pte20201016004 Tourismus/Reisen, Kultur/Lifestyle

"Möglichst billig verreisen, muss aufhören"

Touristiker Urs Weber: "Fremde Länder und Menschen kennenlernen, sollte im Fokus stehen"


Wien (pte004/16.10.2020/06:15) Die Reisegewohnheiten werden nach Corona deutlich anders aussehen, zeigt sich Touristik-Experte Urs Weber, Marktverantwortlicher für Schweiz-Tourismus Österreich http://myswitzerland.com , im pressetext-Interview überzeugt. "Die Zeiten, in denen man möglichst billig, möglichst schnell in ein ganz anderes Umfeld kommt, sind meines Erachtens vorbei. "Nachhaltigkeit wird mehr und mehr aus der Greenie- und veganen Ecke rauskommen. Vielen wird bewusst werden, dass es einfach nicht in Ordnung ist, für 100, 50 oder noch weniger Euro nach Neapel oder London zu fliegen", kritisiert Weber.

Bahn auf der Überholspur

Weber zeigt sich davon überzeugt, dass andere Verkehrsmittel, wie etwa die Bahn, deutlich zulegen werden. "In der Schweiz haben wir bereits seit langer Zeit ein hervorragend ausgebautes und auch intermodal abgestimmtes Verkehrssystem. Das bedeutet, dass Anschlüsse zwischen Bahn, Bus und Schiff aufeinander abgestimmt sind. Zudem kann das mit dem Swiss Travel Pass - also mit nur einem einzigen Ticket - benutzt werden."

"Ein weiterer Vorteil des Tickets ist, dass auch öffentliche Verkehrsmittel in 90 Städten und mehr als 500 Museen darin inkludiert sind. Ein Großteil der Bergbahnen gewährt zudem 50 Prozent Preisnachlass." Webers Ansicht nach holt Österreich übrigens auf. Beim hervorragenden Nachtzug-Angebot seien die ÖBB "absoluter Vorreiter". "Mit dem ab 2021 geplanten 1-2-3-Ticket wird der Ersatz des Autos durch Öffis definitiv für viele eine interessante Option."

Neue Art des Reisens und Erlebens

Der Fachmann sieht in alternativen Reiseerlebnissen jedenfalls eine große Chance. "Zu den spannendsten Formen gehört das 'Volunteering', wo man anderen freiwillig hilft, ganz egal, ob man bei der Renovation einer Schule in Bhutan oder beim Aufbau einer ordentlichen Trockensteinmauer in einem Weingarten am Genfersee mithilft." Etwas mit Sinn zu machen, ist aus seiner Sicht der Gipfel des Luxus sowie die "oberste - und gleichzeitig sinnvollste - Art, Urlaubstage zu verbringen und Kraft zu tanken".

Reisebüros und Pauschalreisen werden, so Weber, weiterhin ihre Berechtigung haben. "Gerade die tollen Möglichkeiten, die das Internet bietet, stärken sogar den bisherigen, alten Vertrieb." Vermehrte Bedeutung käme aber persönlichen Erklärungen, Erfahrungen von Spezialisten, die selbst schon in einer Destination waren oder mit Guides gesprochen haben, zu. "Denn das Menschliche, das wird wieder viel mehr an Bedeutung gewinnen", ist sich Weber sicher.

Genauere Darstellung neuer Reiseziele

Ein Herzenswunsch von Weber wäre, neben einer besseren, medialen Aufwertung von unbekannteren Reisezielen auch inhaltlich neue Ideen zu bringen: "Es wäre eine tolle Idee, am Ende der Pflichtschule den Abgängern ein Interrail-Ticket entweder kostenlos oder stark vergünstigt zur Verfügung zu stellen. Reisen bildet und so lernt man unseren Kontinent, die Schönheiten, Eigenheiten, Kulturen wirklich kennen. Zu viele Menschen machen sich ihr Bild über die Welt über die populistischen Gratiszeitungen."

Weber kritisiert: "Es erscheint mir persönlich immer noch recht abstrus, mich stundenlang in den Flieger zu zwängen, in einem Land mit völlig anderer Geschichte und Kultur anzukommen, und dort dann zwei Wochen in einem Refugium zu bleiben, das dem Essen, der Einrichtung und dem Service nach möglichst dem entspricht, was wir hier in Europa als Luxus bezeichnen."

Unter diesen Aspekten gehe alles "Lokale" völlig verloren - mitsamt dem Gefühl, "ganz weit weg" zu sein. "Dazu sind strukturelle Veränderungen nötig. Dazu gehören unter anderem solide, glaubwürdige Informationsquellen, Protagonisten, die ohne Dramatik die Situation und Herausforderungen darstellen", erklärt Weber abschließend.

(Ende)
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