pts20100119026 Kultur/Lifestyle, Medien/Kommunikation

"Es ist fraglich, ob in 10 Jahren noch gedruckte Ratgeber veröffentlicht werden"

Interview mit Ronald Schild, GF MVB, über die Entwicklung bei E-Books


Frankfurt am Main/Wiesbaden (pts026/19.01.2010/13:45) Wie zuvor die Filmindustrie, dann der Musikmarkt, steht jetzt auch die Buchbranche vor einem folgenreichen Wandel beim technischen Zugang der Angebote. Obwohl das E-Book, je nach Land, derzeit nur einen Marktanteil von einem bis etwa 4 Prozent hat, bescheinigen Experten kurzfristig den digitalen Lese-Inhalten den Durchbruch. Bereits in 10 Jahren soll mit E-Books mehr Umsatz generiert werden als mit gedruckten Büchern. Über die aktuellen Entwicklungen beim Thema Kopierschutz, E-Book-Reader, den E-Book-Preisen und Angeboten sprach "Faszination Lesen - die Wochenschau" mit dem Geschäftsführer der MVB Marketing-und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, Ronald Schild. Schild verantwortet u.a auch das von der MVB betriebene E-Book-Portal libreka!, der größten deutschsprachigen Volltextsuche. libreka! haben sich bereits mehr als 1200 Verlage und 600 Buchhandlungen angeschlossen. 120.000 Titel sind auf libreka! eingestellt. Davon können über 15.000 als E-Book gekauft werden.

Herr Schild, was können Buchhandel und Buchverlage aus den Erfahrungen der Musikindustrie bei der Vermarktung digitaler Inhalte lernen?
Ein zentrales und viel diskutiertes Thema bei der Vermarktung digitaler Inhalte ist der Kopierschutz. Er verhindert, dass Inhalte unbegrenzt illegal im Netz verbreitet werden. Die Musikindustrie hat hier auf den so genannten technischen Kopierschutz gesetzt. Der hat jedoch den großen Nachteil, dass der Download der geschützten Dateien extrem kompliziert und zeitaufwändig wird. Das wird von den Nutzern nicht akzeptiert und so passiert das genau Gegenteil von dem, was man erreichen möchte: Man öffnet illegalen Downloads Tür und Tor. Die Musikindustrie hat schließlich eingesehen, dass diese Art des Kopierschutzes nicht mehr zeitgemäß ist, und setzt ihn nicht mehr ein.

Wir empfehlen den Buchverlagen, auf den technischen Kopierschutz zu verzichten und ihre E-Books stattdessen mit einem psychologischen Kopierschutz per digitalem Wasserzeichen zu versehen. Dabei werden im E-Book persönliche Daten des Käufers hinterlegt, so dass dieser jederzeit identifizierbar ist. Die Nutzung des E-Books wird dabei in keiner Weise eingeschränkt.

Nach einer Studie der Frankfurter Buchmesse und Publishers´ Weekly werden innerhalb der nächsten 10 Jahre die Umsätze mit digitalen Inhalten die des klassischen Buchgeschäfts überholen. Was müssen die Voraussetzungen sein, damit diese Prognose eintrifft?
Wir gehen davon aus, dass sich der E-Book-Markt ähnlich wie in den USA entwickelt. Dort haben die Anbieter über mehrere Jahre hinweg das Angebot an Lesegeräten und verfügbaren E-Book-Titeln ausgebaut, bevor es attraktiv genug für die Leser war. Experten gehen mittlerweile von einem E-Book-Anteil von 4 bis 5 Prozent in den USA für das Jahr 2009 aus. Zum ganz großen Durchbruch bedarf es also einer überzeugenden Auswahl nutzerfreundlicher E-Book-Reader sowie eines attraktiven E-Book-Angebots.

Sie sind seit 2006 Geschäftsführer der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH. Zu Ihren Verantwortlichkeiten gehört das E-Book-Portal libreka!, dem sich bereits mehr als 1.200 Verlage mit mehr als 114.000 Titeln angeschlossen haben. libreka! gibt es seit gut zwei Jahren. Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden?
Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. libreka! hat sich innerhalb kürzester Zeit zur größten deutschsprachigen Volltextsuche entwickelt. Und die Zahl der E-Books, die es auf libreka! zu kaufen gibt, steigt weiter deutlich. Zurzeit sind knapp 120.000 Titel in libreka! eingestellt, über 15.000 davon können als E-Book gekauft werden. Unser langfristiges Ziel ist es, auf libreka! die gesamte aktuelle deutschsprachige Literatur anzubieten.

Sie sagen, der Preis für ein E-Book muss dem Leser gefallen, nicht dem Verlags-Controller. Stehen Sie mit dieser Aussage allein auf weiter Flur? Und: was ist denn ein Preis, im Vergleich zum Preis für ein gedrucktes Buch, der sowohl für den Leser wie für den Controller akzeptabel wäre?
Erst wenn der Preis eines E-Books dem Leser gefällt, ist dieser auch bereit ihn zu zahlen - und sucht sich sein Angebot nicht in illegalen Tauschbörsen. Verlage müssen Preismodelle finden, die die Attraktivität für den Leser mit den eigenen finanziellen Zielen verbinden und dabei möglicherweise völlig neue Wege beschreiten.

