Wir stolpern in eine Gesellschaft des Wahnsinns
Denk.Raum.Fresach: Politik braucht wieder einen vernünftigen Rahmen
Wien (pte013/28.03.2025/10:55)
Der Europapolitiker Hannes Swoboda befürchtet, dass sich die Politik in eine Lage manövriert, aus der sie keinen Ausweg mehr findet. Da sich die ideologischen und religiösen Rahmenbedingungen weitgehend aufgelöst haben, bräuchten wir uns nicht wundern, dass wir heute in eine Gesellschaft des Wahnsinns hineinstolpern, so der ehemalige SPE-Parlamentarier und Kuratoriumsvorsitzende der Europäischen Toleranzgespräche in einer Podiumsdiskussion zum Thema "Welt in Aufruhr - Kleiner Mann, was nun?" in Wien. Die Veranstaltung kann auf pressetext.tv nachverfolgt werden.
"Wenn man es ein wenig historisch betrachtet", so Swoboda, "dann waren die großen Fortschritte seit der Monarchie immer die Folge intelligenter Verfassungsprozesse. Und dann gab es die jeweiligen Ideologien, die christlich-soziale, eine sozialistische, eine kommunistische - und natürlich immer noch die katholische Religion. Das waren stabile Rahmenbedingungen, die den Menschen die Möglichkeit gegeben haben, im Staat und in der Gesellschaft eine Rolle zu finden - mit der Zeit auch als Wähler, um nach einer gewissen Ideologie zu agieren."
Wegfall der Ideologien kein Fortschritt
Diese Ideologien seien in den vergangenen Jahrzehnten weggefallen, was aber nur vermeintlich ein Fortschritt war. Denn dadurch sei das Chaos gekommen, und erst recht autoritäre Führer, die im Wesentlichen keine wirkliche Ideologie mehr haben. Das gilt für Putin ebenso wie für Trump oder Xi Jinping. Hier gehe es auch gar nicht mehr um den Wettstreit der Ideen oder Vorstellungen von einer Gesellschaft, sondern nur noch um die pure Durchsetzung von Macht mit Gewalt. Das macht auch diese Unsicherheit aus, in der wir heute leben. Der Mensch habe nichts mehr, wo er sich anhalten kann.
Swoboda konstatierte, dass die Rahmenbedingungen, unter denen Menschen früher eine Heimat gefunden haben - eine religiöse Heimat, eine politische Heimat oder auch eine nationale Heimat - verlorengegangen sind. Das sei ein Problem, für das er auch keine Antwort habe. "Und dann kommt noch die ganze Digitalisierung dazu, die Social Media mit ihren unterschiedlichsten Meinungen - und da stehen wir vor dem Chaos, oder wie auch immer man es bezeichnen will, wo vielleicht ein bisschen die Literatur, wenn sie gelesen wird, einen Rückhalt geben könnte."
Eigentlich nur die Weltordnung
Der Autor Franz Schuh sagte dazu, erstaunlich finde er, dass die gegenwärtige Auflösung der Weltordnung offenkundig in der Lage ist, alle in den Wahnwitz hineinzuzerren. Es sei ja eigentlich nur die Weltordnung, die auf dem Spiel steht. Wenn Stabilitäten gehen und nicht mehr funktionieren, dann können solche Wahnwitzigkeiten entstehen, die wir aktuell erleben. Im Übrigen wolle er daran erinnern, dass dies für den Bereich der Literatur nichts Neues ist. Trump sei die Wiederkehr der literarischen Figur des König Ubu von Alfred Jarry (1873-1907), mit der selben Paranoia und demselben Gekreische.
Die Politikexpertin Sonja Jöchtl verwies auf die zunehmende Macht der sozialen Medien, wenn es um die Bewertung und Verurteilung von Politikern mit Likes und Shitstorms geht. Auch das führt dazu, dass sich die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen politischen Handelns deutlich verschoben haben. Andererseits fehlt heute auch sowas wie ein Curriculum, also was man wissen muss, um ein guter Politiker zu werden. Es gäbe für jeden Laborjob eine Jobbeschreibung, in der Politik hingegen nicht einmal eine Stellenbeschreibung für einen Bürgermeister. Hinzu kommt das Problem, dass die, die das ändern könnten, sich selber beschneiden würden.
Mehr Selbstwirksamkeit gefragt
Die Psychotherapeutin Margarethe Prinz-Büchl schlug in der Podiumsrunde vor, die eigene Selbstwirksamkeit zu trainieren. Was wir brauchen, sei ein selbstwirksames Ich, das sich seiner selbst bewusst ist und dem das Du und das Wir nicht egal ist. Mit dieser Voraussetzung - dem Spüren und Erkennen des eigenen Wirkens - kann man versuchen, den Wahnsinn, der uns umgibt, Schritt für Schritt greifbar zu machen.
Prinz-Büchl: "Wenn ich etwas begreifen kann, was ich am Anfang vielleicht gar nicht verstehe, dann kann ich es auch - zumindest für mich selbst - lösen, damit umgehen." Mit Verweis auf den Titel der Podiumsdiskussion "Kleiner Mann, was nun" - sagte sie, das sei eine sehr individuelle Sache, aber eine gute Strategie zur Bewältigung des Wahnsinns. "Gute Schritte setzen, dieses mir meines selbst bewussten Ich schärfen, und das tun, dass mir das Wir nicht egal ist."
Fotodienst von der Podiumsrunde im CC der Oberbank
https://fotodienst.pressetext.com/album/3821
Video Gespräch mit Franz Schuh
https://youtu.be/z884lE4lRiM
Video der Podiumsdiskussion
https://youtu.be/8qNhSq8jWv8
Die Veranstaltung im Club Carinthia der Oberbank war Auftakt und Vorschau auf die 11. Europäischen Toleranzgespräche, die vom 1. bis 7. Juni 2025 in Fresach und Villach stattfinden und dem Thema "WahnSinn - Welt in Unordnung?" gewidmet sind. Information und Anmeldungen: www.fresach.org
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