtschaftlichkeit, Bürozellen von 2,70 Meter bei einer Raster-Einheit von 1,35 Meter, jederzeit flexibel erweiterbar. Der Mensch in der arbeitsoptimierten Legebatterie. Dann braucht es für so einen bahnhofsnahen Bau noch ein Foyer aus Glas mit einem Tresen und einen durchaus bewusst emotionslosen Innenhof oder eine Dachterrasse – ein bisschen Luxus muss schon sein und das Gebäude ist fertig. Natürlich wirkt das dann kühl und identitätslos", so Architekt Asselmeyer.

Plädoyer für "Identitätsarchitektur" und Planung mit Wissen für wen

Die architekturpsychologische Wirkung von Gebäuden auf den Menschen muss der erste Entwurfs-Ansatz sein. Gerade, wenn es um Objekte in direkter Nachbarschaft zu Bahnhöfen geht, wo der Ruf generell schlecht ist. Früher waren Bahnhöfe mit ihren Vorplätzen und Nachbargebäuden Prachtbauten und bereicherten die Architektur im Zentrum von Städten. Heute werden diese Areale zu reinen Zweckbauten mit angeschlossener Shoppingmall degradiert.

"Aus meiner Sicht muss bei so einem wichtigen städtischen Ort, die Region, das Viertel oder kurz der Genius Loci als Identitätsgeber eine relevante Bedeutung und damit der Ideengeber für die Architektur sein, damit es eben nicht zu austauschbaren Gebäudefronten und einer Wahrnehmung ohne örtlichen Bezug kommt. Damit Bahnhofsviertel nicht zu Problemzonen werden, braucht es ein Maximum an Durchmischung von Funktionen. Das bedeutet: Investoren dürfen in ihren Objekten nicht nur Büroflächen bauen und vermarkten, sondern es braucht auch Wohnflächen, Einzelhandel, Gastronomie, öffentliche Funktionen und kulturelle Angebote. In diesen Büroflächen arbeiten nämlich Menschen, keine Maschinen. Die Theorie von Jane Jacobs (einer renommierten New Yorker Architekturkritikerin) besagt dem Sinne nach: Eine gemischte Bebauung und das Angebot verschiedener Gebäudetypen in Stadtvierteln ermöglichen lebendige Nachbarschaften und kleinteilige, ungeplante Quartiere. Es fördert alltägliche Interaktion und baut ein Netzwerk auf, das als soziales Kapital einer Stadt bezeichnet wird und das die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen, gemeinsame Aktivitäten und Resilienz in Krisenzeiten bildet. Genau das können wir heute gut gebrauchen. Es ist also zunächst die Aufgabe von Städte- und Quartiersplanern, solch eine Orientierungs- und Emotionslosigkeit in Zukunft zu vermeiden und unsere zentralen Bahnhofsareale wieder zu einem Ort der Begegnung zu gestalten, an dem sich alle Bewohner, Besucher und Pendler wohlfühlen", so Dipl.-Ing. Architekt Justus Asselmeyer.

Infos zum Architekturbüro und seinem Konzept der Identitätsarchitektur unter: https://asselmeyerarchitekt.de/

Kontakt:
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Lange Reihe 29, 20099 Hamburg
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