Wie kann ein Preis-Dumping verhindert werden?
Ein Preis-Dumping bei E-Books ist zurzeit in den USA ein Thema, wo bei einigen Anbietern E-Books pauschal zu extrem niedrigen Preisen angeboten werden. Das setzt ein falsches Signal, es darf nicht der Eindruck entstehen, ein E-Book hätte keinen oder nur einen geringen Wert. Die Verlage müssen Preise finden, die für den Leser attraktiv sind, aber auch den Wert des E-Books widerspiegeln. Es spricht nichts dagegen E-Books im Rahmen einer Marketingaktion zeitlich befristet zu einem Sonderpreis oder sogar kostenlos anzubieten. Solche Maßnahmen müssen aber immer auch dazu beitragen, richtige Preispunkte für E-Books zu finden.

Ein großes Hindernis für die Kundenakzeptanz von E-Books ist der technische Kopierschutz DRM (Digital Rights Management). Sie schreiben: "Die bestmögliche Balance zwischen Sicherheitsbedürfnis und Kundenkomfort bietet der psychologische Kopierschutz, bei dem das E-Book mit einem individuellen Wasserzeichen versehen wird". Wenn dem so ist, warum gibt es dann überhaupt noch technisches DRM?
Es gibt einige Gründe, warum Verlage noch den technischen Kopierschutz anwenden. Zum Teil bestehen die Autoren oder Agenten auf diesen Kopierschutz, außerdem haben viele Verlage die Vorteile der Alternative "psychologischer Kopierschutz" noch nicht erkannt. Hier besteht weiter Informationsbedarf. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich über kurz oder lang der psychologische Kopierschutz durchsetzen wird.

Wie hoch wird in Deutschland in diesem Jahr der Prozentsatz von Buchtiteln sein, die zeitgleich als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book erscheinen?
Leider gibt es hierzu keine Erhebungen.

Warum ist es so wichtig, dass auch Backlists und vergriffene Bücher möglichst kurzfristig als E-Books den Interessenten zur Verfügung stehen?
In Deutschland gibt es über 1 Millionen lieferbare Titel. Für den Nutzer ist es nicht nachvollziehbar, warum es deutlich weniger E-Books gibt und nicht jeder Titel, der gedruckt wurde, auch als E-Book zur Verfügung steht. Gerade beim Geschäft mit digitalen Inhalten spielt der "Long Tail" eine große Rolle. Kunden erwarten einfach, dass über kurz oder lang alle Inhalte auch digital zur Verfügung stehen.

Was wird ein E-Book 2.0 oder 3.0 bieten können/müssen. Insbesondere bei Lehrtiteln, bei Wissen- und Ratgeber-Titeln?
Es ist fraglich, ob in 10 Jahren überhaupt noch gedruckte Ratgeber veröffentlicht werden. Zu groß ist einfach der Mehrwert, den beispielsweise Reiseführer durch die Kombination mit einem Navigationssystem, Beurteilungen anderer Reisenden oder der Integration eines aktuellen Veranstaltungskalenders erführen. Diese Erweiterung wertet das Buch keineswegs ab. Im Gegenteil: die Verknüpfung mit aktuellen, lokalen und nutzerspezifischen Internet-Inhalten hat das Potenzial, die Unersetzbarkeit des Buches noch weiter zu stärken.

Welche Chancen haben EPUB und PDF, dass sie zu Standardformaten für E-Books werden?
EPUB und PDF haben sich bereits als die zentralen Formate für E-Books etabliert, die vom Großteil der Verlage verwendet werden. Gerade EPUB hat - bei entsprechenden Weiterentwicklungen - das Potenzial, sich zu DEM Branchenstandard zu entwickeln.

Was muss sich beim Thema Leserkomfort kurzfristig noch ändern? Beispiel: Bei DRM geschützten Büchern muss der Kunde während der Aktivierung des Buches mit dem Adobe Digital Editions Client noch online sein. Das ist nicht gerade besonders kundenfreundlich.
Bevor man ein E-Book lesen kann, dass mit dem technischen Kopierschutz von Adobe geschützt ist, muss eine spezielle Software, Adobe Digital Editions, heruntergeladen werden. Nach deren Installation muss der Nutzer sich wiederum bei Adobe registrieren. Das ist ein aufwändiger Vorgang. Zudem ist Adobe Digital Editions mit vielen Lesegeräten nicht kompatibel; in diesem Fall kann das E-Book überhaupt nicht gelesen werden. Zusätzlich limitiert der Kopierschutz de facto die Lebensdauer eines E-Books durch die Kopplung an eine bestimmte Zahl von Endgeräten. Dieser Vorgang ist für den Nutzer inakzeptabel. Deshalb raten wir Verlagen vom technischen Kopierschutz ab. Das digitale Wasserzeichen ist eine sinnvolle und sichere Alternative.

libreka! ist ein Gemeinschaftsangebot von mehr als 1.200 Verlagen. Welche Vorteile bietet libreka! für die beteiligen Verlage, für den Buchhandel, für den Leser?
libreka! wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels initiiert und ist das zentrale Angebot der gesamten Buchbranche. Die Plattform ermöglicht Verlagen und Buchhandlungen sich einfach und ohne große Investitionen am wachsenden E-Book-Markt zu beteiligen. Neben den mehr als 1.200 Verlagen, die zurzeit Partner von libreka! sind, nehmen über 600 Buchhändler an libreka! teil, indem sie sich als E-Book-Verkäufer listen lassen oder die verschiedenen Möglichkeiten nutzen, libreka! in ihre Online-Shops oder Homepages einzubinden. Der Nutzen für den Leser lässt sich einfach mit den drei Worten "Finden, Lesen, Kaufen" umschreiben. Sie können in den Volltexten von weit über Hunderttausend Buchtiteln stöbern, in ihnen recherchieren oder einfach in sie hinein lesen. Oder sie kaufen sich ein E-Book, um es bequem auf dem Computer oder einem E-Book-Reader zu lesen.

Welchen Stellenwert soll libreka! in den nächsten drei Jahren im schnell wachsenden E-Book-Markt haben?
Die weitere Entwicklung von libreka! hängt natürlich an der weiteren Entwicklung des E-Book-Marktes. Unser Ziel ist es mittelfristig alle lieferbaren Titel in libreka! anzubieten und einen Großteil davon auch als E-Book. libreka! ist schon jetzt eine der führenden Plattformen und wir möchten diese Position weiter ausbauen.

Thema Lesegeräte: libreka! ist hierbei grundsätzlich offen für alle Anbieter. Wie wird sich der Markt entwickeln? Die diesjährige CES in Las Vegas hat ja einen Boom an neuen Endgeräten beschert.
Ein Teilnehmer des Online-Forums mobileread.com hat eine Liste mit den relevanten Ausstellern bei der CES verfasst - und ist bei der stolzen Anzahl von 64 Firmen angelangt. Langfristig wird sich zeigen, welche Geräte sich bei den Nutzern durchsetzen werden. Das Signal, das von der CES ausging, ist deutlich: Der Markt der E-Books etabliert und konsolidiert sich.

E-Paper. E-Book. Welche Angebots-Allianzen sind zum Wohle und zum Vorteil der Leser in Deutschland denkbar?
Immer mehr Reader verfügen über eine UMTS-Schnittstelle und damit über die Möglichkeit online Zeitungen und Zeitschriften zu abonnieren. Amazon beispielsweise kooperiert mit diversen Medienhäusern und bietet über seinen Reader "Kindle" auch deutsche Zeitungen, u.a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung, im Abo an. Weitere Geschäftsmodelle sind denkbar: Es gibt zum Beispiel bereits Überlegungen, Nutzern individualisierte Abonnements mit Artikeln verschiedener Zeitungen anzubieten.

Über den momentanen Umsatzanteil von E-Books in Deutschland, den USA und anderen Ländern kursieren die unterschiedlichsten Zahlen, von 1 bis 6 Prozent. Wie hoch wird inkl. Weihnachtsgeschäft 2010 der Umsatzanteil in Deutschland in diesem Jahr nach Ihrer Einschätzung sein?
In 2010 wird es eine deutliche Steigerung der Nachfrage geben, darauf lässt alleine schon das wachsende Angebot an Lesegeräten für E-Books schließen.

Ist das gedruckte Buch in 10 Jahren ein Auslaufmodell, bestenfalls noch ein Fall für Buchliebhaber im Rentenalter? Ist ein Vergleich hier mit dem Stellenwert vom Kino beim Film, von einer CD bei der Musik möglich und erlaubt?
Selbstverständlich wird es auch in 10 Jahren noch gedruckte Werke geben. Aber auch ein sehr breites Angebot an digitalen Werken. Das E-Book hat natürlich viele praktische Vorteile. Man kann es einfach und schnell aus dem Netz herunterladen, im Volltext durchsuchen, Notizen und Markierungen anlegen. Ganze Bibliotheken kann man in einem kleinen E-Book-Reader permanent bei sich tragen. Aber die Liebhaber gedruckter Bücher werden auf diese nicht verzichten müssen.

Anschließend noch eine Frage zu Ihren eigenen Lesegewohnheiten: wann und warum lesen Sie Bücher als E-Books? Was sind für Sie die damit verbundenen Vorteile, was (derzeit noch), die Nachteile?
Ich lese jedes Buch als E-Book, das ich in elektronischer Form erhalte. Einzige Ausnahme bilden Kochbücher, die ich sammle und bei denen ich in der Tat auf das haptische Erlebnis nicht verzichten möchte. Bei jeder anderen Art von Literatur schätze ich die Vorzüge der E-Books: geringer Platzbedarf, hohe Mobilität und immer mehr Bücher dabei zu haben, als man in den kommenden 12 Monaten lesen kann.

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